2017-07-31 13:10:00

Venezuela: Vatikan hofft weiter auf friedliche Lösung


Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin bekräftigt den Einsatz des Heiligen Stuhls für eine friedliche Lösung der Krise in Venezuela. In einem Interview mit der italienischen Nachrichtenagentur Ansa von diesem Sonntag betonte er, Papst Franziskus und der Vatikan hätten „sehr hartnäckig versucht“, eine Lösung für die Krise in dem Land zu finden. Diese müsse, so betonte er, „friedlich und demokratisch“ sein. Der Vatikan versuche „allen, ohne Ansehen von Unterschieden“, zu helfen. Ausdrücklich wolle er „jeden Menschen an seine Verantwortung erinnern.“ Das Kriterium jeder Anstrengung müsse das Gemeinwohl sein, so der Kardinalstaatssekretär, der selbst einmal Nuntius in Caracas war und die Lage in Venezuela deshalb gut kennt.

Die international kritisierte Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung in Venezuela hat ungeachtet aller Proteste an diesem Sonntag stattgefunden, mindestens 15 Menschen wurden in diesem Zusammenhang getötet. Dennoch feiert Präsident Maduro die Abstimmung als „Erfolg“ und „größte Abstimmung für die Revolution“: Nach Regierungsangaben haben über 40 Prozent der Venezolaner an der Wahl teilgenommen, mit der die 545 Mitglieder der Versammlung bestimmt werden sollten. Das Wahlsystem und die Kriterien für die Wählbarkeit der Kandidaten waren von Maduro selbst festgelegt worden.

Wir haben die Adveniat-Referentin Monika Lauer-Perez um ihre Einschätzung der Wahl und ihres Ablaufs gebeten.

RV: Maduro verweist auf eine extrem hohe Wahlbeteiligung von über 40 Prozent - was gegen Umfragen spricht, nach denen allerhöchstens 20 Prozent der Venezulaner hinter Maduros Vorhaben stehen. Für wie glaubwürdig halten Sie die Zahlen?

„Also, ich würde diese Zahlen vielleicht von einer anderen Seite aus aufziehen. Es sind etwas mehr als 19 Millionen Venezolaner wahlberechtigt, und es sind rund 8.100.000 zur Wahl gegangen. Wenn wir uns das Referendum vom letzten Sonntag, das genau diese Wahl verhindern sollte, angucken: Da waren es über 7 Millionen Venezolaner, die dagegen gestimmt haben. Man kann daraus schon sehen, dass eine sehr große Polarisierung im venezolanischen Volk stattgefunden hat, und ich denke, dass die Zahlen überprüfbar sind. Ich gehe also schon davon aus, dass das etwa in diesem Bereich gelegen hat.“

RV: Ja, aber dass 40 Prozent der Venezolaner zur Wahl gegangen sind, heißt ja noch lange nicht, dass auch alle gewählt haben, oder? Darauf wird ja immer wieder hingewiesen, dass die Venezolaner gerne auch ungültige Wahlscheine abgeben, um ihren Protest kundzutun. Können Sie das bestätigen?

„Ja, das ist in vielen Ländern Lateinamerikas so, dass man das Gefühl hat, man könne nicht wirklich eine Wahl treffen und deshalb sein Missfallen durch einen Blanko-Wahlschein zum Ausdruck bringt. Das ist schon sehr häufig der Fall. Und ich denke, dass das auch am Sonntag vielfach der Fall gewesen sein wird. Und im Übrigen ist für Venezuela diese Wahlbeteiligung relativ gering, die gehört also nicht zu den hohen Wahlbeteiligungen.“

RV: Kann man denn angesichts dieser Zahlen von einem Erfolg Maduros sprechen, wie er ihn sich ja selbst bescheinigt?

