2004-07-18 12:24:19

Deutschland: Zypries, "Keine Beichtstühle verwanzen"


Die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat in diesen Tagen mit einem neuen "großen Lauschangriff" von sich reden gemacht. Das heikle Thema tauchte in einem Referenten-Gesetzentwurf aus ihrem Hause auf und wurde von der SPD-Spitze, nämlich Parteichef Franz Müntefering, gleich niedergebügelt. Die Medien konnten wieder über die Verwanzung von Anwalts-Kanzleien, Journalistenbüros oder sogar Beichtstühlen spekulieren. Im Gespräch mit Radio Vatikan stellt Bundesjustizministerin Zypries allerdings klar, dass ihr Haus weiter am Thema "Lauschangriff" dranbleiben will.
"Der Bedarf für die Überarbeitung des Gesetzes hat sich ergeben aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die noch mal den Rahmen klargestellt hat, innerhalb dessen Wohnraum in Deutschland abgehört werden darf... Unser Entwurf hatte nie vorgesehen, Beichtgespräche abzuhören. Das ist eine schlechte oder falsche Darstellung in der Presse. Wir haben immer gesagt, dass Beichtgespräch ist ein höchst vertrauliches Gespräch, das darf nicht abgehört werden. Das gehört sozusagen zum Kernbereich privater Lebensgestaltung, da ist jeder geschützt."
Die im Grundgesetz verankerte "Unverletzlichkeit der Wohnung" bestehe sowieso nicht ohne Einschränkung."Die Wohnung ist insofern geschützt, als dort Privatgespräche geführt werden, die zum Intimbereich des privaten Lebens gehören. Aber wenn Sie sich in einer Wohnung treffen, um Straftaten zu verabreden, dann darf das nach unserem Recht abgehört werden - wenn gewisse Voraussetzungen gegeben sind. Das geht nicht einfach; wir haben in ganz Deutschland dreißig Fälle von Wohnraumüberwachung pro Jahr, das heißt, das ist ein Instrumentarium, von dem nur sehr, sehr selten Gebrauch gemacht wird."
Zypries äußerte sich auch zum Thema Patientenverfügungen. Nach dem Vorschlag einer Arbeitsgruppe soll die Verbindlichkeit dieser Verfügungen gestärkt werden; die Deutsche Hospiz-Stiftung stellt aber fest, dass die entsprechenden Formulierungs-Vorschläge die Menschen verwirrten. Dazu Zypries:"Das kann ich nicht erkennen; wenigstens haben wir keine entsprechenden Briefe bekommen. Im Gegenteil: Die Leute waren alle sehr erfreut darüber, dass die Arbeitsgruppe Texte vorgelegt hat, die es jedem einzelnen ermöglichen, sich wirklich intensiv mit einer solchen möglichen Situation des Nicht-mehr-über-sich-selbst-verfügen-Könnens" auseinanderzusetzen, und wir haben da eine sehr gute Resonanz."
Die Ministerin hielt in dem Gespräch an Plänen fest, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften qua Gesetz mehr Rechte zu geben. Anders als die katholische Kirche halte sie das nicht für eine Schwächung des grundgesetzlichen Schutzes von Ehe und Familie."Das ist völlig unstreitig, dass Ehe und Familie davon gar nicht betroffen sind! Im Gegenteil: Diese Bundesregierung hat soviel wie keine andere vor ihr dafür getan, dass gerade Familien mit Kindern bessergestellt werden unddass Kinder eine bessere Lebenschance bekommen. Es gibt mehr Kindergeld, es gibt höhere Steuerfreibeträge, wir machen jetzt bessere Betreuung, wir haben eine Gesamtschulen-Initiative gemacht - das heißt: Wir fördern Ehe und Familie, wo immer wir nur können. Wir müssen halt nur zur Kenntnis nehmen, dass es auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gibt und dass diese - auch nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - nicht schlechter gestellt werden müssen... Die Ehe bleibt ja in ihrer Bedeutung erhalten - daran ändert sich überhaupt nichts. Wir sagen nur: Es gibt daneben auch andere Lebensformen, und diesen Lebensformen geben wir einen rechtlichen Rahmen. Das haben wir schon in der letzten Legislaturperiode gemacht, und wir sagen jetzt: Es gibt eben nicht nur diesen rechtlichen Rahmen, sondern es gibt dann auch eine gegenseitige Einstands- und Verpflichtungs-Pflicht. Also: Wir wollen auch, dass diese Paare beispielsweise dann nach der Trennung noch füreinander sorgen."
Von einem möglichen Anti-Diskriminierungs-Gesetz hätten die deutschen Kirchen nichts zu befürchten, beteuerte Zypries."Zunächst einmal ist es noch ungewiß, in welcher Form es in Deutschland eine Regelung zur Anti-Diskriminierung geben wird - wir wissen nur mit Sicherheit, dass wir die Richtlinie der EU zur Anti-Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft umsetzen werden. Was wir darüber hinaus alles machen werden, ist noch offen. Sicher ist aber, dass wir das Recht der Kirchen, das weiterzubetreiben, was man in der deutschen Rechtsprechung "Tendenzbetrieb" nennt, weiterhin zulassen werden."







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