2005-04-20 08:53:07

Lehmann: "Garant der Festigkeit des Glaubens"


Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, hat den neuen Papst als "begnadeten Theologen" und "Garanten der Festigkeit des Glaubens" gewürdigt. In einer Erklärung vor der Presse wies Lehmann gestern darauf hin, dass 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein deutscher Kardinal den Stuhl Petri besteige. Hier ist die Erklärung von Kardinal Lehmann in vollem Wortlaut:
"Die deutschen Bischöfe und mit ihnen vor allem die katholischen Christen gratulieren dem Heiligen Vater, Papst Benedikt XVI., zur Wahl als Bischof von Rom und 265. Nachfolger des heiligen Petrus, Oberhaupt der katholischen Kirche und Patriarch des Abendlandes. Wir wünschen ihm die Fülle der Gaben des Heiligen Geistes zur Leitung der Kirche inmitten der heutigen Welt.
Die 115 Mitglieder des Konklave, aus allen Kontinenten kommend, haben in ihrem Dekan des Kardinalskollegiums, Joseph Cardinal Ratzinger, einen Mann der Kirche gewählt, der für sie ein lebendiges Symbol des kontinuierlichen Zeugnisses der Kirche ist, gestützt auf die Heilige Schrift und die kirchliche Überlieferung aller Jahrhunderte, ein unerschrockener Garant der Festigkeit des Glaubens in allen Wandlungen, ein seit Jahrzehnten weltweit bekannter, begnadeter Theologe und einer der engsten Mitarbeiter von Papst Johannes Paul II., der ihm wenige Tage vor seinem Tod bei dem offensichtlich letzten Gespräch zwischen beiden für seinen wertvollen Beitrag dankte. Er hat in den fast 24 Jahren seit der Übernahme seiner großen, schwierigen Aufgabe als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre nicht nur die Fragen und Probleme überall auf der Welt, sondern unmittelbar auch die Situation vor Ort kennen gelernt. Seine zahlreichen Bücher sind in alle Kultursprachen übersetzt.
Kardinal Ratzinger hat gewiss in der Weltkirche mit und unter dem Papst eine der sensibelsten Aufgaben erfüllt, nämlich mitten in allen geistigen, gesellschaftlichen und theologischen Wandlungen die Substanz des katholischen Glaubens unversehrt zu erhalten und dies in vielen Auseinandersetzungen auch zu bewähren. Es ist fast selbstverständlich, dass ihm bei dem gegenwärtigen Pluralismus der Meinungen – auch in der eigenen Kirche – nicht alle folgen konnten und wollten. Aber er hat überall - auch im Widerspruch - Respekt vor seiner theologischen Leistung und die Annerkennung seines nonkonformistischen Mutes im Dialog und in der Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Kräften erhalten. Dies gilt gerade auch für die Begegnung mit der Welt des Geistes und der Politik. Ich denke dabei stellvertretend an das Gespräch mit Jürgen Habermas, an die Aufnahme in die berühmte Academie francaise und an den kürzlichen Disput im Senat Italiens über den Wert des Lebens und die damit zusammenhängenden bioethischen Probleme.
Der neue Papst ist einer der ganz wenigen namhaften Konzilstheologen, die noch unter uns leben. Er hat für die Erneuerung der Kirche beim Zweiten Vatikanischen Konzil eine große Rolle gespielt, als Berater von Joseph Kardinal Frings, aber auch in der Theologischen Kommission und einigen Gremien des Konzils. Auch seine vielfältigen Veröffentlichen belegen dies. Es ist wohl mehr als ein zufälliges Gerücht, dass Papst Paul VI. den Regensburger Professor Joseph Ratzinger im Frühjahr 1977 nicht zuletzt auch deshalb zum Erzbischof von München und Freising ernannt und ein Vierteljahr später in das Kardinalskollegium berufen habe, weil er in ihm einen besonders verlässlichen Gewährsmann für die treue Verwirklichung und Fortführung der Intentionen des Zweiten Vatikanischen Konzils sah. Er kennt und deutet freilich das Konzil vor dem Hintergrund einer umfassenden theologischen und spirituellen Tradition der Kirche sehr genau und war von Anfang an in der nachkonziliaren Zeit um die Unterscheidung der Geister bemüht. Darum besteht auch kein prinzipieller Zweifel an seiner Einstellung zu den ökumenischen Bemühungen und Gesprächen mit den reformatorischen Kirchen und den Kirchen des Ostens. Viele Veröffentlichungen über fünf Jahrzehnte legen davon Zeugnis ab.
