2004-11-25 10:11:10

Dossier: Spannungen in der Ukraine


"Die Völker und Staaten Europas müssen deutlich machen, dass allein die Prinzipien des Rechts und demokratischer Selbstbestimmung die Grundlage für eine gemeinsame und friedliche Entwicklung bilden können." Das fordert der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, angesichts der „von schweren Unregelmäßigkeiten“ belasteten Wahl in der Ukraine. In einem Schreiben an den Großerzbischof von Lemberg, Kardinal Lubomyr Husar, und an den Erzbischof von Lemberg, Kardinal Marian Jaworski, drückt er zugleich seine Solidarität aus „mit allen, die sich gewaltfrei und mit Augenmaß und Vernunft um eine Lösung der schwierigen Situation bemühen“. Die Situation sei „nur zu retten, wenn nun alles getan werde, um dem authentischen Willen der ukrainischen Wähler zum Durchbruch zu verhelfen“, so Lehmann weiter. Es gehe nicht nur um Freiheit und Demokratie in der Ukraine. „Auch Stabilität und Integrität des ganzen Europa stehen auf dem Spiel.“
25.11.04: Ukrainischer Bischof in Deutschland fordert Gebet
Der Apostolische Exarch für die katholischen Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland, Bischof Petro Kryk, ruft zum Gebet für Gerechtigkeit und Frieden in der Ukraine auf. Die Welt schaue mit großer Besorgnis auf die Entwicklung in der Ukraine, so der Bischof heute in München. Die Ukraine habe begonnen, Grundprinzipien wie Freiheit und Selbstbestimmung ins Leben umzusetzen. Es gebe eine gemeinsame Verantwortung aller dafür, dass die Staaten sich in Gerechtigkeit und Freiheit entwickeln könnten. Das gelte derzeit besonders für die Ukraine.
Der ukrainische Bischof in Deutschland schließt sich einem Hirtenbrief der Bischofssynode der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche und ihres geistlichen Oberhauptes, Kardinal Ljubomyr Huzar, an. Der Kardinal und die Synode rufen in dem Hirtenbrief „zu einem gemeinsamen Gebet um Gottes Hilfe“ auf. Die Ukrainisch-Katholische Kirche habe in keiner Weise für einen der beiden Präsidentschaftskandidaten geworben. Aber sie habe die Gläubigen mehrmals auf die Bedeutung und Beachtung demokratischer Prinzipien bei den Wahlen hingewiesen und vor möglichen Verstößen gewarnt. Heute sei das Volk überzeugt, dass gegen diese Prinzipien verstoßen worden sei.
Der Hirtenbrief nimmt ausdrücklich die gegen Wahlfälschungen demonstrierenden Menschen in Schutz. Wenn diese auf die Straße gingen, um ihre verfassungsmäßigen Rechte in friedlicher Weise zu schützen, seien sie nicht „eine dunkle Masse“ oder „die Straße“. Es handle sich um vernünftige, opferbereite und verantwortungsvolle Menschen, die es wert seien, dass man sie in würdiger Weise achte und ihrer Stimme Gehör schenke. Die Bischöfe warnen die gegenwärtige Regierung der Ukraine, „während der Suche nach einem Ausweg aus dieser sehr schwierigen Situation ihre Stellung, ihre Möglichkeiten, ihre Macht- und Rechtsstrukturen für die eigenen Interessen und gegen das eigene Volk zu missbrauchen“.
25.11.04: Renovabis bezweifelt Wahlergebnis in Ukraine
Auch das kirchliche deutsche Hilfswerk Renovabis stellt sich hinter den Appell der ukrainischen Bischöfe. Die angespannte Lage in der Ukraine gibt nach Auffassung von Renovabis Anlass zu größter Besorgnis. Die Menschen, die dort nun auf den Straßen demonstrierten, fühlten sich getäuscht und hätten begründete Zweifel an der Echtheit des amtlichen Wahlergebnisses.
Jesuiten: "Das sind die letzten Zuckungen"
Die europäischen Jesuiten rechnen mit einem Durchbruch in der Ukraine. Wenn die Demonstranten jetzt keinen Sieg errängen, dann werde er "in nächster Zeit" kommen. Nach Einschätzung des Jesuiten David Nadar, der in der Ukraine lebt, seien die Umstände der jüngsten Wahlen "die letzte Zuckung der alten Kräfte - und die wissen das."
(pm/rv 25.11.04 sk)

