Ostern 2005 - zum ersten Mal eine Festmesse zum Hochfest der Auferstehung Jesu Christi
ohne Papst Johannes Paul II. - und zum ersten Mal der Segen Urbi et Orbi ohne Worte.
Frieden in der Welt - die Forderung in der päpstlichen Osterbotschaft. Ludwig Waldmüller
war auf dem Petersplatz mit dabei:
Schweigend erschien Papst Johannes Paul II. am Fenster seines Arbeitszimmers und schweigend
segnete er die Stadt und den Erdkreis - zum ersten Mal sprach der Johannes Paul die
Formel zum päpstlichen Segen Urbi et Orbi nicht, sondern beschränkte sich auf das
dreimalige Kreuzzeichen mit der Hand. Viele der Gläubigen auf dem Petersplatz, die
den Papst zu dieser Gelegenheit erwartet hatten, hatten Tränen in den Augen. Dem Papst
wurde ein Mikrophon bereit gestellt und auch auf seinen Mund gerichtet, aber Johannes
Paul bewegte zum Segen nur die Lippen. DIe traditionellen Osterwünsche in über sechzig
Sprachen der Erde, die der polyglotte Papst aus Polen sonst immer verlesen hatte,
fielen dieses Jahr auch aus. Die Bilder des leidenden Papstes am Arbeitszimmerfenster
wurden von den Fernsehkameras in 74 Länder übertragen. Das Zeugnis des Papstes, der
erst am Karfreitag geschrieben hatte, dass er sein Leiden für die Leidenden dieser
Welt aufopfere, ging so um die Welt.
Seine Osterbotschaft ließ Papst Johannes Paul II. von Kardinalstaatssekretär Angelo
Sodano verlesen. Als Thema seiner Botschaft wählte der Papst im Jahr der Eucharistie
das Wort der Emmaus-Jünger "Mane nobiscum domine, bleibe bei uns Herr!" Der Frieden
in der Welt - um diesen betete Johannes Paul darin eindringlich:
"Bleibe bei uns, lebendiges Wort des Vaters, und lehre uns Worte und Gesten des Friedens:Frieden für das durch dein Blut geheiligte
Land, das vom Blut so vieler unschuldiger Opfer durchtränkt ist; Frieden für die Staaten
des Nahen Ostens und Afrikas, denn auch dort dauert das Blutvergießen an; Frieden
für die ganze Menschheit, die immerzu der Gefahr der Bruderkriege ausgesetzt ist.
Bleibe bei uns, Brot des ewigen Lebens, das gebrochen und den Tischgenossen gereicht wird: Gib auch uns die Kraft zu
großzügiger Solidarität mit den vielen, die auch heute noch leiden und an Elend und
Hunger sterben, die durch tödliche Epidemien dezimiert oder durch ungeheure Naturkatastrophen
niedergestreckt werden. Durch die Kraft deiner Auferstehung mögen auch sie des neuen
Lebens teilhaftig werden."
Auch die "Männer und Frauen und Frauen des 3. Jahrtausends" bräuchten den auferstandenen
Herrn, so ließ der Papst sagen:
"Bleibe bei uns heute und bis zum Ende der Zeiten. Mach, daß der materielle Fortschritt
der Völker niemals die geistigen Werte verdunkelt, die die Seele ihrer Kultur sind.
Hilf uns, wir bitten dich, auf unserem Weg."
Das Wort und das Brot der Eucharistie überdauerten die Jahrhunderte, so der Papst:
"Mit allen Christen der Welt wiederholen auch wir heute, am Ostertag, dem Hochfest
der Auferstehung: Gekreuzigter und auferstandener Jesus, bleibe bei uns! Bleibe bei uns, treuer Freund und sichere Stütze der Menschheit unterwegs auf
den Straßen der Zeit! Du lebendiges Wort des Vaters, erfülle mit Vertrauen und Hoffnung alle Menschen, die den wahren Sinn ihrer Existenz
zu begreifen suchen. Du Brot des ewigen Lebens, sei Nahrung dem Menschen, der hungert nach Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit
und Frieden."
Weit über 100 000 Pilger und Besucher waren auf dem Petersplatz bei der Eucharistiefeier
und dem anschließenden Segen anwesend. Bis in die zur Engelsburg führende Via della
Conciliazione standen die Menschen. Ihnen rief Kardinal Angelo Sodano am Beginn der
Messfeier zu:
"Das Osterhalleluja möge freudig widerhallen, es möge in unseren Herzen und Sinnen
widerhallen.Die Auferstehung Christi bedeutet neues Leben für die Schöpfung und für
alle Geschöpfe, neues Leben für die Katechumenen, die in der vergangenen Nacht aus
Wasser und Heiligem Geist neu geboren wurden in unserer Stadt Rom hier und in allen
Kirchen der Welt."
Als der Papst am Fenster erschien - nach dem traditionellen Gesang des "Regina Coeli"
brach jubelnder Applaus auf dem Platz aus. Trotzdem - die Eindrücke der Besucher waren
sehr unterschiedlich. Zum einen sprachen sie von einer eindrücklichen, tief gehenden
Feier, zum anderen waren sie aber auch sehr besorgt - und nicht nur einer fragte:
"Wird das wohl der letzte Auftritt des Papstes gewesen sein?"
Um einiges optimistischer waren die spanischen Jugendlichen - auch eine Stunde nach
dem Segen standen sie immer noch unter dem Fenster des Papstes - und riefen laut:
"Johannes Paul, wir sehen uns wieder in Köln!"
Für morgen Mittag, am Ostermontag, ist ein Gebet des "Regina Coeli" angesetzt. Ob
und inwiefern dabei Papst Johannes Paul II. in Erscheinung treten wird, ist noch völlig
offen.
(rv 27. 3. 05 lw)