2005-04-02 22:09:58

Das Leben von Papst Johannes Paul II.


Papst Johannes Paul II. wird aller Voraussicht nach als einer der einflußreichsten Päpste des 20.Jahrhunderts in die Geschichte eingehen. Mehrfach hatte er angedeutet, dass er sich berufen fühle, die katholische Kirche ins 21.Jahrhundert zu führen. Mit einem sehr persönlichen Stil hat er Akzente gesetzt, die sich viele Katholiken vorher kaum hätten vorstellen können: die Pastoralreisen in alle Welt und die unzähligen Pfarreibesuche in seiner Diözese Rom, der ungezwungene Umgang mit den Medien und seine Suche nach der Nähe zu den Gläubigen, die Einladungen an seinen Mittagstisch und die Gespräche mit Hunderten von Politikern sowie Dutzenden von Regierungschefs und Staatspräsidenten, seine verhaltenen und doch unüberhörbaren Stellungnahmen zu politischen und gesellschaftlichen Fragen und sein Einfluß auf den Sturz der kommunistischen Systeme, sowie schließlich sein Festhalten an moralischen Grundsätzen, die während seiner Amtszeit von vielen Menschen in aller Welt in Frage gestellt wurden.
Auf dem Weg zum Petrusamt
Karol Woityla wurde als zweites Kind des Leutnants im Dienste Österreichs Karol Woityla und seiner Ehefrau Emilia am 18. Mai 1920 in Wadowice - unweit von Krakau - geboren. 15 Jahre vor dem kleinen "Lolek", so der Spitzname des künftigen Papstes, war den Eltern als erstes Kind Edmund geboren worden. Schon im Jahr 1929, als Lolek neun Jahre alt war, starb seine Mutter und nur drei Jahre später verschied auch der ältere Bruder. Und schon sieben Jahre später wird Karol Vollwaise, da auch sein Vater stribt.
Die frommen Eltern hatten Karol bald taufen lassen, lehrten ihn das Beten, nahmen ihn regelmäßig zum Gottesdienst. Nach der Volksschule durfte der begabte Junge aufs Gymnasium in Wadowice.
Schon in der Schule kam er mit vielen Juden in Kontakt, da in seiner näheren Heimat etwa ein Drittel aller Polen jüdischen Glaubens waren. Mit 18 Jahren machte er Abitur und begann ein Studium der polnischen Literatur in Krakau. Dies mußte er jedoch nach kurzer Zeit unterbrechen, da das deutsche Heer in Polen einmarschiert war. Um nicht verschleppt zu werden, nahm er Arbeit in einer chemischen Fabrik auf, versuchte jedoch nebenbei weiterzustudieren. Zudem pflegte er, mit anderen jungen Leuten Theater zu spielen. Nach dem Ende der deutschen Besatzung begann er im Hause des Erzbischofs von Krakau Theologie zu studieren. Dieser erkannte seine Begabung und schickte ihn zur Fortsetzung des Studiums nach Rom, wo er im Jahr 1946 zum Priester geweiht wurde. Nach der Promotion kehrte Woityla nach Polen zurück und begann die Lehrtätigkeit als Professor für Moraltheologie an der katholischen Universität in Lublin. Von dort wurde er zum Weihbischof in Krakau berufen, wurde 1958 zum Bischof geweiht und nahm als solcher an allen vier Konzils-Sessionen in Rom teil. Hier wurde er bereits vielen Bischöfen und Kardinälen im Vatikan bekannt, vor allem auch Papst Paul VI., der große Stücke auf ihn hielt. 1964 wurde Woityla dann Erzbichof von Krakau und 1967 zum Kardinal kreiert.

Die Wahl von Kardinal Woityla
Als das Kardinalskollegium nach kurzem Konklave dann den Erzbischof von Krakau, Kardinal Karol Woityla auf den Stuhl Petri gewählt hatte, war der Ausersehene den allermeisten Katholiken in der Welt ein Unbekannter. Als der berufene Kardinal den polnischen Namen etwas mühsam über die Lippen brachte, blieb es auf dem Petersplatz eine Weile still, da sich nur die wenigsten etwas unter dem Fremden vorstellen konnte. Vor allem für die italienischen Katholiken muß es befremdlich gewesen sein, dass ihnen ein Name präsentiert wurde, der nicht mal den Eingeweihten etwas bedeutete. Im Vatikan war es freilich anders. Kardinal Woityla aus Krakau war nicht nur Papst Paul VI. wohlbekannt, sondern auch vielen Würdenträgern, die zu näheren Beratern von Papst Montini gehörten und auch den Teilnehmern des 2.Vatikanischen Konzils. Denn der Erzbischof von Krakau hatte als einer jüngsten Oberhirten an allen vier Konzilssitzungen teilgenommen und dabei keineswegs nur geschwiegen. Im Gegenteil: Wer aufmerksam hinschaute, konnte den aktiven und sportlich wirkenden Bischof aus Polen und seinen Einfluß durchaus wahrnehmen. Woityla war im Vatikan kein unbeschriebenes Blatt. Dennoch war es ein kirchengeschichtlicher Durchbruch, als die Purpurträger nach 450 Jahren erstmals keinen Italiener auf den Stuhl Petri wählten, sondern den Mann, der „aus dem Osten“ kam. Die Wahl war in mehrfacher Hinsicht in Durchbruch oder ein Periodenwechsel: Der polnische Oberhirte wagte im Vatikan viele Dinge, die sich vor allem römische Prälaten vorher kaum hätten vorstellen können: das Bad in der Menge, die privaten Ausflüge in die Berge, selbst Skilaufen und Schwimmen, die Ferien in den Alpen, die Interviews mit Journalisten während seiner Überseereisen.
