2017-06-11 08:30:00

Ägypten: „Kampf gegen Terroristen wird von allen getragen“


In Ägypten nimmt das Leben eineinhalb Monate nach dem Papstbesuch wieder seinen gewohnten Lauf, doch die Früchte des nur 27 Stunden dauernden Besuches werden bleiben. Davon ist der katholisch-koptische Bischof in Assiut, Kyrillos William, überzeugt. Aber neben der Freude über den Besuch des Papstes musste das Land auch schwere Stunden erleben: Gleich drei schwere Terroranschläge gegen die Minderheit der koptischen Christen wurden in den vergangenen Monaten verübt. Wir haben Bischof Kyrillos gefragt, ob diese Ereignisse die interreligiösen Dialogbemühungen, die der Papst bei seiner Ägyptenreise im Gepäck hatte, torpediert und die Gräben zwischen Christen und Muslimen im Land weiter vertieft hätten. Das kann der Bischof nicht bestätigen:

„Eigentlich haben die Muslime große Solidarität gezeigt, alle Ägypter waren sehr traurig über die Anschläge und in der Presse haben sie die Opfer ,Märtyrer von Ägypten´ genannt, nicht ,christliche Märtyrer´. Ägypter wurden ohne Schuld erschossen und dagegen müssen wir alle kämpfen. Der Präsident hat sofort dort reagiert, wo die Wurzeln des Terrors liegen, in Libyen, da wurden die Attentäter trainiert. Die gesamte Bevölkerung, alle Muslime haben ihre Solidarität geäußert.“

Der ägyptische Präsident Fatah al-Sisi regiert das Land mit harter Hand, innere Sicherheit steht ganz oben auf seiner Prioritätenliste - neben einer Ankurbelung der schwachen Wirtschaft Ägyptens, das durch die Terroranschläge unter anderem unter einem Einbruch des Tourismus zu leiden hat. Gerne wird dem ehemaligen hochrangigen Militärangehörigen jedoch vorgeworfen, er tue zu wenig für die Sicherheit der Christen im Land. Bischof Kyrillos will sich nicht in den Chor der Kritiker des Staatspräsidenten einreihen:

„Man kann nicht sagen, die Regierung tue nicht genug, um die Christen zu schützen. Wir wissen, das Ziel der Attentäter ist die ägyptische Regierung, der Staat. Sie wollen, dass alles zusammenbricht und im islamischen Staat die Lösung gesucht wird. Die Christen wissen das. Mit viel Geduld nehmen sie alles, wie es kommt. Einige schwache Menschen fühlen sich vielleicht nicht sicher genug, oder nicht geschützt, aber was kann die Regierung tun, wenn so fürchterliche Akte wie dieser geschehen?“

Doch warum stehen gerade in Ägypten die Christen derart im Fadenkreuz der Extremisten? Darauf gibt Bischof Kyrillos eine klare Antwort: „Ganz einfach, sie wollen die Christen gegen die Regierung aufhetzen und suggerieren, die Regierung könne sie nicht schützen. Zweitens wollen sie die Christen bestrafen, weil sie nach ihrer Meinung die zweite Revolution im Jahr 2013 verursacht haben. Sie meinen, das wären alles Christen gewesen. Aber daran haben 30 Millionen Menschen teilgenommen– wir wären ja froh, wenn wir so viele wären! Es ist richtige, dass wir aktiv an der Revolution und der Absetzung von Mohamed Mursi teilgenommen haben, aber das waren nicht nur Christen, sondern die Mehrheit waren Nichtchristen.“

Eines haben die Attentäter mit ihrem jüngsten Terrorakt auf eine christliche Pilgergruppe bei Minya jedenfalls erreicht: Nun werden alle Ausflüge von Christen durch die Polizei scharf bewacht, erzählt uns der Bischof von Assiut. „Von Assiut aus sind letzte Woche zwei Busse abgefahren, jedes Jahr reisen die Pilger für eine Woche ans Meer. Gerade haben wir einen Anruf vom Verantwortlichen der Gruppe erhalten und er erzählte mir, dass sie von Assiut bis ans Ziel von der Polizei begleitet wurden. Dort kam dann der Polizeipräsident und fragte sie, was sie benötigten, und hat ihnen für ihren Aufenthalt Polizeischutz zugesichert.“ Ausflüge christlicher Pilger an heilige Stätten müssen nun im Vorhinein gemeldet werden, um von der Polizei begleitet zu werden, auch Versammlungen wie große Diözesantagungen oder Gottesdienste müssen unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. Doch das entmutigt die Christen in ihrem Zeugnis nicht, betont Bischof Kyrillos.

„Als einige Behördenvertreter die Verletzten von Tantra und Alexandrien besucht hatten, haben sich die Opfer sehr friedlich geäußert. Sie haben gesagt, sie wollten den Terroristen danken, denn sie haben dafür gesorgt, dass es nun mehr Märtyrer in Ägypten gebe. Die Christen sind an die Terrorakte gewöhnt und können damit umgehen. Denn sie sind ein Teil von unserer Geschichte. Das werden wohl auch nicht die letzten Märtyrer bleiben.“

Es sei eine langwierige Arbeit, den Terroristen das Wasser abzugraben. Mit dem Thema der Inneren Sicherheit sei dies nicht getan, gibt der Bischof zu bedenken: „Was wir heute brauchen, ist eine Änderung der Mentalität. Es gibt eine Welle von Fanatismus, nicht nur bei den Extremisten und Terroristen, sondern darunter finden sich auch einige normale, an sich moderate Muslime werden zu Fanatikern gegen Christen, weil sie nur die Stimme von Extremisten hören.“ Bereits seit einigen Monaten dürfe in Moscheen kein extremistisches Gedankengut verbreitet werden, doch die Indoktrinierung erfolge auch über die Medien und sogar in der Schule: „Und diese Mentalität muss geändert werden. Der Präsident wiederholt das unaufhörlich, die religiösen Ansprachen müssen anders werden, Schulbücher müssen korrigiert werden. Denn dort gibt es viele Texte der vergangenen Jahre, die dafür sorgen, dass Kinder mit extremistischem Gedankengut aufwachsen und zu Terroristen werden.“

Der Besuch des Papstes vor rund eineinhalb Monaten habe zu einer deutlichen Verbesserung des Klimas unter Christen und Muslimen, aber auch in der christlichen Ökumene selbst beigetragen, zeigt sich Bischof Kyrillos überzeugt. Muslime honorierten die Respektsbezeugungen des Papstes vor ihrer Religion, während die koptischen Christen in ihm einen starken Verbündeten und Bruder im Glauben sähen.

„Der Mann ist für den Frieden, die Geschwisterlichkeit, wir sind alle eine Familie und müssen weiter gehen und zusammen unsere Heimat aufbauen. In der kurzen Zeit seines Besuches hat er viel bewegt.“

(rv 11.06.2017 cs)








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