2017-09-05 10:33:00

Pastoralreise? Ja, das auch


So ist das bei Papstreisen: Er ist noch gar nicht losgeflogen, aber der Kampf um die Deutungshoheit hat schon begonnen. Wie politisch wird Franziskus in Kolumbien auftreten?, fragen viele. Wird er auch etwas zur Guerilla ELN sagen, die kurz vor seinem Eintreffen gerade einen Waffenstillstand mit der Regierung geschlossen hat? (Der Waffenstillstand soll bis zum Jahresende halten.) Und was wird er zur Krise im Nachbarland Venezuela sagen oder tun? Der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin biegt die Erwartungen in eine andere Richtung.

„Der Besuch wird einen vor allem pastoralen Charakter haben, wie das ja bei Papstreisen immer der Fall ist“, sagt uns Parolin in einem Interview. Aber natürlich ist das ein sehr spezieller Moment im Leben Kolumbiens: Da hat nach fünfzig Jahren der Konflikte ein Friedensprozess begonnen, diesen Prozess will der Papst unterstützen.“

Womit wir dann doch beim Politischen sind. Wie sieht denn der Vatikan auf diesen doch etwas wackligen, von allen Seiten gefährdeten Friedensprozess? „Wir treten gerade in die Phase der Umsetzung ein“, sagt Parolin: „Es reicht ja nicht, irgendein Dokument zu unterzeichnen. Da ist ein ganzer Weg zurückzulegen, und zwar im täglichen Leben der Menschen – ein Weg, der alle einbeziehen muss und allen alles abverlangt… Der Friede ist noch keine Gegenwart, ist noch nicht lebendig und wirklich, solange nicht wirklich eine innere Versöhnung im kolumbianischen Volk einsetzt. Und zu dieser Versöhnung gehört natürlich auch das Vergeben: die Fähigkeit, anderen zu verzeihen und selbst Verzeihung zu erlangen.“

Genau hier hapert’s in Kolumbien: Viele Opfer der FARC sehen es mit Bitterkeit, dass die bisherige Guerilla sich in diesen Tagen in eine politische Partei verwandeln darf, der sogar auf etwa zehn Jahre hinaus schon Sitze im Parlament reserviert sind. Die früheren Rebellen wiederum sehen mit Misstrauen, wie schleppend das Friedensabkommen vom letzten Jahr in die Tat umgesetzt wird und dass vor allem Präsident Santos, nicht sie, vor der Weltöffentlichkeit als Friedensbringer dasteht. Sie erhoffen sich vom Papst so etwas wie eine moralische Aufwertung – dabei ist im offiziellen Reiseprogramm gar kein Treffen von Franziskus mit früheren Rebellen geplant.

Kardinal Parolin kennt diese ganzen Verwicklungen und Stolperfallen. Er verweist auf das Motto der Papstreise, also „Machen wir den ersten Schritt“. „Dieses Motto scheint mir wichtig, weil es im Plural abgefasst ist: Es richtet sich also an alle. Alle müssen sich als Teilnehmer auf diesem Weg, bei diesem Prozess fühlen.“

Und es ist ja auch nicht so, als wäre der Friede mit den FARC das einzige Problem, das das Land im Moment hat. „Kolumbien macht im Moment einen großen Transformationsprozess durch, es wird städtischer und weniger ländlich“, sagt uns der Nuntius in Bogotà, Erzbischof Ettore Balestrero. „Es gibt auch nach dem Friedensschluss mit den FARC weiterhin viel Gewalt, Kriminalität und auch Drogenhandel, es gibt weitere Friedensgespräche mit der ELN-Guerilla, gleichzeitig erleben die Menschen eine rasante wirtschaftliche Entwicklung. Aus kirchlicher Sicht ist jetzt eine gemeinsame Kraftanstrengung aller nötig, und dazu bräuchte es auch eine größere Kohärenz zwischen Glauben und tatsächlichem Leben bei den Kolumbianern.“

(rv 05.09.2017 sk)








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