Papst Benedikt XVI. hat heute Mittag die Kölner Synagoge besucht. Es war ein sehr
langer Händedruck und mit beiden Händen – jener, den Papst Benedikt XVI. und Rabbi
Netanel Teitelbaum wechselten. Und der Applaus der Anwesenden in der Kölner Synagoge
war mindestens genauso lang. Sicherlich war dieser Moment einer der Höhepunkt des
Besuches von Papst Benedikt in der Kölner Synagoge. Der Rabbi hatte in seiner Ansprache
kurz vorher unterstrichen, dass er seine Hand stellvertretend für das ganze jüdische
Volk dem Papst und damit der katholischen Kirche reiche. Die Ansprache des Rabbis
war tief persönlich – und vor allem tief beeindruckend. Alle fünf Finger hielt er
in die Höhe, als er sagte, dass er den Katholiken seine Hand reiche. Die ganze Hand
wolle er den Christen reichen. Es war der erste Besuch von Papst Benedikt XVI. in
dem Gotteshaus einer anderen Religion seit seiner Wahl, der erste Besuch des deutschen
Papstes in einer deutschen Synagoge – und historisch sicherlich, nach jenem ersten
Besuch eines Papstes überhaupt, als Johannes Paul II. die Synagoge in Rom besucht
hatte. Dass die Shoa, das schreckliche Hinschlachten von Juden durch Deutsche, bei
diesem Besuch eine große Rolle spielte, war mehr als selbstverständlich: Der Papst
ging gleich nach der Begrüßung zusammen mit allen Anwesenden in den Gedächtnisraum,
der dort für die während des Dritten Reichs ermordeten Juden eingerichtet ist. Das
Kaddish, das jüdische Totengebet erklang dort. Danach verharrte der Papst kurz in
einem stillen Gebet, bevor er in den Gebetsraum der Synagoge geführt wurde. Und dort:
Der Kantor singt auf hebräisch einen Psalm, den der Papst etwas dahinter sitzend hört.
Nach dem Rabbiner ergreift auch der Papst das Wort – und unterstreicht die Erfolge,
die der Dialog zwischen Juden und Katholiken gebracht hat. Außerdem erinnert er an
das Konzilsdokument Nostra Aetate – und vergisst vor allem auch nicht, die Shoah zu
erwähnen. Er verurteilt – auch und gerade mit Berufung auf das Konzil jeglichen Antisemitismus.
Und - das ist wohl äußerst wichtig: Der Papst spricht die „gemeinsamen Wurzeln und
das äußerst reiche christliche Erbe“, das Juden und Christen miteinander teilen. Aus
diesem Erbe resultiert auch eine gemeinsame Aufgabe für die Zukunft, so der Papst.
Am Ende stellen die Gemeindeleiter dem Papst wichtige Mitglieder der Synagogengemeinde
vor – unter anderem einen Shoah-Überlebenden aus Köln oder neue Gemeindemitglieder
aus Osteuropa, von denen zwei sogar Generäle der Roten Armee waren. Begleitet von
Klezmer-Musik geht ein Treffen zu Ende, das mit Fug und Recht historisch genannt werden
kann. (rv 19.08.05 gs)