Mit deutlicher Kritik hat Kardinal Christoph Schönborn auf die Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zur Ehe reagiert: „Es ist beunruhigend, dass sogar
die Verfassungsrichter den Blick verloren haben für die besondere Natur der Ehe als
Verbindung von Mann und Frau. Sie ist wie keine andere Beziehung geeignet, Kinder
hervorzubringen, zu hüten und aufzuziehen und damit die Generationenfolge zu sichern",
so der Vorsitzende der Bischofskonferenz in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress.
„Wenn der VfGH die Einzigartigkeit und damit die juristische Sonderstellung der Ehe
verneint, die auf der Unterschiedlichkeit der Geschlechter aufbaut, verneint er die
Wirklichkeit", sagte der Kardinal und hielt in Richtung Höchstgericht fest: „Er tut
damit der Gesellschaft keinen Dienst und schadet letzten Endes allen - auch denen,
die er schützen möchte und die es auch zu schützen gilt."
„Ich bin zuversichtlich, dass sich langfristig die Einsicht in die Schöpfungsordnung
wieder durchsetzen wird, die der Mensch nicht missachten kann, ohne Schaden zu nehmen“,
so der Kardinal, der weiter sagte: „Dennoch beklage ich die Umdeutung eines wesentlichen
Begriffs der Rechtsordnung, der im Wesen des Menschen wurzelt und für die Gesellschaft
eine entscheidende Rolle spielt - umso mehr, als der Verfassungsgerichtshof ohne weiteres
auch anders entscheiden hätte können und sein Erkenntnis nun sogar im Widerspruch
zum Europäischen Menschengerichtshof steht.“
VfGH ändert bisherige Linie
Anlass für die Stellungnahme des Kardinals ist das am Dienstag veröffentlichte Erkenntnis
des VfGH, mit der er seine bisherige Rechtsprechung zum Eherecht grundlegend geändert
hat. Demnach sehen die Höchstrichter in der Unterscheidung zwischen Ehe und eingetragener
Partnerschaft eine verfassungswidrige Verletzung des Diskriminierungsverbots. Gleichzeitig
hat der VfGH verfügt, dass die bisher bestehenden unterschiedlichen Regelungen für
verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare mit Ablauf des 31. Dezember 2018 aufgehoben
werden. Somit können auch gleichgeschlechtliche Paare in Österreich künftig heiraten.
Gleichzeitig steht dann die eingetragene Partnerschaft auch verschiedengeschlechtlichen
Paaren offen.
Anlass für das mit 4. Dezember 2017 datierte VfGH-Erkenntnis war die Beschwerde von
zwei Frauen, die in eingetragener Partnerschaft leben und die Zulassung zur Begründung
einer Ehe beantragt haben. Dieser Antrag wurde vom Magistrat der Stadt Wien und dann
vom Verwaltungsgericht Wien abgelehnt. In der Folge hat der Verfassungsgerichtshof
die Bestimmungen über Ehe und eingetragene Partnerschaft von Amts wegen einer Prüfung
unterzogen. Insbesondere ist es dabei um die Frage gegangen, ob die als wesentliches
Kriterium für die Ehe bestehende Wortfolge „verschiedenen Geschlechts“ im Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch (Paragraf 44) dem Gleichheitsgebot widerspricht. Diese Frage
bejaht der VfGH jetzt in seinem Erkenntnis und verfügt, dass diese Wortfolge als verfassungswidrig
aufgehoben wird. Genauso werden auch jene Wortfolgen im Gesetz über die Eingetragenen
Partnerschaft aufgehoben, die dieses Rechtsinstitut auf gleichgeschlechtliche Paare
beschränken.
Begründung: Eingetragene Partnerschaft habe sich immer mehr der Ehe angenähert
Als Begründung für das Abweichen von seiner bisherigen Linie führt der VfGH an,
dass sich die eingetragene Partnerschaft, die gleichgeschlechtliche Paare seit 2010
eingehen können, mittlerweile inhaltlich immer weiter an die Ehe angenähert habe.
