2017-03-24 11:12:00

Russland: Katholiken pilgern nach Fatima


Jetzt ist es offiziell: Die seligen Francisco und Jacinta Marto, zwei der Hirtenkinder, welche Zeugen der Marienerscheinungen von Fatima wurden, werden heiliggesprochen. Das wird wohl auch die Katholiken „auf der anderen Seite Europas“ freuen. Im zweiten Geheimnis von Fatima geht es auch um Russland, wie der neue Vorsitzende der russischen katholischen Bischofskonferenz, der deutschstämmige Clemens Pickel, im Gespräch mit Radio Vatikan betont.

„In unseren kleinen katholischen Gemeinden ist Fatima zur Zeit ein sehr aktuelles Wort! Das hundertjährige Jubiläum der Erscheinungen von Fatima ist im Bewusstsein unserer Leute, die wissen, was da passiert ist. Die wissen auch, dass das das andere Ende von Europa ist und dass damals die Gottesmutter praktisch darum gebeten hat, für Russland zu beten und sich geistlich darum zu kümmern. Wir werden also in diesem Jahr nicht nur in Predigten und bei verschiedenen Konferenzen das Thema Fatima berühren, sondern wir organisieren auch eine Wallfahrt im Juli. Alle vier Bischöfe von Russland werden fahren und verschiedene Pilgergruppen zur gleichen Zeit. Wir wollen also 100 Jahre nach den Erscheinungen von Fatima dort sein, um zu danken.“

Die russische Föderation ist ein Riesenland, hat aber eine Bischofskonferenz, die „nur“ aus vier Bischöfen besteht. Dies ist auch der winzig kleinen Minderheit der Katholiken geschuldet, die in Russland leben, weniger als ein Prozent der Einwohner sind katholischen Glaubens. Bischof Pickel:

„Sehr oft ist es so, dass die Vorfahren dieser Katholiken keine Russen waren, das heißt es waren Deutsche oder Polen oder Ukrainer oder Tschechen, Litauer usw. Die Verbannung in der Zarenzeit hat z.B. dazu geführt, dass es Polen bis weit nach Sibirien verschlagen hat oder die Arbeiter, die Peter I. geholt hat, um sein St. Petersburg zu bauen, die waren aus Westeuropa. Die Wolgadeutschen und die Deutschen am Schwarzen Meer waren auch Teil einer solchen Einwanderungswelle. Also in Verbindung mit Ausländern, die nach Russland kamen, kam auch die katholische Kirche nach Russland. Heutzutage sind aber kaum mehr Unterschiede auszumachen, wir sind praktisch eine katholische Kirche in Russland, die völlig inkulturiert ist, die also russisch spricht in ihrer Liturgie und die es mit Leuten zu tun hat, die in Russland geboren sind und russisch sprechen. Diese ganzen nationalen Besonderheiten, die fallen immer mehr weg.“

 

Bischof Pickel leitet eine Diözese, die flächenmäßig so groß wie mehrere westeuropäische Länder zusammen ist. Besuche bei den Gemeinden sind aber möglich, so der Bischof.

„Es ist meine Pflicht als Bischof, dass ich die Gemeinden besuche und wenn es nicht möglich wäre, dann müsste ich in Rom bitten, dass die entweder das Bistum teilen oder einen Weihbischof bestimmen, aber im Grunde habe ich von allen vier katholischen Bistümern in Russland das kleinste, bin also der Letzte, der klagen darf. Das Bistum ist wirklich so groß wie Portugal, Spanien, Frankreich und Deutschland zusammen und unsere Pfarrgemeinden, die liegen oft hunderte Kilometer auseinander, wenn ich also von Saratow, wo ich wohne, beispielsweise Richtung Westen fahre, dann fahre ich über 500 km, bis ich in die nächste Pfarrei komme. Aber das bedeutet praktisch, dass dort wo wir jetzt Plätze haben und Priester wohnen - das sind insgesamt 25 auf dieser großen Fläche - da entwickelt sich das, was wir Gemeindeleben nennen. Die anderen Ortschaften – überall können Katholiken wohnen – sind praktisch dann sowas wie Außenstationen bzw. Orte, die wir betreuen, weil dort jemand wohnt, der auf einen Priester wartet, aber das sind dann keine Punkte, wo sich kirchliches Leben weiter entfaltet. Es ist so die Erfahrung der letzten 20 Jahre, die wir machen in Russland, nur da wo Priester vor Ort wohnen, da wächst auch Kirche.“

Dass Russland eine eigene katholische Bischofskonferenz hat, ist gar nicht selbstverständlich.