Freilich würde Papst Johannes Paul II. mit Nachdruck darauf hinweisen, dass er in allen wesentlichen Fragen des Glaubens und der Lehre, der Kirchendisziplin und der Pastoral keinen Finger breit von der überkommenen Lehre der katholischen Kirche abgewichen ist. Er fühlte sich nicht als Veränderer, sondern als Weiterführer.
Weitreichende Ernennungen
Bald setzte er Akzente in seiner Personalpolitik: Den Mann der vatikanischen Ostpolitik, Kardinal Agostino Casaroli holte er an seine Seite, um den zweitwichtigsten Posten im Vatikan zu übernehmen. Viele Kritiker der Ostpolitik Papst Paul VI. hätten Casaroli lieber entmachtet. Einen der weltberühmtesten Theologen, den Münchner Erzbischof Kardinal Joseph Ratzinger holte er an die Spitze der Glaubenskongregation. Die nächsten 24 Jahre war bemerkbar, dass im Vatikan Kardinal Ratzinger niemand theologisch das Wasser reichen konnte. Drei Besetzungen von herausragenden Bischofsstühlen in Europa ließen aufhorchen: Die Berufung des weltbekannten Bibelwissenschaflters und Jesuiten Carlo Maria Martini zur Leitung der größten italienischen Diözese Mailand. Die Bestellung des jüdischen Konvertiten Jean-Marie Lustiger auf den Bischofsstuhl von Paris und die Besetzung des einflußreichen Stuhles von Köln durch Kardinal Joachim Meisner, die freilich äußersten Widerspruch erregte, weil das Domkapitel von Köln in seiner Mehrheit sich lange Zeit dagegen sperrte. In diesen und anderen Berufungen zeigte sich die persönliche geistliche Vorliebe des neuen Kirchenoberhauptes. Auch wenn der Papst sich keineswegs um die Berufung aller Bischöfe persönlich kümmern konnte, so spürte man doch dann und wann seine Handschrift bei einigen herausragenden Berufungen.
Apostolische Schreiben und Enzykliken
Das gleiche gilt für die Lehrschreiben und Enzykliken, die er veröffentlichte.
Eine Programmschrift war die erste Enzyklika „Redemptor hominis“ über den Erlöser der Menschen, Jesus Christus. Ihr folgten die beiden Schreiben über Gott-Vater und den Heiligen Geist. Weitere Akzente setzte er mit den Lehrschreiben über die katholischen Kirchen des Ostens, über die Soziallehre der Kirche, über die katholische Moral, über Buße und Beichte, über die Einheit der Christen, über das Glauben und Vernunft. Manche Theologen meinten, der Papst vertraue zu sehr auf den Einfluß des geschriebenen Wortes. Denn neben den Enzykliken und apostolischen Schreiben erschienen Briefe an die Familien, die Jugend, die Kinder, die Priester, die Ordensleute – und regelmäßig zum jedem Jahresbeginn eine Botschaft zum Weltfriedenstag.
Die Reisetätigkeit als missionarischer Dienst
Aber der Papst setzte noch viel eher auf die Nähe zu den Menschen. Daher sein Reisen. Ausdrücklich sagte er einmal, er fühle sich nicht nur als Nachfolger des Apostels Petrus, sondern auch der des Missionars Paulus. Als Petrus wolle er seine Brüder im Glauben stärken, als Paulus den Glauben weltweit verkünden. Seine erste Reise führte ihn nach Lateinamerika: in Mexiko wollte er an der Sitzung des lateinamerikanischen Bischofsrates teilnehmen, dahinter mag auch die Befürchtung gestanden haben, dass die dort die Befreiungstheologie auf falsche Spuren führen könnte. Die zweite Reise ging in die Türkei, vorzüglich zum Ehrenoberhaupt aller orthodoxen Kirchen, dem ökumenischen Patriarchen. Die dritte Reise ging in seine polnische Heimat: eine Provokation für die kommunistische Regierung, die sich mit der Herausforderung auseinandersetzen mußte. Bis zu seinem Tod waren es insgesamt 103 Reisen.
