2017-06-28 09:53:00

D: Kirche sieht bei „Ehe für alle“ auch Grundgesetz-Probleme


Der Kurswechsel von Bundeskanzlerin Angela Merkel hinsichtlich der „Ehe für alle“ ist bei Vertretern der katholischen Kirche und konservativen Politikern auf Ablehnung und Unverständnis gestoßen.

Mit Blick auf eine gesetzliche Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft sprach der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Reinhard Marx, von einer „Auflösung“ des Ehebegriffs. Damit werde „die christliche Auffassung von Ehe und das staatliche Konzept weiter auseinandergehen“, kommentierte Marx in einer Presseaussendung von diesem Mittwoch. Die Ehe sei „nicht nur aus christlicher Überzeugung“ die „Lebens- und Liebesgemeinschaft von Frau und Mann als prinzipiell lebenslange Verbindung mit der grundsätzlichen Offenheit für die Weitergabe von Leben“, erinnerte Marx: „Wir sind der Auffassung, dass der Staat auch weiterhin die Ehe in dieser Form schützen und fördern muss.“

Eine gesellschaftspolitische Grundentscheidung zur „Ehe für alle“ in einem „überstürzten Verfahren“ zu fällen, sei „völlig unangemessen“, so der Kardinal weiter. Er verwies in diesem Zusammenhang auf „erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“, die von vielen Seiten geäußert worden seien.

Marx warnte zugleich vor Missverständnissen: So dürfe die „hervorgehobene Rechtsstellung der Ehe und ihr bleibender besonderer Schutz“ nicht als „Diskriminierung homosexuell veranlagter Männer und Frauen“ verstanden werden. Dies habe die Bischofskonferenz auch in ihren Stellungnahmen zum Lebenspartnerschaftsrecht deutlich gemacht.

In eine ähnliche Richtung hatte sich bereits am vergangenen Freitag der Berliner Erzbischof Heiner Koch über eine mögliche Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaften geäußert. Eine Unterscheidung bedeute keine Diskriminierung; ganz im Gegenteil werde so „der Unterschiedlichkeit der Lebensformen adäquat Rechnung getragen“, so Koch.

ZdK: Kein einfaches Gesetz möglich

Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sieht in dem Streit Verfassungsfragen berührt. ZdK-Präsident Thomas Sternberg sagte am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn, er bezweifele, ob ein einfaches Gesetz für eine Gleichstellung ausreiche. Das Grundgesetz sehe einen besonderen Schutz für Ehe und Familie vor. „Wenn die Mütter und Väter des Grundgesetzes darunter die Beziehung zwischen Mann und Frau und die Orientierung auf Kinder verstanden haben, kann man das nicht so einfach übergehen.“

Gleichgeschlechtliche Paare, die verbindlich Verantwortung füreinander übernähmen, hätten Anspruch auf besonderen Schutz der staatlichen Ordnung und verdienten vorbehaltlose Anerkennung, fügte Sternberg hinzu. Es gebe aber keine Notwendigkeit, so verschiedene Dinge wie die Ehe und die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft als gleich zu bezeichnen.

„Nebenrangiges Thema"

Der ZdK-Präsident zeigte sich irritiert darüber, welche Bedeutung die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften bei den Parteien plötzlich erhalten habe. Angesichts der derzeitigen weltweiten Probleme sei es erstaunlich, wie ein solch „nebenrangiges Thema“ plötzlich hochgezogen werde, sagte er.

Der Präsident des Familienbunds der Katholiken, Stefan Becker, sieht in einer möglichen Bundestagsentscheidung über die „Ehe für alle“ auch eine Chance für die katholische Kirche. Wenn es zu einer Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare kommen sollte, böte sich die Möglichkeit, noch einmal eine breitere Debatte darüber anzustoßen, wie die Gesellschaft „gute und stabile Familienverhältnisse“ fördern könne.

Die Kirche müsse dann auch noch einmal verstärkt auf die Unterschiede zwischen einer zivilrechtlichen und einer kirchlichen Ehe verweisen. Dazu gehöre auch, dass die Kirche über „neue liturgische Formen“ wie Segnungen für homosexuelle Paare und die Bedeutung einer „von Gott gewollten Beziehung“ nachdenke. Entscheidend sei für ihn, dass Kinder in guten und stabilen Verhältnissen aufwüchsen.

CSU bleibt bei Position

Der CSU-Politiker und Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer hat der „Ehe für alle“ eine Absage erteilt: „Sie kann nicht kommen“, sagte er am Dienstag im Deutschlandfunk. Die CSU bleibe bei der Position, die sie in ihrem Grundsatzprogramm formuliert hat: „Wir stehen zur Ehe zwischen Mann und Frau“, sagte Singhammer. Allerdings hatte auch die CDU-Führung für eine eventuellen Abstimmung den Fraktionszwang aufgehoben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Dienstag angekündigt, das Votum über die „Ehe für alle“ in ihrer Partei freizustellen.

Singhammer warnte davor, in „den letzten Stunden der letzten Sitzung“ des Bundestages vor der Sommerpause derart „hoch komplizierte Debatten“ zu führen und die „Ehe für alle“ für Machtpolitik zu instrumentalisieren. Bis auf die Kernfrage der Volladoption seien Lebenspartnerschaften mit der Ehe von Mann und Frau in allen wesentlichen Punkten bereits gleichgestellt. Das Kindeswohl spiele bei der Volladoption eine „ganz herausragende Rolle“, betonte der CSU-Politiker.

In der Debatte um die „Ehe für alle“ hat der frühere Bundesverkehrsminister und CSU-Abgeordnete Peter Ramsauer die CDU davor gewarnt, die letzten konservativen Werte zu zerstören. „Ich will das Thema überhaupt nicht im Bundestag haben“, sagte Ramsauer der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ vom Mittwoch.

Deutschland habe ganz andere Probleme. „Aber die CDU-Führung soll sich davor hüten, auch noch die letzten konservativen Werte zu zerstören“, betonte der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag laut Vorabmeldung.

Schulz fordert Abstimmung

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat die Union aufgefordert, noch vor der Parlamentswahl am 24. September im Bundestag über die Öffnung der Ehe für Homosexuelle abstimmen zu lassen. Schulz reagierte damit am Dienstag in Berlin auf die Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), in ihrer Partei das Votum über die „Ehe für alle“ freizustellen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann kündigte an, die SPD werde die „Ehe für alle“ in dieser Woche im Bundestag auf die Tagesordnung setzen.

Schulz erklärte, es gebe keinen Grund, die Entscheidung auf die nächste Legislaturperiode zu vertagen. Für Gewissensentscheidungen gebe es keine Fristen. Die Entscheidung über die „Ehe für alle“ sei über Jahre hinweg von der Union blockiert worden, kritisierte der SPD-Kanzlerkandidat. Noch im März habe die SPD das Thema in den Koalitionsausschuss einbringen wollen, sei aber zurückgewiesen worden. Es gehe nicht nur um eine Gewissensentscheidung der Abgeordneten, sondern um die Anerkennung gesellschaftlicher und politischer Realitäten.

(kna 28.06.2017 pr)








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