2017-09-19 11:41:00

Myanmar: Rückkehr der Flüchtlinge derzeit kaum vorstellbar


Soforthilfe fürs Nötigste: Mit 50.000 Euro unterstützt das kirchliche deutsche Hilfswerk Misereor die Versorgung der aus Myanmar geflüchteten muslimischen Rohingyas in den Flüchtlingscamps von Bangladesch. 400.000 Menschen sind in den letzten Wochen vor der Gewalt in ihrer Heimat, dem Rakhine-Staat im Westen Myanmars, über die Grenze ins Nachbarland geflohen. Die Vereinten Nationen befürchten jedoch, dass es bald doppelt so viele Flüchtlinge werden könnten.

Misereor beteiligt sich an einer Hilfsaktion, mit der die Caritas Bangladesch insgesamt über 40.000 Menschen zwei Wochen lang versorgen will. Da geht es um Lebensmittel und Wasser, Koch- und Essgeschirr. „Das ist ein Anfang – wie das weitergeht, wissen wir jetzt noch nicht, weil es natürlich auch damit zu tun hat, wie sich die Lage in Myanmar entwickelt“, sagt Myanmar-Expertin Corinna Broeckmann von Misereor an diesem Dienstag im RV-Interview.

Zurück nach Myanmar, in die Diskriminierung und Angst?

„Staatsrätin Aung San Suu Kyi hat in ihrer Rede die Menschen ermutigt, nach Myanmar zurückzukehren; gleichzeitig ist die Lage in Myanmar aber derzeit nicht so, dass man denken könnte, dass die Menschen einfach wieder in ihre Dörfer zurückkehren können. Ihre Dörfer sind verbrannt, die wirtschaftlichen Grundlagen sind zerstört, die Angst vor den Nachbarn, vor gewalttätigen Soldaten und einem wirklich sehr gewalttätigen Mob, der am Verbrennen der Häuser beteiligt war – diese Angst ist einfach da und wird nicht einfach weggehen!“

„Leider“ habe die Friedensnobelpreisträgerin in ihrer Rede „nicht gesagt, wer für die Vertreibungen der Rohingya verantwortlich ist“. „Und da ist das Militär – das sie nicht kontrolliert – sicher eines der wichtigsten Instrumente gewesen.“ Verfolgt würden die Muslime im Bundesstaat Rakhine allerdings „nicht erst seit gestern“. „Die Rohingya zählen ja zu den am meisten verfolgten ethnischen Minderheiten in der Welt. Sie sind staatenlos, also ist auch in diesem Sinne eine Rückkehr nicht so ganz einfach. Man kehrt also in ein Land zurück, das einen nicht als Staatsbürger anerkennt und in dem seit Jahren Diskriminierung durch den Staat und die Gesellschaft geschieht.“

Katastrophale Lage der Flüchtlinge

Die Lage der Geflüchteten im Grenzgebiet zwischen Myanmar und Bangladesch ist katastrophal: Sie harren unter freiem Himmel und in notdürftig eingerichteten Flüchtlingscamps aus. Viele von ihnen sind verletzt, krank und dehydriert, haben nichts zu essen. Bangladesch, das in den letzten Jahren schon viele geflüchtete Rohingya aufgenommen hat, war auf diesen neuen Ansturm nicht vorbereitet. „Jedes Jahr gibt es Überschwemmungen; in diesem Jahr waren die Überschwemmungen besonders schlimm. Und das kleine Land ist ohnehin stark bevölkert, die Menschen haben in vielen Bereichen des Landes wenig zu essen und leben immer sehr prekär. Insofern ist tatsächlich diese große Zahl von Flüchtlingen eine große Herausforderung, die Bangladesch nicht allein bewältigen kann.“

„Papst nennt Dinge beim Namen“

Papst Franziskus will im November nach Myanmar und Bangladesch reisen – und hält an dem Plan auch unter den jetzigen Umständen fest. Frau Broeckmann findet das richtig. „Der Papst hat ja in den letzten Jahren bewiesen, dass er Dinge beim Namen nennt, und so muss man auch die Lage der Rohingya beim Namen nennen. Insofern glaube ich, dass es sicherlich eine gute Idee ist, dass er reist. Natürlich gibt es auch noch andere wichtige Themen in Myanmar, die angesprochen werden müssten, etwa der Bürgerkrieg im Norden, wo es ja auch 120.000 Bürgerkriegsflüchtlinge gibt, die im Land leben. Aber die Lage der Rohingya ist aktuell sicher die dramatischste.“

Die Misereor-Länderreferentin für Myanmar hofft, dass der Papst im Land den Dialog der Religionen stärken wird. „Der hat auf der Ebene der höheren Kirchen- und Religionsführer begonnen, ist aber noch nicht in der Bevölkerung angekommen. Und diese Art des Dialogs, in der das Verständnis für den Glauben des jeweils anderen gestärkt wird, muss unbedingt mehr in die Bevölkerung gebracht werden.“ Die „Angst vor dem anderen“ in Myanmar habe „großes Potential für weitere Konflikte“. „Diese Angst muss angegangen, darüber muss gesprochen werden!“

(rv 19.09.2017 sk)








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