Eine Woche nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. haben zahlreiche Kardinäle in
Roms Kirchen Sonntagsmessen gefeiert. Nachdem sie sich am Vortag entschieden, keine
Interviews mehr zu geben, äußerten sie sich auch in ihren heutigen Predigten nicht
über das, was sie in ihren täglichen Vollversammlungen oder im Konklave beschliessen
wollen. Heute kam das Kardinalskollegium erstmals nicht zusammen. Am Nachmittag wird
Kardinal Camillo Ruini, der Kardinal-Vikar von Rom im Petersdom eine Messe feiern,
mit der sich die Diözese des Papstes von Johannes Paul II. verabschiedet. Gestern
zelebrierte der Erzpriester des Petersdoms, Kardinal Franchesco Marchisano die eine
der insgesamt neun Gedenkmessen, die an jeden Nachmittag an den Tagen der Trauerzeit,
die mit der Beisetzung begann, im Vatikan gefeiert werden. Im Zentrum von Marchisanos
Predigt stand die starke Menschlichkeit des verstorbenen Papstes:
Warum haben die Menschen den Papst so gut verstanden, dass sie ihm gefolgt sind und
sich ihm zugewendet haben? Weil sie begriffen haben, dass er ein Mensch war, der in
die Seele jedes einzelnen mit ihren besonderen Problemen dringen konnte.
Einen Rückblick auf das Pontifikat zu werfen und es dabei schon jetzt zu beurteilen,
hält der Münchener Kardinal Friedrich Wetter, für problematisch:
In gut einer Woche ziehen sich die Kardinäle ins Konklave zurück, um einen Nachfolger
für Johannes Paul II. zu wählen. Der Vatikankorrespondent der römischen Tageszeitung
"La Repubblica", Marco Politi, ist überzeugt, dass es ein kurzes Konklave wird, denn:
Nicht nur die internationalen Fernsehsender rund um den Petersplatz waren enttäucht
über die Entscheidung der Kardinäle, in diesen Tagen nicht mehr mit den Medien zu
sprechen, meint der italienische Vatikanexperte Politi:
Der Privatsekretär von Johannes Paul II., Erzbischof Stanislaw Dziwisz ist aus den
päpstlichen Gemächern ausgezogen. Auch der letzte Teil der Wohnung im Apostolischen
Palast wurde nach der Beisetzung versiegelt. Dziwisz wohnt derzeit in einem polnischen
Pilgerhaus. Falls der nächste Papst ihn in seinem Amt als Unterpräfekt des Päpstlichen
Hauses bestätigt, könnte er bald in den Vatikan zurückkehren. Zwei italienische Tageszeitungen
berichten heute von einem Interview, in dem Dziwiscz ihnen bereits vor drei Jahren
über ein von Johannes Paul II. gewirktes Wunder berichtet haben soll. Nach der Teilnahme
an einer Messe mit dem Papst sei ein jüdischer Gläubiger von einer Krebserkrankung
geheilt gewesen. In diesen Tagen zirkulieren in Rom bereits unzählige Erzählungen
über angebliche Papstwunder.
stacco
"Es war ein außergewöhnliches Pontifikat, aber der letzte Teil war die stärkste seiner
Lehren", sagt Ex-EU-Kommissionspräsident Romano Prodi. "Er hat sich in seiner menschlichen
Schwäche gezeigt, das war großartig", meint der gläubige Katholik und Chef der italienischen
Opposition.