2017-04-19 10:47:00

Die Stationen Jesu: Archäologische Spurensuche in Jerusalem


Christen aus aller Welt pilgern nach Jerusalem, um die Stationen Christi zu erleben. Das Problem: Von vielen Orten weiß man heute, dass sie gar nicht da waren, wo sie heute verehrt werden. Radio Vatikan begibt sich auf archäologische Spurensuche in der Heiligen Stadt.

Es ist ein wenig Detektivarbeit, die hier geleistet wird: Nicht nur Theologen sondern auch Archäologen sind in Jerusalem aktiv, um die Orte der Bibel ausfindig zu machen. Dieter Vieweger arbeitet hier seit 25 Jahren, er ist Archäologe und evangelischer Pfarrer. Genau wie ein Detektiv arbeitet er mit Indizien z.B. wenn es um den Ort der Kreuzigung Jesu geht, den Felsen Golgotha.

„Ich kann das Ereignis nicht beweisen. Was ich aber belegen kann, ist, dass wir an dieser Stelle den riesen Steinbruch haben, dass da ein großes Stück übrig geblieben ist und Jesus außerhalb von Jerusalem hingerichtet werden musste, weil am Beginn von Pessach am Freitagabend mit dem Sonnenuntergang kein Blut und keine Verunreinigung in der Stadt geschehen durfte. Jesus konnte auch nicht in der Stadt begraben werden, sein Grab musste draußen gesucht werden – das ging nach römischen und auch nach jüdischen Rechten nicht.“

Zudem beschreiben schon Pilgererzählungen der ersten Jahrhunderte, dass über dem Felsen Golgotha ein Tempel der Aphrodite errichtet worden ist. Auch Überreste dieses Tempels hat man an dem Felsen gefunden, der heute als Golgotha verehrt wird – ein Ort, der damals auf einem Hügel oberhalb der Stadt Jerusalem lag.

„Es war hoch erhaben und für die Leute gut zu sehen, weil man vom Inneren der Stadt her auf den hohen Berg nach draußen schauen konnte, der da gestanden hat.“ 

So ist Golgotha nur einer von zwei Orten, die man wirklich als historische Schauplätze belegen kann. Der andere ist die Klagemauer, die als Mauer des Davidtempels identifiziert wurde. Damals allerdings noch 14 Meter tiefer als heute; das Stadtniveau ist in 2.000 Jahren um einiges angestiegen. Ein Ort, den man archäologisch definitiv widerlegen kann, ist die Via Dolorosa - der Kreuzweg.

„Von der Via Dolorosa können wir heute mit Sicherheit sagen, dass die Wegführung falsch ist: Sie führt zur Grabeskirche nach Golgotha hin, das ist korrekt, jedoch von Nord-Osten her. Wir wissen heute genau, dass Jesus im ehemaligen Herodes-Palast verurteilt worden ist, der heute ausgegraben ist und deswegen wissen wir, dass die Via Dolorosa nicht von Nord-Osten sondern von Süd-Westen gekommen ist.“

Der Felsen Golgotha und die Via Dolorosa sind demnach belegt bzw. widerlegt. Bei den meisten archäologischen Fundorten ist das aber selten der Fall und bei vielen kann man nur von Wahrscheinlichkeiten sprechen, wie auch beim leeren Jesusgrab: Im 4. Jahrhundert wurde das als eines von fünf Gräbern im gleichen Steinbruch wie der Golgotha-Felsen entdeckt. Selbst damals konnte man aber auch nur mit Indizien arbeiten.

„Als man das Anfang des 4. Jahrhunderts tut, findet man fünf Gräber. Vier davon sind Familiengräber, eins davon ist ein Einzelgrab; es hat eine Kammer und ist frisch, es hat einen Rollstein und ist leer.“

Genug Indizien, um den Ort damals wie heute als Jesusgrab zu verehren. Bei der Verehrung kommt es dem Archäologen und Pfarrer allerdings noch nicht einmal unbedingt darauf an, ob das Geschehen wirklich an diesem Ort stattgefunden hat – das ist eher eine Frage des persönlichen Glaubens.

„Wir können durch Archäologie keine Geschichten rekonstruieren. Wir können nur Wege, Straßen, Städte, Mauern und Häuser wieder entstehen lassen, aber nicht die Ereignisse darin. Wir müssen uns davon freimachen, dass sie immer schwarz und weiß kennen. Es ist richtig und wenn es nicht richtig ist, dann ist es falsch, wenn es nicht falsch ist oder nicht widerlegt werden kann, muss es richtig sein. Man muss in der Wissenschaft einfach aushalten, dass man manchmal das Eine und das Andere nicht sprechen kann und dann hat man Wahrscheinlichkeiten.“  

(rv 19.04.2017 rs)








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