Die jüngere Rechtsentwicklung habe insbesondere eine „gemeinsame Elternschaft auch
gleichgeschlechtlicher Paare ermöglicht“, so der VfGH in der Presseerklärung, wo es
heißt: „Gleichgeschlechtliche Paare dürfen Kinder (gemeinsam) adoptieren und die zulässigen
Formen medizinisch unterstützter Fortpflanzung gleichberechtigt nutzen.“
Daraus folgert das Höchstgericht, dass die Unterscheidung in Ehe und eingetragene
Partnerschaft sich heute nicht aufrechterhalten lasse, ohne gleichgeschlechtliche
Paare zu diskriminieren. Die Trennung in zwei Rechtsinstitute bringe zum Ausdruck,
dass Menschen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung nicht gleich den Personen
mit verschiedengeschlechtlicher Orientierung seien, so der VfGH.
In dem Erkenntnis der Höchstrichter heißt es dazu wörtlich: „Die damit verursachte
diskriminierende Wirkung zeigt sich darin, dass durch die unterschiedliche Bezeichnung
des Familienstandes ('verheiratet' versus 'in eingetragener Partnerschaft lebend')
Personen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft auch in Zusammenhängen, in
denen die sexuelle Orientierung keinerlei Rolle spielt und spielen darf, diese offen
legen müssen und, insbesondere auch vor dem historischen Hintergrund, Gefahr laufen,
diskriminiert zu werden.“
Diskriminierung in der alten Regelung
Der Gerichtshof kommt daher zu folgendem Schluss: „Die gesetzliche Trennung verschiedengeschlechtlicher
und gleichgeschlechtlicher Beziehungen in zwei unterschiedliche Rechtsinstitute verstößt
damit gegen das Verbot des Gleichheitsgrundsatzes, Menschen auf Grund personaler Merkmale
wie hier der sexuellen Orientierung zu diskriminieren.“
Diese Entscheidung hat zur Folge, dass die bisherigen Bestimmungen (Ehe für verschiedengeschlechtliche
Paare, eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare) noch bis 31. Dezember
2018 in Kraft bleiben, wenn es nicht schon vorher eine Aufhebung oder Änderung durch
den Gesetzgeber gibt. Erfolgt das nicht, dann können gleichgeschlechtliche Paare spätestens
nach dem 31. Dezember 2018 heiraten, so der VfGH in seiner Aussendung. Wer bereits
in eingetragener Partnerschaft lebt, kann in ihr verbleiben, oder künftig gemeinsam
eine Ehe eingehen. Weiters wird erklärt, dass eine bestehende eingetragene Partnerschaft
ein Ehehindernis ist. Wer also in einer eingetragenen Partnerschaft lebt und eine
andere Person heiraten will, muss zuerst die eingetragene Partnerschaft für nichtig
erklären oder auflösen.
Bischofskonferenz für Einzigartigkeit der Ehe
Kürzlich hatte sich die Bischofskonferenz mit dem damals noch laufenden VfGH-Verfahren
befasst. In einer Erklärung nach Ende ihrer Vollversammlung Anfang November betonten
die Bischöfe, dass die Ehe wie bisher ausschließlich Paaren verschiedenen Geschlechts
vorbehalten bleiben soll, weil das ihre Einzigartigkeit im Vergleich mit anderen Formen
des Zusammenlebens ausmache. An die Adresse des VfGH sagten die Bischöfe damals, man
vertraue darauf, „dass die Verfassungsrichter verantwortungsvoll über diese Frage
beraten und an ihrer bisherigen Linie festhalten, wonach die Ehe aufgrund ihres spezifischen
Wesens anders zu behandeln ist als alle anderen Partnerschaftsformen.“ Diese Rechtseinsicht
decke sich zudem mit jener des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR).
So habe der EGMR wiederholt festgestellt, dass es nicht diskriminierend ist, die Ehe
allein der Verbindung von Mann und Frau vorzubehalten, erinnerten die Bischöfe.
(kap 05.12.2017 cs)
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