„Also dass wir eine Bischofskonferenz sind, das ist ganz normal nach Kirchenrecht heutzutage, es gibt nicht mehr oder kaum noch diese ganz alleinstehenden Bischöfe, die direkt Rom unterstellt sind. Wir haben im Land glücklicherweise vier Diözesen – drei wäre das Minimum , wir sind sogar einer mehr, vier Bischöfe – und haben dadurch unsere kleine Bischofskonferenz, die praktisch auch im Sinne von Freundschaft gut zusammenhält. Es ist nicht nur die Staatsgrenze oder die Landessprache und die Kultur und die Geschichte, sondern es ist praktisch ein persönliches Band unter den Bischöfen, das uns praktisch bewegt, wirklich gemeinsam in dem Land das Evangelium zu verkünden und zuzugehen auf die anderen Konfessionen und Religionen. Wenn man eine Minderheit ist, dann sind die Möglichkeiten natürlich sehr begrenzt, aber das ist kein Grund zum Klagen. Unsere Realität ist so, dass wir weniger als ein Prozent sind und das heißt wir sehen unsere Pflicht praktisch an den Orten, wo wir präsent sind. Wir können uns nicht vergleichen mit katholischen Kirchenstrukturen in anderen Ländern, wo es Schulen und Krankenhäuser und Kindergärten usw. gibt, die von der Kirche unterhalten werden. Wir haben hauptsächlich unsere Pfarrgemeinden, das sind praktisch unsere Zentren, in denen sich kirchliches Leben entfaltet und abspielt. Wir haben Priester aus dem Ausland, fast alle, also in meinem Bistum z.B. habe ich nur drei Priester aus Russland und 47 aus dem Ausland. In den anderen Bistümern gibt es vielleicht mehr Priester aus Russland, aber insgesamt müssen wir sagen, wir hängen praktisch ab von dieser Unterstützung aus dem Ausland. Also wenn keine Priester mehr kommen würden, wenn Russland plötzlich völlig uninteressant werden würde für ausländische Seelsorger, dann würde es bei uns sehr schwierig werden. Wir haben wenig eigene Berufungen hier aus dem Land, die Leute mit katholischen Wurzeln, das heißt die Wolgadeutschen, die Polen, die sind ausgewandert bzw. gestorben und das was jetzt nachwächst, sagen wir mal so, hier in Russland,  das ist nicht allzu viel bei einer Minderheit, das muss man immer wieder mitbedenken. Wir haben in Priesterseminaren für ganz Russland etwas über zehn junge Männer, die Theologie studieren, aus meinem Bistum zur Zeit zwei, die Priester werden wollen. Das heißt also auf lange Sicht werden wir abhängig sein von den Priestern und Ordensleuten, die zur Hilfe kommen. Wir verstehen, dass wir auf diese Herausforderung praktisch antworten müssen, praktisch auch vor Gott, wir müssen überlegen, was wird, wenn Priester weniger werden und natürlich ist es wichtig, dass die Laien soweit geistlich geformt sind, dass sie in der Lage sind, den Glauben weiterzugeben, zuhause in der Familie. Das ist auch der große Schwerpunkt unserer Seelsorge oder eben in anderen Bereichen.“

 

Selbstverständlich spielt die Ökumene in Russland eine große Rolle; in einem Land, in der die Orthodoxie dominant ist, ist das Verhältnis zu anderen christlichen Kirchen und speziell mit der russisch-orthodoxen Kirche von elementarer Bedeutung.

„Wir haben in der Ökumene in der letzten Zeit einen großen Fortschritt in eine gute Richtung erlebt. Das hing natürlich damit zusammen, dass sich Papst Franziskus letztes Jahr mit dem Patriarchen Kyrill getroffen hat in Havanna. Das war deutlich zu spüren, dass uns ab dem Moment mehr Offenheit entgegengebracht wurde. Und das spüren wir praktisch auf verschiedenen Ebenen heutzutage. Beispielsweise auf dem riesigen Territorium meines Bistums gibt es 52 orthodoxe Bistümer. Die haben natürlich eine viel kompaktere Struktur, weil sie auch von den Taufzahlen her natürlich eine viel größere Kirche sind. Und ich erlebe in der letzten Zeit immer wieder, wenn ich  eine unserer Pfarrgemeinden besuche und mich dann beim orthodoxen Bischof der Stadt anmelde, weil ich ihn gern treffen würde, dann ist das ohne weiteres möglich. Das ist ein Fortschritt, denn das war nicht immer so. Und ich spüre wirklich, dass eine Offenheit für das gemeinsame Christliche da ist. Es ist nicht mehr so, dass von Anfang an gleich die Gegensätze betont werden. Im Vergleich zu dem, was vor zehn, fünfzehn Jahren war, sind wir wirklich einen großen Schritt weiter.“

Bischof Pickel hat auch eine Botschaft an die Hörerinnen und Hörer von Radio Vatikan:

„Also spontan würde ich das gleiche sagen, was ich früher gesagt hätte, als ich noch in der ehemaligen DDR gelebt habe: Als kleine Kirche in der Diaspora ist es sehr wichtig für unsere Christen von der Weltkirche und von den Brüdern und Schwestern in anderen Ländern der Welt zu erfahren, von deren Nöten und Freuden. Für uns wiederum ist wichtig, dass die von uns wissen und wenn sie uns das von Zeit zu Zeit zu verstehen geben, durch einen Brief, durch einen Besuch oder andere Zeichen der christlichen Geschwisterlichkeit - dann ist das eine sehr große Hilfe für unsere katholischen Christen in Russland.“

 

(rv 24.03.2017 mg)








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