2017-07-21 13:41:00

Heiliges Land: Finger weg vom Status Quo


Finger weg vom Status Quo der Heiligen Stätten in Jerusalem: Das fordern angesichts der Absperrungen am Tempelberg Vertreter aller drei monotheistischen Religionen. Nach dem Angriff dreier Palästinenser auf Polizisten am Tempelberg, bei dem am vergangenen Freitag zwei Sicherheitskräfte und die Attentäter selbst starben, hatte die israelische Regierung die heilige Stätte abgeriegelt. Muslimvertreter hatten scharf dagegen protestiert, dass ihnen die Al-Aksa-Moschee – das drittwichtigste Heiligtum des Islams - für das Freitagsgebet verschlossen blieb. Außerdem wurden Metalldetektoren in Betrieb genommen und bis auf Weiteres nicht entfernt. In der Folge kam es wiederholt zu Unruhen in Jerusalem. Auch für diesen Freitag hatten Palästinensische Organisationen zu öffentlichen Gebeten und zu Kundgebungen in Ost-Jerusalem und größeren Orten im Westjordanland aufgerufen, in deren Folge es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften kam. Das Deutsche Auswärtige Amt hatte in diesem Zusammenhang Touristen gebeten, die Jerusalemer Altstadt zu meiden und besondere Vorsicht walten zu lassen. Auch die 13 christlichen Kirchen im Heiligen Land hatten sich in einer gemeinsamen Erklärung von diesem Mittwoch geäußert. In dieser verurteilen sie das Attentat und drängen darauf, den freien Zugang zu den Gebetsstätten für alle Religionen zu garantieren.

,Status Quo´ garantiert Stabilität

Der so genannte „Status Quo“, in dem das Recht der drei monotheistischen Religionen auf die Heiligen Stätten festgeschrieben wird, stammt aus dem 19. Jahrhundert. Die christlichen Führer betonen in ihrer Botschaft, dass „jede Bedrohung seiner Kontinuität und Unverletzlichkeit ernsthafte und unvorhersehbare Konsequenzen“ haben könnte. Giacinto Boulos Marcuzzo ist der Generalvikar des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem und Palästina. Im Interview mit Radio Vatikan zeigt er sich besorgt über die jüngsten Entwicklungen: „Dieser Status Quo garantierte bislang eine gewisse Stabilität zwischen den Gemeinden und Autoritäten und denen, die beten wollten. Wir wollen nicht, dass eine Änderung dieses Status Quo die Gelegenheit zu einem Wiederaufflammen der Gewalt gibt, die unvorhersehbare Folgen hätte“, so der Generalvikar. „Wir wollen auf jeden Fall, dass dieser Status Quo eingehalten wird. Und deshalb hoffen wir auf den Druck, den Jordanien ausüben kann, ein legaler Druck, der auf dem Friedensabkommen zwischen Israel und dem Land basiert, das Jordanien eine gewisse Kontrolle über die Heiligen Stätten zuspricht.“ 

Hoffen auf Jordanien und die Internationale Germeinschaft

Doch auch die Internationale Gemeinschaft müsse bei der Deeskalation das Ihre tun, meint Giacinto Boulos Marcuzzo noch. Der jordanische König, derzeit Abdullah II., ist nach dem Status Quo in besonderem Maße dafür zuständig, über die Heiligen Stätten zu wachen. Neben dem palästinensischen Präsidenten Mahmut Abbas und den christlichen Kirchen hatte auch er den Angriff am Tempelberg scharf kritisiert.