Die besondere Begabung von Papst Woityla bestand darin, durch Wort und persönliches Auftreten Kirche und Glauben präsent zu machen und gesellschaftlich ins Gespräch zu bringen. Er wußte, dass er durch die Medien und vor allem durch das Fernsehen nahezu alle Menschen erreichen konnte, und er nutzte die Chance. Dabei kamen ihm seine Sprachenkenntnis, sein Humor, seine gute Gesundheit zu Hilfe.
Das Attentat gegen den Papst
Einen Schlag bedeutete natürlich das Attentat am 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz, wobei der Türke Ali Agca aus nächster Nähe auf ihn schoß, und der Papst nur durch allerschnellsten Einsatz vor dem Verbluten gerettet werden konnte. Doch auch diesen Zwischenfall nutzte das Kirchenoberhaupt, um christliche Werte und Gedanken weltweit zu vermitteln. Schon vom Krankenbett aus sandte er übers Fernsehen die Botschaft in alle Welt, er habe dem Attentäter verziehen und bete für ihn. Er wolle sein Leiden annehmen und mit all jenen aufopfern, die ebenfalls litten. Später besuchte er den Attentäter im Gefängnis, und das Bild des Papstes im Gespräch mit Ali Agca ging um die Welt.
Zum Sturz der kommunistischen Regime
Es begann das Ringen zwischen dem polnischen Papst und Moskau. Niemals rief der Papst zum gewaltsamen Umsturz des Systems auf, aber unermüdlich machte er deutlich, dass jeder Staat die Menschenrechte und vor allem die Religionsfreiheit zu schützen habe, dass Demokratie die erstrebenswerte Staatsform sei. Konkret wurde die Konfrontation, als die polnischen Arbeiter auf die Straße gingen, sich gewerkschaftliche organisierten und der Papst offensichtlich auf ihrer Seite stand. Als die Regime des Warschauer Paktes aufgrund des Drucks ihrer Bevölkerungen und der Einsicht von Präsident Gorbatschew in sich zusammenbrachen, bestand kein Zweifel, dass neben der Überlegenheit des Westens an Waffen und im Handel der Papst in Rom ohne Divisionen einen großen Beitrag dazu geleistet hatte.
Ökumene und Interreligiöser Dialog
Der Papst setzte auch wesentliche Akzente im Verhältnis der katholischen Kirche zu den anderen christlichen Kirchen und zu den nicht-christlichen Religionen. Auch wenn diese nicht zu dem erwünschten Ziel der vollen Kircheneinheit und zur Harmonie mit den anderen Religionen geführt haben,
so wird man doch weltweit und durch viele Jahrhunderte wenige theologische Führer finden, die so viele mutige Schritte gewagt haben. Ich erinnere an die Besuche in der römischen Synagoge, in der evangelischen Kirche Roms, in Moscheen, sowie an unzählige Gespräche mit Religionsführern in Indien, Indonesien, Thailand und anderen Ländern.
Selig- und Heiligsprechungen
Der Papst setzte auch Akzente durch seine unzähligen Selig- und Heiligsprechungen. Trotz mancher Kritik sogar innerhalb der katholischen Kirche fuhr er fort, herausragende Christen zur Ehre der Altäre zu erheben. Er wollte dabei Vorbilder zeigen und wußte, dass die Menschen das brauchen. Bei Persönlichkeiten, die ihm besondere Signale zu sein schienen, ging es ihm auch um Schnelligkeit. Zu denken ist z.B. an die zeitgenössischen Martyrer: Edith Stein und Maximilian Kolbe. Während seiner Amtszeit wurden mehr Männer und Frauen selig- oder heiliggesprochen als zu allen Zeiten vorher.
Das Heilige Jahr 2000
Ein Höhepunkt im 26-jährigen Pontifikat von Johannes Paul II. war das Heilige Jahr 2000. Er hatte seit Amtsantritt darauf hingewiesen,d ass er sich berufen fühle, die Kirche ins neue Jahrtausend zu führen. Es ging ihm dabei um Rückblick auf 2000 Jahre seit Christi Geburt, auf ein Jahrhundert mit Zehntausdenen von Martyrern, auf Fehler und Versagen von Christen, die die Kirche belasten und ihr Zeugnis infrage stellen. Es ging ihm aber auch um einen mutigen und hoffnungsvollen Blick nach vorne. Der Schritt von einem Jahrtausend zum nächsten sollte von den Christen bewußt vollzogen werden. Dazu fanden unzählige Jubiläumsveranstaltungen in Rom statt, die der Papst mit unglaublichem Durchstehvermögen meisterte. Einen außerordentlichen Höhepunkt bildete seine lang ersehnte Reise ins Heilige Land, die dort allergrößten Eindruck hinterließ.
