Die Europäische Union sollte Selbstkritik üben - und so der um sich greifenden Anti-Europa-Stimmung
den Wind aus den Segeln nehmen. Dazu rät die italienische Zeitschrift "Civiltà Cattolica"
in ihrer jüngsten Ausgabe. Die Artikel des Jesuiten-Blattes werden im vatikanischen
Staatssekretariat gegengelesen; der Vatikan steht also hinter dem Aufruf an die EU
zur Selbstkritik.
"Die Europäische Union muss jetzt nach den Vereinbarungen
der geltenden Verträge weiter regiert werden", fordert der Leitartikel. Das heißt:
Nein zu einem Stillstand Europas. Nach der Ablehnung der Verfassung in Frankreich
und den Niederlanden sei die EU stark angeschlagen. Aber, so die halbamtliche Zeitschrift
des Vatikans, "wir stehen noch nicht vor dem Untergang oder der Auflösung der Europäischen
Union, auch wenn großes Misstrauen herrscht. Vor allem muss die anti-europäische Stimmung
vermieden werden, die besonders durch das Nein in Frankreich und den Niederlanden
in allen europäischen Ländern starken Aufwind bekam." Würde sich diese Stimmung weiter
verbreiten, so könnte dies zum "Selbstmord" Europas führen, wird gewarnt. Der Artikel
fährt fort: "Die Europäische Union kann und darf nicht demontiert werden. Vielmehr
muss man ihr helfen, geduldig und beständig zu wachsen." Dazu gehörten - ein Wink
mit dem Zaunpfahl - "jene ethischen Werte und Fundamente, die der europäischen Wirklichkeit
am besten entsprechen." Der Aufsatz erschien noch vor dem Scheitern des EU-Gipfels
von Brüssel. Die Vatikan-Warnung vor einem "Selbstmord" Europas klingt dadurch eher
noch dringender.
Die "Civiltà Cattolica" spricht sich auch deutlich gegen einen
Beitritt der Türkei zur EU aus. Es stimme zwar, dass das Osmanische Reich über einen
großen Teil Europas geherrscht habe; die Kultur des Kontinents habe es aber nicht
bereichert. Der Beitritt würde das Gleichgewicht in der EU zerstören, warnt das Blatt.