2017-06-07 13:25:00

Großbritannien: Keep calm - bleib ruhig und trink Tee


Die Bürger des Vereinten Königreichs wählen am Donnerstag ein neues Parlament und damit eine neue Gangart für die Politik in schwierigen Zeiten, zwei Wörter mögen genügen: Brexit und Terror. Die anglikanische und die katholische Kirche in Großbritannien haben vor der Wahl zu gesellschaftlichem Zusammenhalt aufgerufen. 

Wenige Stunden vor den Wahlen muss die amtierende Premierministerin Theresa May zittern: wird sie mit einem starken Mandat herausgehen, wie es eigentlich ihr Ziel bei der Ausrufung von vorgezogenen Neuwahlen war – oder wird sie viel eher Parlamentssitze an die politischen Gegner abtreten müssen? Die Labourpartei unter Jeremy Corbyn hat jedenfalls in den vergangenen Wochen eine beachtliche Aufholjagd hingelegt, selbst die Wettbüros – traditionell ein zuverlässiges Stimmungsbarometer der Briten – sind nicht mehr sicher, auf wen sie nun als Gewinner der Wahlen vom Donnerstag setzen sollen. Stephan Arnold aus der Diözese Limburg ist seit zweieinhalb Jahren Diakon in der Londoner deutschsprachigen Gemeinde. Wir haben ihn gefragt, wie er die Stimmung in Großbritannien beschreiben würde.

„Die Stimmung ist durchaus gut, was sicherlich damit zusammenhängt dass die Bürger die Grundstimmung ,keep calm´, also ,bleib ruhig, mach weiter und trink Tee´, gut im Blut haben. Und so ist auch die Stimmung hier. Da kann sozusagen kommen was will, um fünf Uhr gibt es Tee, auch wenn man natürlich betroffen ist von den aktuellen Ereignissen, dass in dieser Frequenz Anschläge verübt werden. Was die Wahlen betrifft, da geht die Stimmung vielleicht sogar ein wenig in Richtung Wahlverdrossenheit, also: ,nein, nicht schon wieder wählen müssen – sollen doch mal die Politiker machen!´ Aber gut, jetzt geht man halt doch zur Wahl.“

Was den Wahlausgang angeht, meint Diakon Arnold auch mit Blick auf die jüngsten Umfrageergebnisse, habe sich in der Stimmung der Bevölkerung allerdings sicherlich etwas geändert. Denn als Premierministerin May an Ostern überraschend bekannt gab, Neuwahlen zu organisieren, um den Gewinner „mit einem klaren Mandat in die Brexit-Verhandlungen“ zu schicken – da dachte sie natürlich an sich selbst. Die Meinungsumfragen gaben ihr Recht: Die Konservativen schienen uneinholbar vor Labour und den übrigen Parteien zu liegen. Doch nun?

„Jetzt haben doch Themen die Oberhand gewonnen, die dazu geführt haben, dass dieser Sieg nicht mehr ganz so klar ist. Das merkt man durchaus in der Stimmung, dass der Brexit, der ja das bestimmende Thema war, als es Ende April Anfang Mai mit dem Wahlkampf losging, Themen wie dem Gesundheitswesen, der Bildung und natürlich auch der Inneren Sicherheit gewichen ist.“

Geradezu ein Treppenwitz der Geschichte: Gerade das Thema Innere Sicherheit, traditionell eher ein Pfund der Konservativen, könnte die Premierministerin ins Straucheln bringen. Denn sie selbst war sechs Jahre lang Innenministerin – und in dieser Zeit für empfindliche Stellenkürzungen im Polizeiapparat verantwortlich. Ein gefundenes Fressen für die Opposition, die ihr nun die Schwächung der Sicherheit der Bürger vorwirft. „Normalerweise wählt man im Fall von Terroranschlägen ja eher die Stabilität, aber in diesem Fall kann das nun interessanterweise eher dazu führen, dass vielleicht die Regierung nach der Wahl weniger Sitze im Parlament als jetzt hat, um es mal vorsichtig zu formulieren,“ meint Diakon Arnold.

Eine interessante Entwicklung, die auch durch die strategisch vor der Wahl platzierten Attentate in Großbritannien gefördert wurde. Doch, so zeigt sich Arnold überzeugt, die Engländer ließen sich durch die Terroristen nicht ins Bockshorn jagen und würden – jetzt erst recht – weiter leben wie bisher. Ein immer wieder beschworenes Mittel gegen religiös motivierten Terrorismus: Interreligiöser Dialog. Der sei im Alltag eigentlich schon gut integriert, meint Arnold, doch natürlich seien extremistische Terrorakte der Anlass für alle Religionsvertreter, dies noch einmal besonders zu betonen.

„Auch nach dem Anschlag auf der Westminster Bridge traten die führenden Religionsvertreter schon gemeinsam vor die Presse und haben jede Gewalt im Namen der Religion verurteilt. Das waren Muslime, Hindus, Buddhisten, Christen, Juden, alle gemeinsam haben das betont und das ist hier auch so. Das erlebt man auch im Stadtbild, es ist eine ganz bunte Stadt, alle Religionen und Weltanschauungen sind vertreten.“ Diskussionen blieben im Dialog natürlich nicht aus, doch das gehöre dazu, meint Arnold. „Deshalb verstehen wir uns trotzdem gut und leben hier gemeinsam, mit unseren unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen - aber jeder hat das Recht, hier zu leben und hier zu sein. Und das geht auch gut so.“

(rv 07.06.2017 cs)








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