Profetischer Visionär
Papst Johannes Paul II. war ein profetischer Visionär auf dem Stuhl Petri.
Er unterschied sich wesentlich von einem seiner unmittelbaren Vorgänger Papst Paul VI. Dieser war ein ausgesprochen wissenschaftlicher Analytiker, der angesichts von unterschiedlichsten Meinungen und Verhältnissen sich sehr schwer tat, zu einer Entscheidung zu kommen. Er war der Hamlet, dem man ansah wie er unter dem Druck litt, Entscheidungen fällen und führen zu müssen. Ganz anders Johannes Paul II. Er wirkte sicher, entschieden, vom Glauben getragen, er wußte Antworten, noch bevor Fachleute sich mit einzelnen Fragen herumgeschlagen hatten. Das half seiner Ausstrahlung und Führungskraft. Gerade für Nicht-Christen war das überzeugend und mitreißend. Viele von ihnen fanden: Bei diesem Papst weiß man wenigstens wo man dran ist, er sagt schlicht und einfach, ohne viel Unterscheidungen, wie Menschen leben sollen und er hängt sein Fähnchen nicht nach dem Wind. Er wagt Widerspruch, bleibt bei seiner Meinung und reißt mit.
Das zeigte sich besonders eindeutig bei den Weltjugendtreffen, die er eingeführt hatte. Jugendliche liebten offensichtlich das Kompromisslose, Eindeutige, Mutige.
Was hinterläßt Johannes Paul II.?
Der Papst hinterläßt Ansprüche, vor allem an seinen Nachfolger. Dazu gehört der Anspruch, es mit den Medien zu können, denn er hinterläßt das Bild eines Medienpapstes, eines Kirchenmannes, dem die Medien - gerade auch als er alt und gebrechlich war - große Aufmerksamkeit geschenkt haben.
Er hinterläßt den Anspruch, dass ein Papst eine gute Gesundheit haben muß, um seinem Amt gerecht werden zu können.
Er hinterläßt den Anspruch, dass ein Papst auch seelsorglich sehr viel tun sollte. Man denke nur an die Besuche in römischen Pfarreien.
Er hinterläßt den Anspruch, das es gut ist, wenn ein Papst sich in mehreren Sprachen leicht ausdrücken kann. Dass er die Fähigkeit haben sollte, auch mit Staatsoberhäuptern, Regierungschefs, Politikern, Künstlern, Managern und Medienschaffenden leicht umgehen zu können.
Der Papst hinterläßt auch offene Fragen:
Er hinterläßt die Frage, wie die katholische Kirche mit ihrer weltweiten Ausbreitung sich in Zukunft organisieren soll. Die Kommunikationsmittel machen es möglich, die Kirche in aller Welt sehr vom Zentrum her zu führen. Theologen und Kirchenführer vor Ort suchen einen Ausgleich zwischen Orts-Autonomie und Zentralität. Die Weltkirche darf nicht auseinanderfallen, sie darf aber die legitime Unterschiedlichkeit nicht unterdrücken.
Der Papst hinterläßt die Frage, wie das Papstamt in Zukunft so ausgeübt werden kann, dass es auch für die nicht-katholischen Kirchen des Ostens und des Westens annehmbar ist. Er hat die Frage selbst aufgeworfen und um Antwort von den Theologen aller Kirchen gebeten.
Der Papst hinterläßt die Frage, wie es mit den Bischofssynoden weitergeht. Sie sollen ein wirkungsvolles Instrument sein, damit die Ortsbischöfe dem Papst bei der Leitung der Gesamtkirche beistehen. Viele Bischöfe meinen, die Synoden sollten effizienter arbeiten und bräuchten mehr Kompetenz.
Der Papst hinterläßt die Frage, wie das Verhältnis unter den monotheistischen Religionen, den Juden, Christen und Muslimen, weiterhin verbessert werden kann. Sein Wunsch ist die Zusammenarbeit, da die an einen Gott Glaubenden der Welt unendlich viel zu geben haben.
Der Papst hinterläßt schließlich die Frage, wie Glaube in einer Welt der Naturwissenschaft, der Technik, der Kommunikation und der Unterhaltung weiterleben kann. Doch diese Frage hinterläßt der Papst eigentlich nicht, denn sie stellt sich jedem Christen in der ganzen Welt.
(P. Eberhard v. Gemmingen SJ)







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