Auch bei Kirchenleuten hält das Entsetzen darüber an, dass die EU-Verfassung beim
französischen Wähler durchgefallen ist. Kardinal Karl Lehmann von Mainz spricht von
einer "mittleren Katastrophe". Der italienische Priester Aldo Giordano ist Sekretär
des europäischen Bischofsrates. Ihn stimmt vor allem die diffuse Stimmungslage im
französischen Nein-Lager unbehaglich: „Da sieht man von außen geradezu widersprüchliche
Gründe: Der eine sah im Verfassungsvertrag eine Gefahr für die französische Laizität,
der nächste stimmte dagegen, weil ihm ein Bezug auf die christlichen Wurzeln fehlte.
Dazu kam dann noch als düsterer Hintergrund die Wirtschaftskrise, die es in Europa
gibt und die einzelnen Nationen betrifft.“ Sollte man den Ausrutscher an den
französischen Urnen schleunigst vergessen und verdrängen? Oder lehrt er uns was? „Vielleicht
lehrt uns das etwas über einen kulturellen und politischen Schock. Man kann sich jetzt
nicht einfach auf ein Zurück zum Vertrag von Nizza verständigen, sondern muß eine
Lehre aus diesem neuen Fragezeichen hinter dem europäischen Prozeß ziehen. Offenbar
muß die Europäische Verfassung tiefer gehen. Offenbar müssen wir die Europa-Idee neu
denken, um zu wissen, wohin wir letztlich gehen wollen... Wir müssen auch bestimmten
Werten wieder wirklich Inhalt geben, die ein bisschen hohl und rhetorisch klingen.“ (rv
30.05.05 sk)