„Ob man von einem Erfolg sprechen kann, weiß ich nicht, aber zumindest von einer Bestätigung. Man muss einfach erkennen, dass es sicherlich eine Menge Venezolaner gibt, die immer noch und trotzdem den Kurs stützen, nicht nur seine Anhänger, die er in irgendeiner Weise mit Posten versehen hat, sondern durchaus auch aus der armen Bevölkerung, Landbevölkerung, Indigene und so weiter, gibt es immer noch Leute, die meinen, das sei der richtige Kurs. Die sind arm, waren es auch vorher, die merken vielleicht den Unterschied weniger als andere...“

RV: Wir haben uns auf schwere Gewalttätigkeiten gefasst gemacht, am Ende sind aber doch relativ wenige Vorfälle bekannt geworden. Besonders schwerwiegend dabei: Mehrere Kandidaten der Opposition sind erschossen worden, eine Aufklärung der Vorfälle ist wohl eher nicht in Sicht. Heißt das, die Venezolaner resignieren nun angesichts der Unbeugsamkeit und Macht Maduros, der ja offensichtlich auch auf die Armee setzen kann?

„Das glaube ich eher nicht. Ich glaube, dass es eher eine Art und Weise war, zu vermeiden, dass es gestern (d.h. am Sonntag, Anm.d.Red.) zu unkontrollierbaren Gewaltausbrüchen kam. Denn wenn wirklich massiv, auch von den Demonstranten, Gewalt ausgegangen wäre, dann hätte man wahrscheinlich gestern schon bürgerkriegsähnliche Zustände sehen können. Ich denke, dass das eher eine Art Pause war, aber dass doch die Gewalt in Venezuela weitergeht. Zudem haben ja auch ausländische Regierungen angekündigt, am Sturz Maduros mitarbeiten zu wollen - ganz explizit die USA, Kolumbien, Mexiko und Panama, die sich geäußert haben, dass sie nicht nur die Wahl nicht anerkennen, sondern tatsächlich der Meinung sind, Maduro gehöre abgesetzt; während Peru und Argentinien zum Beispiel nur gesagt haben, sie würden das Ergebnis nicht anerkennen. Der CIA-Chef ha explizit gesagt, dass es das Ziel der USA sei, die Regierung Maduros zu destabilisieren.“ 

RV: Damit hatten die USA ja in der Vergangenheit durchaus „Erfolge“ zu verbuchen, aber inwieweit können denn nun die Länder, die Sie angesprochen haben, wirklich den Sturz Maduros herbeiführen?

„Man muss sich nur mal anschauen, was in Ländern wie Irak, Syrien und Libyen passiert ist, da hat man es letztlich auch geschafft, die Regierungen zu destabilisieren mit unterschiedlichen Arten von Interventionen. Ich denke, wenn man tatsächlich die Regierung stürzen will, man das auch hinbekommt. Aber ob das im Interesse Venezuelas ist, das bleibt dahingestellt. Da haben wir ja genug negative Beispiele. Und ich fürchte, diese Regierungen werden keine Ruhe geben, bis sie es auch erreicht haben. Santos zum Beispiel hat natürlich ein großes Interesse daran, dass Venezuela nicht weiterhin die ELN-Guerillas in Kolumbien unterstützt, was es bisher bekanntermaßen getan hat. Santos hat vielleicht noch mehr Gründe als alle anderen, an Maduros Sturz interessiert zu sein."

RV: Das klingt natürlich nicht nach einem friedlichen Umsturz, aber gibt es denn für diese schwere Krise angesichts dieser ganz manifesten Uneinsichtigkeit Maduros und seiner Unterstützer überhaupt eine friedliche Lösung, wie sie ja auch der Heilige Stuhl immer wieder anmahnt?

„Ich habe auch gehört, dass auch der Papst damit beschäftigt ist, eine friedliche Lösung für Venezuela zu suchen. Ich kann im Moment nicht sehen, wie die aussehen soll, da sich beide Lager, Regierung und Opposition, so sehr auf ihren Positionen festgebissen haben. Man sollte natürlich schon sehen, dass im Interesse der Bevölkerung jetzt nicht noch mehr Gewalt ausbricht, aber ich sehe im Moment keinen Ansatz dafür."

Durch Klicken auf das Lautsprechersymbol können Sie das Interview nachhören. 

(rv/ansa 31.07.2017 cs)








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