D: Lehmann, Holocaust und Abtreibung nicht vergleichbar
Wenn es um den Holocaust geht, muss die katholische Kirche "sprachlich differenzierter
sein“. Das betont Kardinal Karl Lehmann nach einem Spitzengespräch mit Paul Spiegel,
dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland heute in Mainz. Die beiden
hatten sich getroffen, um Missverständnisse auszuräumen, die rund um angebliche Vergleiche
von Abtreibung und Holocaust von seiten des Papstes sowie von seiten des Kölner Kardinals
Joachim Meisner aufgetaucht waren. Kardinal Lehmann:
"Man muss in Zukunft viel sensibler umgehen, wenn man auf den Begriff Holocaust überhaupt
eingehen will. Für uns inst das natürlich der Inbegriff von systematisch organisierter
Tötung. Für mich selbst ist in diesem Begriff die Programmatik der "Endlösung der
Judenfrage", wie es ja bis zum Schluss im Dritten Reich hieß, das was uns ja auch
heute noch irgendwie angeht. Aber der Begriff ist auch längst aus diesem Kontext heraus,
und da muss man aufpassen, dass man ihn da nicht in eine Reihe bringt mit Tötungsdelikten,
die im einzelnen schlimm sind, die man aber doch nicht miteinander in einem Atemzug
nennen darf."
Spiegel betonte, dass die jüdische Gemeinschaft keine Probleme mit der katholischen
Kirche im allgemeinen habe. Aber: "Wir hatten Probleme mit Äußerungen einzelner Kirchenvertreter."
Dennoch waren die Vertreter beider Seiten einig, sagte Lehmann, "dass es sowohl bei
Kardinal Meisner als auch in Äußerungen des Papstbuches eigentlich keine förmlichen
Vergleich sind - aber wie gefährlich es dann werden kann, wenn man sie in eine Reihe
bringt. Das ist unter Umständen, zumindestens in den Augen derer, die das lesen, eine
Sprache, wo wir in Zukunft vorsichtiger und differenzierter sein müssen."
Spiegel seinerseits räumte ein, dass die jüdische Seite "sicher empfindlich" sei.
Es sei für sie überdies "unzumutbar, in Relation gebracht zu werden mit anderen Verbrechen.
Ich habe bewusst diesen letzten Satz mit hineingebracht, denn wie man zur Tötung ungeborenen
Lebens steht, da kann man Verständnis dafür haben, und es gibt auch viele von uns,
die diese Meinung vertreten. Aber wir betrachten es weiterhin als unzulässig, das
in Zusammenhang zu bringen mit dem fabriksmäßigen Mord an Millionen von Menschen."
(rv 25.02.05 gs)