2017-05-09 11:03:00

Frankreichs Bischöfe: „Macron darf nicht scheitern“


Den ganzen Wahlkampf lang haben die Bischöfe geschwiegen – dabei war die Stimme der Katholiken diesmal in Frankreich buchstäblich umstritten wie nie: Von ganz rechts bis ganz links bemühten sich alle Kandidaten für das Präsidentenamt um den sogenannten „vote catholique“. Die Bischofskonferenz wurde für ihre Verweigerung einer klaren Wahlempfehlung öffentlich, auch von bekannten Katholiken, hart angegangen.

Jetzt ist Emmanuel Macron gewählter Präsident der Fünften Republik – trotz einer Rekordzahl an Nichtwählern und an unausgefüllt abgegebenen Wahlzetteln. Und wir hatten die Gelegenheit, mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Georges Pontier von Marseille, über die ganze Angelegenheit zu sprechen.

„Herr Macron ist mit einer wichtigen Mehrheit gewählt worden, trotz der anderen Resultate. Also muss man ihm um des Wohles unseres Landes willen wünschen, dass er Erfolg haben wird. Alles andere wäre katastrophal. Die Spannungen sind derart... Die Fragen, die Veränderungen, die Unsicherheiten sind derart, dass er einfach Erfolg haben muss!“

Macron muss einfach Erfolg haben!

Pontier erinnert daran, dass in einem Monat auch Parlamentswahlen stattfinden. Erst dann werde sich „das Gesicht des neuen Parlaments“ zeigen. „Bis dahin sind wir in einer großen Unsicherheit, weil ein großer Umbruch stattgefunden hat. Man müsste eine gewisse Weisheit wiedergewinnen, das ist schon mal sicher. Uns ist auch klar, dass unser Land nicht in eine Lage der Nicht-Regierbarkeit geraten darf. Es ist also nötig, dass der Präsident und seine Regierung arbeiten können.“ Das hört sich so an, als wünsche sich der Erzbischof, dass die Parlamentswahlen Macron eine bequeme Mehrheit an die Hand geben – wie das auch in der Regel kurz nach Präsidentenwahlen geschieht.

„Zweitens sind die Parlamentswahlen auch dazu da, ein neues Gleichgewicht herzustellen. Auch in dieser Hinsicht weisen wir (Bischöfe) auf bestimmte Punkte hin, die uns am Herzen liegen und an die wir auch schon in der früheren Phase erinnert haben.“ Das bedeutet im Klartext: Die Bischofskonferenz bleibt bei ihrer Linie, keine allzu deutliche Wahlempfehlung zu geben, und will stattdessen nur auf christliche Kriterien hinweisen, die den Wählern bei ihrer Gewissensentscheidung in der Wahlkabine helfen sollen.

Gesellschaft im Umbruch

„In unserer Gesellschaft ist eine Änderung im Gang. Die Tatsache, dass so viele weiße Wahlzettel abgegeben wurden – sehr viel mehr als üblich –, zeigt diese Unzufriedenheit und diese Änderung. Eine beachtliche Zahl von Franzosen wollte sich nicht zwischen den beiden Kandidaten (Macron und Le Pen) entscheiden und haben stattdessen ihre Anhänglichkeit an ihre eigenen Projekte bewiesen.“

Doch welche sind die größten Herausforderungen, die die neue Regierung und bald das neue Parlament stemmen müssen? Da ist die Antwort von Erzbischof Pontier einmal ganz klar: „Arbeitslosigkeit, Arbeitslosigkeit, Arbeitslosigkeit! Gegen die Arbeitslosigkeit kämpfen und allen Arbeitsplätze verschaffen. Denn Arbeitslosigkeit ist destruktiv – für die Menschen, für die Familien, für die Perspektiven, vor allem für junge Leute, die keinen Horizont vor sich sehen. Das ist eine Zerstörung von Vertrauen, und dieses Vertrauen gilt es wiederzufinden. Das geht nur über Taten, die auch Früchte tragen, Früchte für alle, auch für die Verletzlichsten der Gesellschaft. Das ist ganz offensichtlich der wichtigste Punkt.“

Gerade am Thema Arbeitsplätze hatte sich der scheidende Präsident Francois Hollande messen lassen wollen. Doch in fünf Jahren im Elysée-Palast war es ihm nicht geglückt, die Arbeitslosenzahlen zu senken. Konsequent, dass er deswegen nicht zur Wiederwahl antrat.

Ein wichtiges Thema auf der Agenda: Europa

Ein anderes großes Thema der Ära Macron wird Europa sein: Der überparteiliche Kandidat ist ein überzeugter Befürworter der Europäischen Union. Sollte Frankreich in der EU bleiben oder besser austreten, fragen wir Pontier. Seine Antwort: „Ich bin kein Politologe. Aber ich denke, dass wir in Europa bleiben sollten und diesem Europa weiter die Mittel geben sollten, die europäische Einheit im Respekt vor jedem Volk zu handhaben – und gleichzeitig ein zusammenhängendes Ganzes zu schaffen, das Früchte für alle bringt. Wir brauchen Mechanismen, um Vertrauen zu schaffen, und gleichzeitig Mechanismen, um die enormen Unterschiede in Steuerbelastung und Gehältern zwischen den einzelnen Ländern auszugleichen. Und auch das Aufnehmen von Fremden ist eine Herausforderung angesichts der heutigen Weltlage.“

Macron will jetzt die tief gespaltenen Franzosen wieder zusammenführen. Wird die Kirche ein Gleiches versuchen, also die Katholiken wieder zu einen? „Der Kampf der Ideen spaltet oft... Aber es ist gar nicht erstaunlich, dass die Katholiken gespalten sind. Sie gehören ja zu allen sozialen Milieus, zu allen Kulturen. Und so sind sie ebenso gespalten wie Frankreich. Aber es gibt dennoch Grenzen, die wir nicht überschreiten können, wenn wir Katholiken bleiben wollen. Grenzen, die sich vom Evangelium herleiten: Respekt vor dem Menschen, Respekt vor dem Leben, Aufnahme von Fremden, soziale Gerechtigkeit, Suche nach Frieden. Das fängt für uns auf europäischer Ebene an. Es fängt damit an, dass wir uns um einen Erfolg für dieses Europa bemühen, und dann kommt auch die Solidarität mit den anderen Ländern.“

(rv 09.05.2017 sk)








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