2017-05-27 09:50:00

Papst in Genua: „Jesus hat sich nie an Strukturen gebunden"


„Liebe Brüder und Schwestern, ich lade euch alle ein zum Gebet für unsere koptischen Brüder und Schwestern, die getötet wurden, weil sie ihren Glauben nicht aufgeben wollten”: Papst Franziskus betete bei seinem zweiten Treffen während seines Pastoralbesuchs in Genua für die Opfer des Anschlages in Ägypten. Noch am Freitagabend hatte er in einem Beileids-Telegramm dem Ägyptischen Volk kondoliert. „Vergessen wir nie, dass es heute viel mehr Märtyrer gibt als in den Zeiten der frühen Kirche. Es sind mehr.“

Die zweite Station der Pastoralreise führte den Papst in die Kathedrale der Stadt. Nach Unternehmern, Arbeiterinnen und Arbeitern und Arbeitslosen bei seinem ersten Programmpunkt traf er in der Kirche Priester, Ordensleute und Seminaristen sowie Vertreter anderer christlicher Konfessionen.

Franziskus beantwortete auch dort freiheraus Fragen. Ein Priester fragte ihn nach Kriterien für ein gelungenes geistliches Leben in der Arbeitswelt der Priester heute, ein zweiter sprach von der Notwendigkeit von Brüderlichkeit innerhalb des Klerus. Eine Ordensschwester fragte nach der Beziehung von Ordensberufung und Verantwortung und ein Kapuzinerpater wollte wissen, was der Papst zur Krise der Berufungen zu sagen habe.

Auf dem Weg, im Gebet

„Der Stil Jesu, das ist das Grundlegende für unseren Dienst“, begann der Papst seine Antworten. „Jesus war immer auf dem Weg. Die Evangelien erzählen davon alle etwas anderes, aber er war immer auf dem Weg, immer unter den Menschen, der Menge.“  Das bedeutet Nähe zu den Menschen, zu ihren Problemen und Fragen. Abends habe Jesus sich oft zum Gebet zurück gezogen. „Diese beiden Dinge, diese beiden Wege Jesu zu sehen, auf der Straße und im Gebet, hilft uns auch in unserer Arbeit.“

Ein Priester oder Seelsorger, der alles geplant habe, sei meistens nicht offen für die Überraschungen Gottes. Der Papst erwähnte die Müdigkeit, die in der Seelsorge oft genug überhandnehme, er sprach von der gefährlichen Eile, die Begegnungen verhindere, und er warnte vor falschen Kompromissen. „Lasst euch vom Volk Gottes ermüden, verteidigt nicht zu sehr eure eigene Ruhe. Das ist der Stil Jesu“, ermahnte er die Anwesenden.

Warnung vor zu viel Struktur

„Jesus hat sich nie an Strukturen gebunden, er hat sich immer an Beziehungen gebunden“, ein weiterer Hinweis des Papstes. Der Papst formulierte es als Gegensatz – sich auf Beziehungen oder auf Strukturen verlassen – „es geht immer um ein Minimum der Strukturen für ein Maximum des Lebens und nie um ein Maximum an Strukturen für ein Minimum an Leben. Die Beziehungen sind das Wesentliche, Begegnung mit Gott und mit den Nächsten. Das sind die alten Kriterien der Kirche, und es sind auch die modernen, die ultramodernen.“

Der Papst betonte die Gemeinschaft unter den Priestern, Selbstgenügsamkeit unter Priestern richte viel Schaden an. Ebenso sang der Papst ein Loblied auf die von ihm so genannte „Diözesanität“, also auf die Orientierung auf die Ortskirche, die vor zu viel Abstraktion schütze. „Im Bistum hat die Kirche ein Gesicht, hat die Kirche Gesichter“, so der Papst. „Hier ist das Leben konkret. Es gibt kein Charisma ohne eine konkret gelebte Erfahrung.“ Das gelte auch für Ordensleute, auch wenn ein Orden universal sei, habe er doch immer an einem konkreten Ort begonnen, dort wurzele das Charisma der Ordensleute.

Papst Franziskus sprach anders als noch bei der Begegnung mit der Welt der Arbeit weitgehend frei, er erzählte von Erfahrungen mit Priestern oder mit der Ernennung von Bischöfen und gab geistliche Ratschläge für konkrete Anliegen. „Wir müssen unsere Zeit sehen als ein Vorübergehen des Herrn. Der Herr begegnet uns und wir müssen uns fragen, was der Herr uns heute sagt.“

 

 (rv 27.05.2017 ord)








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