Der Holocaust hat bei aller seiner Schrecklichkeit und Gewalt positive Auswirkungen
auf den Dialog zwischen Christen und Juden HEUTE. Dieser Ansicht ist Kurienkardinal
Walter Kasper, der Präsident der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum.
Bei einem öffentlichen Vortrag an der päpstlichen Universität Gregoriana erklärte
Kasper gestern abend, der christlich-jüdische Dialog habe in den vergangenen Jahren
große Fortschritte gemacht. Die konstruktive Auseinandersetzung mit dem Holocaust
nehme dabei besondere Rolle ein. Der Holocaust ist etwas so Schreckliches gewesen,
dass man daran gar nicht vorbeigehen kann. Der Holocaust wirft ja auch theologische
Fragen auf. Wie konnte Gott das zulassen? Der Holocaust hat aber auch dazu geführt,
dass wir neu über unser Verhältnis zu den Juden nachgedacht haben. Es ist schrecklich,
dass es dieses furchtbaren Ereignisses bedurfte – aber er hat doch auch zu einer Umkehr
und zu einem neuen Dialog geführt und auch schon in der Theologie erhebliche Spuren
hinterlassen.
Für Kasper ist der jüdisch-christliche Dialog "eine der
überraschendsten Tatsachen des 20. Jahrhunderts". Trotz der Fortschritte sieht der
Kardinal auch für die Zukunft noch einige offene Punkte.
Der jüdisch-christliche
Dialog IST ein schwieriger Dialog und er hat nicht das Ziel, zu einer letzten Einigung
zu kommen, Juden und Christen sind verschieden und bleiben verschieden. Aber sie haben
ein gemeinsames Erbe, und dieses ist so tief, das wir zusammenarbeiten können. In
Grottaferrata bei Rom ist unterdessen eine Tagung mit Vertretern des israelischen
Großrabbinats und der Kasper-Kommission im Gang.RabbinerDavidRosen,
Direktor für Interreligiöse Beziehungen des American Jewish Committee in Jerusalem,
bezeichnete das Treffen als "historische Gelegenheit". Auch fast 40 Jahre nach der
Erklärung "Nostra Aetate" habe es zwischen Christen und Juden noch keinen Dialog dieser
Art gegeben, der von Freundschaft und persönlichen Beziehungen getragen sei.