Der palästinensische Bischof Munib Younan ist das Oberhaupt der evangelisch-lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land; bis vor Kurzem war er auch Präsident des Lutherischen Weltbundes. Er warnt davor, die Heiligen Stätten zum Spielball politischer Interessen zu machen:

„Wir fürchten die radikalen Gruppen aller Religionen, die einen politischen Konflikt in einen religiösen verwandeln wollen. Und wir lehnen das ab! Es handelt sich um einen politischen Konflikt, und man darf Heilige Stätten oder die Religion nicht für das Interesse einiger extremistischer Gruppen missbrauchen, die den historischen Status Quo für ihre eigenen politischen Interessen ändern wollen.“

Spannungen in Jerusalem wurden durch die Maßnahmen verschärft

Die Position der Kirchenführer sei in ihrem gemeinsamen Statement sehr deutlich geworden, betont der Bischof. Er halte es jedenfalls für verfehlt, mit überzogenen Maßnahmen den Unfrieden in der Region weiter zu befeuern, meint er im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Die Heiligen Stätten sind Orte der Verehrung, der Meditation und des Gebetes, nicht Orte für Kämpfe, Entzweiung und Konflikte. Und das ist für uns in Jerusalem wirklich sehr wichtig. Natürlich waren es die Maßnahmen, die nach dem Anschlag ergriffen wurden, die die Spannungen in Jerusalem wirklich erhöht haben. Muslimen war es am vergangenen Freitag verwehrt, am Haram al-Sharif zu beten, und gleichzeitig waren dort Metalldetektoren im Einsatz. Wir wollen freien Zugang zu Heiligen Stätten für die Menschen, und man kann nicht alle Anhänger einer Religion bestrafen, nur wegen eines Angriffs weniger Personen.“

Wenige Extremisten bringen ganze Religion in Verruf

Man müsse auch sehen, dass trotz des enormen Flusses von Gläubigen, die an den Heiligen Stätten beten wollten, in den vergangenen Jahren sehr wenig passiert sei, gibt der Bischof zu bedenken. Während des Fastenmonats Ramadan beispielsweise beträten jeden Freitag zwischen 400.000 bis 500.000 muslimische Gläubige den Tempelberg, und dennoch sei nichts passiert.

„Und das war nicht nur dieses Jahr der Fall, sondern auch in den Jahren davor lief alles gut“, betont Younan. „Für uns als christliche Kirchen ist es sehr wichtig, den historischen ,Status Quo´, der im vergangenen Jahrhundert in Paris und Berlin festgelegt wurde und nicht nur Jerusalem betrifft, zu respektieren. Wir müssen an diesem Status Quo festhalten und dürfen ihn nicht verändern! Und das betrifft insbesondere diese Heilige Stätte in Jerusalem, die unter dem Schutz des Königs von Jordanien steht.“

Sicherlich gebe es in der palästinensischen Gesellschaft auch noch Menschen, die ein radikales Gedankengut verträten. Doch die große Mehrheit seiner Landsleute teile diese Einstellung nicht, so die Einschätzung des Bischofs. „Derzeit ist aber das Misstrauen zwischen Israelis und Palästinensern so groß, dass es wirklich eine politische Lösung braucht, um die Besatzung zu beenden. Solange die israelische Besatzung, die als illegal gilt, andauert, wird es Spannungen und Extremismus geben.“

Katholiken können wichtigen Beitrag leisten

Bei der so dringend nötigen Friedensstiftung können die Katholiken im Land einen wertvollen Beitrag leisten. Das betont am Mikrofon von Radio Vatikan Franziskanerpater Francesco Patton, der Kustos des Heiligen Landes. „Der Frieden ist eine Wirklichkeit, die wir nicht allein verwirklichen können. Wir wissen, dass in der biblisch-christlichen Vision der Frieden etwas ist, was von Gott kommt. Vom menschlichen Blickpunkt aus muss es uns gelingen, von der Angst zum Vertrauen zu gelangen, und das ist ein extrem schwieriger Schritt. Von unserer Seite aus, als christliche Komponente in der Stadt Jerusalem, sind wir diejenigen, die in einigen Situationen Brücken schlagen können, da wir nicht als bedrohliche Präsenz wahrgenommen werden.“ Denn gerade die Katholiken seien eine Minderheit unter den Minderheiten, so der Kustos mit Blick auf die geringe Anzahl katholischer Gläubiger im Land. Doch dazu komme „unsere Herangehensweise an Probleme, die tendenziell aus Dialog besteht sowie jedwede Form von Gewalt, aber auch die Rechtfertigung von Gewalt ablehnt.“

(rv 21.07.2017 cs)








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