2017-07-12 10:18:00

Irak: Mossul vom IS befreit, Christen bleiben misstrauisch


Klug handeln und sehr vorsichtig sein: Die aus Mossul in den Norden des Irak vertriebenen Christen möchten wieder zurück in ihre Stadt, die die US-geführte Koalition aus den Händen des sogenannten IS befreit hat. Einfach wird die Rückkehr allerdings nicht: Pater Benham Benoka, syrisch-katholischer Priester des Bistums Mossul, verweist im Interview mit Radio Vatikan auf die Keile, die der Krieg in das Verhältnis von Religionen und Nachbarn trieb.

Der Geistliche, der selbst aus Mossul stammt, hat die letzten Entwicklungen von Erbil im kurdischen Teil des Landes aus beobachtet. „Der Irak ist zersplittert. Wir müssen das Land zuerst einen und sehen, wie wir bei all den internen Spaltungen überhaupt Frieden aufbauen können“, hält der Pater nüchtern fest. Mit dem Sieg über den IS und der Befreiung Mossuls werde für die Christen nicht auf einmal alles wieder gut: „Das Problem, ob es im Irak überhaupt Christen gibt, ist ja nicht erst mit dem IS gekommen, das gab es schon vorher: Wir sprechen hier über einen langsamen demografischen Wandel, den verschiedene irakische Regierungen in christlichen Städten unterstützt haben. Unsere Sorge ist also nicht, ob der IS nun besiegt ist oder nicht - vielleicht war der IS ja einfach nur der letzte Schritt des Leidens der Christen, das es schon vorher gab.“

Verraten und geflohen

Jedenfalls hätte niemand die Christen beschützt, als der IS kam, auch das irakische Militär nicht, das jetzt Mossul befreit hat, so der Geistliche. In einem aktuellen Bericht von Amnesty International ist davon die Rede, dass der Islamische Staat Zivilisten in West-Mossul als menschliche Schutzschilde missbraucht habe. Irakische Streitkräfte und US-geführte Koalitionstruppen hätten bei der Befreiung der Stadt den Tod Tausender Zivilisten in Kauf genommen, heißt es darin weiter. 

Vor Hintergrund der traumatischen Kriegserfahrungen sind in Erbil derzeit noch zehntausende von Christen, die abwarten, berichtet Pater Benham. Außerdem sei es im Zuge des IS-Besetzung immer wieder zu Verrat gekommen, zur Kollaboration ehemaliger Nachbarn mit dem IS gegen Christen - Angst vor dem Nächsten habe sich breit gemacht, Vertrauen sei zerstört worden, was die Rückkehr zu einem normalen Umgang miteinander erschwere. 

„Das sind sehr schwer zu ertragende Erfahrungen, dass ehemalige muslimische Freunde, die zu uns kamen, um mit uns zu essen oder sich mit Medizin zu versorgen, nach unserer Flucht in unsere Häuser gegangen sind und sie sich angeeignet haben. Wir hatten sie akzeptiert, aber sie haben uns abgewiesen.“

Im Irak bleibe man deswegen als Christ lieber vorsichtig, resümiert Pater Benham.

(rv/amnesty international 12.07.2017 ord/pr)








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