Der neue Papst hat sofort nach der Wahl und ihrer Annahme den Name Benedikt XVI. angenommen. Dies ist eine echte Überraschung. Er knüpft dabei an Papst Benedikt XV. an (geb. 1854 in Genua). Er regierte vom 03.09.1914 bis zu seinem Tod 22.01.1922. Benedikt XV. litt unter dem 1. Weltkrieg und reagierte mit strikter politischer Neutralität, beharrlichen Bemühungen um Begrenzung, Verkürzung und Milderung des Konflikts sowie mit umfangreichen Hilfsaktionen. Auch wenn er seine konkreten Friedensziele nicht verwirklichen konnte, so hat er doch in hohem Maß als Papst der Verständigung und Versöhnung gewirkt. Er hat so das Ansehen des Heiligen Stuhles in schwieriger Zeit erheblich gefördert. Er vertiefte die katholische Soziallehre und erreichte eine Klimaverbesserung gegenüber Italien. "Benedikt hat die Wiederannäherung von katholischer Kirche und moderner Welt umsichtig gefördert." (R. Lill) Es ist kein Zweifel, dass der neue Papst diese Anknüpfung sehr bewusst gewählt hat. Sie wird noch manchen Aufschluss bieten. "Manche sehen in Benedikt XV. den bedeutendsten Papst des zwanzigsten Jahrhundert, der das Unglück hatte, seine großen Fähigkeiten und Absichten in der Ungunst seiner Zeit nicht genügend verwirklichen zu können." (G. Schwaiger)
In der deutschsprachigen katholischen Kirche wird heute, am Tag der Wahl von Benedikt XVI., das Fest des heiligen Papstes Leo IX. gefeiert, ursprünglich Bruno Graf von Egisheim (Elsaß), der von 1002-1054 lebte und von 1049-1054 regierte. Er gilt weithin als ein außerordentlich segensreicher, ja – wie manche meinen – als der erfolgreichste Papst deutscher Herkunft. "Der bedeutendste der fünf deutschen Päpste der Jahre 1046-1058 machte das Papsttum zum Zentrum der Kirchenreform." (J. Dahlhaus) Er knüpfte dabei an die Reformbewegung von Cluny an. Er gilt auch als ein Reformer des Kardinalskollegiums in Richtung eines Kollegs der Gesamtkirche. Er starb am 19. April 1054, wenige Wochen vor der erfolgten Kirchenspaltung zwischen Rom und Konstantinopel. Er ist in St. Peter begraben und wurde sogleich als Heiliger verehrt. Es lohnt sich, an dieses denkwürdige Zusammentreffens seines heutigen Todestages mit der Wahl von Benedikt XVI. zu erinnern.
Ich habe nach der Wahl dem neuen Papst Benedikt XVI. von Herzen gratuliert, unser Gebet um Gottes Segen für ihn und alle Hilfe aus seiner deutschen Heimat versprochen. Zugleich habe ich, ebenso wie Herr Kardinal Meisner, der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass er im August zum XX. Weltjugendtag nach Köln kommen wird.
Es trifft sich auch gut, dass fast 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges – wir denken besonders am Tag der deutschen Kapitulation (08. Mai) daran – ein deutscher Kardinal nach so langer Zeit in dieses höchste Amt der Kirche gewählt werden konnte. Viele haben nicht daran geglaubt, dass so etwas nach den immer noch spürbaren, grausamen Ereignissen, die im zwanzigsten Jahrhundert von Deutschland ihren Ausgang nahmen, möglich sei. Es ist darum auch ein wichtiges Zeichen der endgültigen Rückkehr Deutschlands in die weltweite Völkergemeinschaft, die auch in der katholischen Kirche ihre Spiegelung erhält. Darum wollen wir den wählenden Kardinälen auch für dieses wichtige Zeichen einen herzlichen Dank sagen. Dies kann unser Land in vieler Hinsicht ermutigen.
Vatikan, 19.04.2005
Karl Kardinal Lehmann







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