2017-08-30 10:42:00

D: Caritas fordert Wahlrecht für Menschen mit Behinderung


Etwa 80.000 Erwachsene in Deutschland dürfen Ende September nicht zur Bundestagswahl gehen, da sie aufgrund einer Behinderung in allen Angelegenheiten betreut werden. Doch die Gründe dafür sind viel zu vage, kritisiert die Caritas. Im Gespräch mit unseren Kollegen vom Kölner Domradio stellt der Geschäftsführer des Bundesfachverbandes Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V., Thorsten Hinz, sich die Frage, wer überhaupt darüber entscheiden soll, ob jemand nicht wählen kann oder nicht. „Das Wahlrecht ist so ein substantielles wichtiges Grundrecht, das nicht ohne weiteres entzogen werden darf. Für uns gilt, jedem Bürger das Wahlrecht zuzugestehen“, so Hinz.

Zum Argument der Gegner, Menschen, die eine Betreuung im Alltag brauchen, seien leicht zu manipulieren, sagt Hinz: „Manipulative Praktiken gibt es ja in vielerlei Hinsicht. Wer würde da eigentlich eine Trennlinie ziehen wollen? Auch Jugendliche oder Menschen in Lebenskrisen sind beeinflußbar. Das Argument ist so vage, das es kein Kriterium sein kann, um jemandem sein Grundrecht zu entziehen.“

Eigentlich hatten sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag 2013 vorgenommen, das Wahlrecht für alle durchzusetzen. Bisher ist nichts passiert, weil man sich wohl nicht auf eine grundlegende Reform des Wahlrechts einigen konnte. Hinz: „Ich glaube schon, dass beide Parteien ernsthaft vorhatten, sich mit dem Ausschluss von bestimmten Menschen vom Wahlrecht zu befassen. Letztlich konnte man sich aber nicht auf ein Gesamtpaket einigen. Die CDU wollte zum Beispiel auch Überhangmandate verändern und weitere Fragen diskutieren, die mit einer Wahlrechtsreform verbunden gewesen wären. Das wollte aber die SPD nicht.“

Bei beiden großen Parteien sei aber „nach wie vor“ nicht klar, wie am Ende über dieses Thema entschieden wird. „Vielleicht wollen sich beide Parteien noch ein Schlupfloch für Einzelfallprüfungen in Bezug auf die Wahlbefähigung offen lassen. Das beruht auch auf einer Studie des Bundesfamilienministeriums im vergangenen Jahr“, glaubt Hinz. In jener Studie kommen Wissenschaftler zum Schluss, dass es im Einzelfall möglich sein müsse, jemandem sein Wahlrecht zu geben oder eben auch nicht. „Gegen diese Sichtweise sind wir grundsätzlich. Jeder Mensch sollte wählen dürfen“, findet Hinz.

(domradio 30.08.2017 mg)








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