Kardinal Jaime Sin, der ehemalige Erzbischof von Manila, ist tot. Der 76jährige erlag
in den frühen Morgenstunden einer langen Krankheit. "Der Kardinal hat lange gelitten,
es war Zeit für ihn, zu Gott zu gehen", kommentierte sein Sekretär die Todesnachricht. Fast
dreißig Jahre lang war er der geistliche Führer der Katholiken auf den Philippinen
gewesen: Jaime Sin. Seit 1974 Erzbischof von Manila, erhielt er aus der Hand von Papst
Paul VI. 1976 den Kardinalshut. Sin ist als eifriger Verfechter der Demokratie in
die Geschichte eingegangen - nicht zuletzt war er die entscheidende Gestalt für den
Sturz von Diktator Ferdinand Marcos im Jahr 1986. Der Kardinal rief damals die Bürger
des größten katholischen Landes Asiens dazu auf, betend durch die Straßen zu ziehen
und so gegen das diktatorische Regime zu protestieren. Die "Rosenkranzrevolution"
nannte man diese friedliche Demonstration. Radio Veritas, die katholische Radiostation
auf den Philippinen, wurde zu seinem wichtigsten Sprachrohr. Doch nicht nur einmal
schaltete sich der philippinische Kardinal in die Politik seines Landes ein - zuletzt
war er es, der im Jahr 2003 eine Revolte gegen Präsidentin Gloria Arroyo durch seine
Appelle nach 19 Stunden quasi im Keim erstickte. Wenn Kardinal Sin sprach, hörten
ihm Präsidenten zu: "Ich habe dem Präsidenten gesagt, dass, wenn wir über wirtschaftlichen
Wiederaufbau sprechen, wir auch die geistliche Erneuerung unseres Volkes nicht vergessen
sollten. Denn wenn wir nur von materialistischen Dingen sprechen, wird es eine Unausgewogenheit
in unserem Land geben - und wir werden kollabieren!" Kardinal Sin war auch der
Gastgeber der größten Messfeier, ja der größten Menschenansammlung in der Geschichte
der Menschheit, als sich zum Weltjugendtag in Manila im Januar 1995 rund zwei Millionen
Menschen in der philippinischen Hauptstadt mit Papst Johannes Paul II. trafen. Präsidentin
Arroyo kommentierte den Tod von Kardinal Sin mit den Worten, der Tag werde in die
Geschichte eingehen, an dem ein großer Befreier des philippinischen Volkes und ein
großer Gottesmann heim ging. Um Kardinal Sins Wirkung zu verstehen, reicht es vielleicht,
an eine seiner Äußerungen nach dem Sturz von Diktator Marcos im Jahr 1986 zu erinnern,
als er sagte: "Wir haben Ali Baba vertrieben, aber die 40 Räuber sind geblieben." (rv
21.06.05 lw)