24.11.04: Bischof warnt vor Blutvergießen
Die Wahlkommission will heute das umstrittene Ergebnis der Präsidentenwahlen offiziell bekanntgeben. Die EU warnt vor diesem Schritt und verlangt zuvor eine Überprüfung. In Kiew gehen die Massendemonstrationen weiter. Die griechisch-katholische Kirche ruft die Regierung heute auf, die Gesetze zu respektieren und nicht zur Gewalt zu greifen. Indirekt wirft die Bischofssynode der Regierung vor, das Wahlergebnis gefälscht zu haben.
Weihbischof Stanislav Szyrokoradiuk von Kiew fürchtet, dass ein Blutvergießen bevorstehen könnte. In einem Interview stellt er sich hinter die Demonstranten; das Ergebnis sei gefälscht worden, die Katholiken der Ukraine stünden fest hinter Juschtschenko. Über hundertfünfzig ukrainische Diplomaten, unter ihnen der Sprecher des Außenministeriums, haben sich in einer Erklärung hinter Juschtschenko gestellt. Präsident Leonid Kutschma ruft zu Verhandlungen auf, Moskau zieht seine Gratulation an den angeblichen Wahlsieger Viktor Janukowitsch zurück.
(agenturen/cns 24.11.04 sk)

24.11.04: Papst betet für Ukraine
Der Papst betet für die Ukraine. Das sagte er heute bei seiner Generalaudienz. An ukrainische Pilger gewandt, meinte er wörtlich: "Ich versichere euch und dem ganzen ukrainischen Volk, dass ich in diesen Tagen besonders für euer Land bete." Die Worte Johannes Pauls II. tauchen im ursprünglichen Redemanuskript nicht auf. Es war die erste ukrainische Ansprache des Papstes in den letzten Monaten.
Unter den ukrainischen Pilgern heute in Rom waren auch Anhänger des ukrainischen Oppositionsführers Viktor Juschtschenko, erkennbar an orangenen Fahnen. Die gleichen Fahnen spielen auch bei den derzeitigen Demonstrationen in Kiew eine Rolle. Die Pilger, unter ihnen Priester und Ordensleute, skandierten Sprechchöre und hielten Bilder Juschtschenkos hoch.
Beobachter gehen davon aus, dass Johannes Paul die Ereignisse in der Ukraine aufmerksam verfolgt, zumal es auch in seiner polnischen Heimat in einigen Städten zu Solidaritäts-Demonstrationen kommt.
(rv 24.11.04 sk)

23.11.04: Demonstrationen in Kiew
Der nach den offiziellen Zahlen unterlegene Präsidentschafts-Kandidat Viktor Juschtschenko hat im Parlament einen "Amtseid" geleistet. Gleichzeitig marschierten Hunderttausende von Demonstranten zum Parlament in Kiew, um Druck auf die Abgeordneten zu machen. Kirchenkreise sind besorgt über die wachsende Spannung. Die Kluft zwischen West- und Ost-Ukraine hat auch eine kirchliche Komponente: Im Westen dominieren die mit Rom unierte griechisch-katholische Kirche und die ukrainisch-orthodoxe Kirche des "Kiewer Patriarchats", die sich von Moskau losgesagt hat. Zu dieser letzteren gehört auch der offiziell unterlegene Präsidentschafts-Kandidat Viktor Juschtschenko. Im Osten hat die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats die Mehrheit.
Bei den Demonstrationen in Kiew sind derzeit auch viele Priester und Seminaristen zu sehen. Einige Oppositions-Anhänger führen große Marienbilder mit sich. Heute früh fand sogar ein "ökumenisches Gebet" am Rand der Demonstration statt.
(spiegel-online/kap/rv 23.11.04 sk)







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