2017-04-07 10:17:00

Der andere Kreuzweg Roms


Er findet nicht am Kolosseum statt, und der Papst nimmt auch nicht daran teil – trotzdem ist der Kreuzweg von diesem Freitag abend wohl wieder einer der eindringlichsten in der ganzen Ewigen Stadt. Eine Via Crucis für die gekreuzigten Frauen: Zum dritten Mal lädt die katholische Gemeinschaft Papst Johannes XXIII. dazu ein, um mitten in Rom an das Drama der Frauen zu erinnern, die Opfer von Prostitution und Menschenhandel sind.

„Ich rufe die Gemeinschaft Papst Johannes XXIII. dazu auf, weiter für Frauen einzutreten, die aus der Prostitution befreit werden konnten.“ Das hat Papst Franziskus am Mittwoch bei seiner Generalaudienz gesagt. „Und ich lade die Römer dazu ein, am Kreuzweg für die gekreuzigten Frauen an diesem Freitag im Stadtviertel Garbatella teilzunehmen.“

„Das ist eine wichtige Initiative, um Menschen eine Stimme zu geben, die so gut wie unsichtbar sind“, sagt Don Aldo Buonaiuto, der zu den Organisatoren gehört. „Zu viele Menschen tun so, als wüßten sie nicht, dass bei uns am Straßenrand ausgebeutete, oft minderjährige Frauen stehen, die vielleicht so alt sind wie unsere Töchter, unsere Enkelinnen. Mädchen aus fernen Ländern, die man auf die Straße schickt, um die perversen Bedürfnisse von Tausenden von Männern zu befriedigen, die glauben, sie hätten einen Recht auf den Körper dieser Mädchen, weil sie ja dafür zahlen. Unser Kreuzweg heißt: Für die gekreuzigten Frauen. Denn diese Frauen erleben wirklich einen Kreuzweg, der dem Gang Christi nach Golgotha gleicht.“

Wer auch immer Rom über eine der antiken Ausfallstraßen wie Via Aurelia oder Via Salaria verlässt, sieht Prostituierte am Straßenrand stehen, manchmal mit einem Schirm gegen die Sonne geschützt. „Es ist eine dramatische Situation – das Phänomen wächst überproportional. Man muss sich nur mal vor Augen führen, dass viele junge Frauen aus Nigeria, die Italien mit einem der Flüchtlingsboote erreichen, dann hier in der Prostitutions-Sklaverei landen. Dann ist da der Markt der Mädchen aus Osteuropa: Wir reden da von vielen Rumäninnen, Moldawierinnen und leider inzwischen auch wieder Albanerinnen. Hier geht es nicht um Anstand, oder ob uns der Anblick von Prostituierten die schöne Aussicht ruiniert. Hier geht es darum, Unterdrückte zu befreien, die sich nicht aus freiem Willen für Prostitution entschieden haben, sondern durch Täuschung oder durch Erpressung gegen ihren Willen auf die Straße gezwungen werden.“

Frauen aus der Staatsanwaltschaft tragen das Kreuz

Papst Franziskus hat im vergangenen Heiligen Jahr der Barmherzigkeit ein Haus am Stadtrand von Rom besucht, in dem sich die Gemeinschaft Papst Johannes XXIII. um frühere Zwangsprostituierte kümmert. Dabei hörte er erschütternde Berichte und bat die jungen Frauen für das Fehlverhalten vieler Christen um Vergebung.

„Nachts treffen wir auf der Straße diese Kunden und reden mit ihnen. Und sie sagen uns die Wahrheit: Dass sie Kinder zuhause haben, eine Frau oder eine Freundin, und dass sie sich – wie sie formulieren – nur mal austoben wollen. Aber vergessen wir nicht, dass wir auf den Straßen lauter junge Frauen sehen, die nicht älter sind als 23. Und viele sind leider minderjährig...“

Am Kreuzweg durch das Stadtviertel Garbatella werden nicht nur Mitglieder der Gemeinschaft Papst Johannes XXIII. und auch nicht nur frühere Zwangsprostituierte teilnehmen. Don Bonaiuto spricht auch von einer Beteiligung von Menschen, die in Behörden mit dem Phänomen Prostitution und Menschenhandel zu tun haben. „Frauen aus der Staatsanwaltschaft werden ein drei Meter langes Kreuz auf den Schultern tragen, um ihre Solidarität auszudrücken und auch an die Arbeit zu erinnern, die sie gegen die Zuhälter leisten. Es kommen auch Frauen von der staatlichen Polizei, von den Carabinieri, von der Finanzpolizei, von der kommunalen Polizei und – das ist außergewöhnlich – vom Gendarmerie-Corps der Vatikanstadt. Eine Frau wird den Schrei Jesu am Kreuz sprechen: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Und dieser Schrei wird an die Zwangslage dieser Frauen erinnern, die weltweit noch zu Opfern des Menschenhandels werden.“

(rv 07.04.2017 sk)








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