2017-05-26 12:59:00

Brasiliens Bischöfe fordern Rücktritt des Präsidenten


Brasiliens Bischöfe sprechen Klartext: Präsident Michel Temer sollte zurücktreten. Er hat angesichts der gegen ihn laut gewordenen Korruptionsvorwürfe nicht mehr die moralische Grundlage, um im Amt zu bleiben, sagt der Generalsekretär der brasilianischen Bischofskonferenz, Weihbischof Leonardo Steiner. Temer ist, wie viele seiner Regierungskollegen, tief in einen weiteren Korruptionsskandal verwickelt, der derzeit Brasilien erschüttert. „Die Korruption“, so formuliert es im Gespräch mit Radio Vatikan Bischof Guilherme Werlang von Ipameri, „ist seit vielen Jahren eine schlimme Krankheit in Brasilien. Doch jetzt wird das wenigstens allgemein bekannt! Und das müssen wir jetzt nutzen für einen politischen Neuanfang.“

Aufdeckung der Skandale auch Chance für Neuanfang

Dafür müsse man mit dem Volk zusammen arbeiten. Wichtig sei in diesem Zusammenhang vor allem eines: Mit Korruption in Verbindung stehende Politiker müssten zurücktreten und dürften auch nicht wiedergewählt werden, fordert der Bischof. Allerdings, so betont er, „das sind viele, sehr viele... Aber Brasilien hat keine gute Zukunft, wenn wir das nicht tun.“

In der kommenden  Woche will die Bischofskonferenz zusammentreten, um über die Lage im Land und Wege aus der Krise zu beraten. Doch schon im Vorfeld dieser Zusammenkunft hätten die Bischöfe eine klare Meinung zu dem Thema vertreten, sagt Bischof Werlang: „Die Bischofskonferenz - wir - haben gesagt, das kann so nicht weiter gehen, Temer verfügt nicht über die Moral und Ethik, um weiter Präsident zu sein.“ Vorgezogene Neuwahlen, so seine persönliche Meinung, seien in dieser verfahrenen Lage wohl die beste Methode, um den Neuanfang zu wagen. Temer hat einstweilen seine Absicht bekräftigt, noch bis zum Auslaufen seines Mandates im Dezember 2018 das Präsidentenamt wahrzunehmen.

Proteste gegen die Regierung verschärfen sich

Die Proteste gegen die Regierung nehmen jedenfalls immer gewaltigere Ausmaße an: Erst am Mittwoch kam es bei einer Demonstration von 35.000 Gewerkschaftern in der Hauptstadt Brasilia zu Ausschreitungen, Soldaten wurden zum Schutz des Regierungsviertels angefordert.

Diese Demonstrationen seien natürlich Ausdruck der Unzufriedenheit der Menschen angesichts der wirtschaftlichen und politischen Krise, unter der das Land derzeit leidet, bewertet der Erzbischof von Porte Alegre, Jaime Spengler, die Situation. Doch die Krise gehe noch viel tiefer, betont er im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Die Vorfälle, die wir in Brasilia beobachtet haben, sind Anzeichen und Folge der nicht nur wirtschaftlich-politischen Krise, sondern vor allem einer ethischen, anthropologischen Krise. Die Politiker, die ,Wächter' der Verfassung und der Ethik sein sollten, haben sich als korrupt entpuppt. Die Gewalt und die Proteste sind starke Zeichen des Aufstands der Menschen, des Abscheus und der Unzufriedenheit, mit der die brasilianische Bevölkerung lebt.“

Für viel Diskussionsstoff hatte die Entscheidung des Präsidenten gesorgt, Soldaten für die Sicherung des Regierungsviertels einzusetzen. Erinnerungen an die Militärdiktatur in Brasilien, die erst 1985 gestürzt wurde, wurden in der Bevölkerung wach, der Einsatz des Militärs selbst wurde in weiten Teilen der Gesellschaft als unverhältnismäßig kritisiert. „Zumindest komisch“ sei diese Entscheidung gewesen, meint Erzbischof Spengler. „Das ist eine Entscheidung, die uns alle betroffen gemacht hat. Natürlich, die Sicherheit ist notwendig, doch ich denke, dass es auch andere und weniger radikale Optionen gibt.“ Temer hat das entsprechende Dekret inzwischen wieder zurückgezogen.

Reformen nur mit dem Volk voranbringen

Die brasilianische Kirche wünscht sich einen Dialog auf Augenhöhe mit der Bevölkerung und denen, die für eine gerechtere und brüderlichere Nation kämpfen, so der Stoßseufzer des Erzbischofs. „Wir hoffen wirklich, dass ein Ausweg gefunden wird, der dem brasilianischen Volk gerecht wird“, meint er.

Neben dem weit verzweigten Korruptionsskandal, in den nicht nur die aktuelle, sondern auch ehemalige Regierungen verwickelt sind, sorgt in Brasilien derzeit auch die geplante Renten- und Arbeitsmarktreform für Zündstoff. Zwar wisse man, dass es eine Reform brauche, doch, so gibt Spengler zu bedenken, „momentan haben wir nicht das richtige Klima, um sie voranzubringen. Die Reformen sind nötig, doch wir müssen immer auch das Volk hören. Und die aktuelle Regierung versucht, die Reformen durchzubringen, ohne wirklich das Volk anzuhören. Und das bereitet uns Sorgen.“ 

(rv 26.05.2017 cs)

 








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