2017-03-24 14:08:00

Brasilien: Die Landlosenbewegung im Visier


Ein weiterer Aktivist der brasilianischen Landlosenbewegung ist am vergangenen Wochenende ermordet worden. Ein Killerkommando streckte Waldomiro Costa Pereira von der Bewegung der Landarbeiter ohne Boden (MST) in einem Krankenhaus im Staat Pará im Nordosten des Landes nieder. Auf den Mann war bereits am Vortag ein Anschlag verübt worden, deshalb lag er im Spital von Parauapebas. Wer Costa Pereira umbrachte, ist bislang nicht geklärt; er ist neben mehreren Umweltschützern bereits der zehnte Aktivist, der in diesem Jahr ermordet wurde. 2016 waren es 61 Todesopfer.

Widerstände gegen die Agrarreform

Aufgrund ihres politischen Einsatzes für die Rechte von Kleinbauern und Landarbeitern steht die brasilianische Landlosenbewegung schon seit längerer Zeit im Visier von brasilianischen Großgrundbesitzern. Costa Pereira beriet die Lokalpolitik zuletzt in Fragen der Landreform, über die in Brasilien bereits seit langer Zeit diskutiert wird.

„Wir haben hier über acht Millionen Quadratkilometer Land und brauchen dringend eine solche Reform“, erläutert Don Geraldo dos Reis Maia, Rektor des Päpstlichen Kollegs Pio Brasiliano in Rom: „Verschiedene Regierungen haben versucht, diese umzusetzen, aber keine mit Erfolg“, sagt der brasilianische Geistliche im Interview mit Radio Vatikan.

Bis heute scheitert die Reform am Widerstand mächtiger Großgrundbesitzer, die nicht von ihren Privilegien und Ländern lassen wollen. „Da geht es um enormen Besitz, enorme Territorien, von Produzenten im Agrar- und Nahrungsmittelbereich, die sich immer neue Vorteile verschaffen wollen gegenüber denjenigen, die das Land bearbeiten, die immer mehr Land wollen, um mehr zu produzieren und größere Vorteile zu haben.“

Ungerechte Landverteilung ist Erbe der Kolonialzeit

Die ungerechte Landverteilung in Brasilien rührt noch aus der Kolonialzeit her, erklärt Don Geraldo. „Als die Siedler ankamen, haben sie genommen so viel sie konnten und es an einige wenige verteilt, die ihre Geschäfte ausbauen wollten. Diese Praxis wurde dann zur Gewohnheit, so dass wir heute viel Großgrundbesitze haben, die sich über Flächen erstrecken, die fast die Größe europäischer Länder haben.“

So besitzt in Brasilien heute ein Prozent der Bevölkerung fast die Hälfte des gesamten Territoriums, während die arme Landbevölkerung dazu gezwungen ist, auf diesen Ländereien als Tagelöhner zu schuften – meistens wie Sklaven, völlig unterbezahlt und ausgebeutet.

Für die Stärkung der Rechte dieser Menschen setzt sich die brasilianische Landlosenbewegung (MST) ein. Die in den 80er Jahren gegründete Vereinigung, die 1991 den Alternativen Nobelpreis erhielt, ist in Brasilien bis heute zu einer Massenbewegung geworden, die für soziale Gerechtigkeit, würdige Arbeit, Geschlechtergerechtigkeit und genossenschaftliche Organisationsformen eintritt. Grundprinzip ist dabei Gewaltlosigkeit, Aktionsformen sind etwa Massenkundgebungen sowie Landbesetzungen von brachliegendem oder schlecht bewirtschaftetem Land.

Kirche unterstützt friedlichen Protest

Brasiliens Kirche unterstützt den Einsatz der Bewegung, sofern er friedlich sei, betont der Rektor des Päpstlichen Kollegs Pio Brasiliano im Interview mit Radio Vatikan. Man setzte auf Dialog und Versöhnung, ziele auf politischen Ausgleich, so Don Geraldo dos Reis Maia: „Die Kirche bemüht sich darum, die Familien der Opfer zu unterstützen und auch die Bewegung (der Landlosen, Anm.), doch sie sucht auch in der Politik nach einer friedlichen Lösung, um Ausgleich zu finden, zur Zufriedenheit aller Seiten.“

Leicht sei das freilich nicht, weiß der Brasilianer. Und er mag an die Verquickung von Wirtschaft und Macht in Brasilien gedacht haben, die einer Landreform bis heute den Weg versperrt.

Papsteinsatz für Arbeit, Land und Wohnraum

Mit Papst Franziskus hat der Heilige Stuhl seinen Einsatz für Arbeiter und Kleinbauern akzentuiert: So richtete der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden im November 2016 das dritte Welttreffen der Volksbewegungen in Rom aus, auf dem es unter anderem um das Recht auf Arbeit, Land und Wohnraum ging. Franziskus hatte bereits Teilnehmer des ersten und des zweiten Welttreffens der Volksbewegungen (2014 und 2015) im Vatikan bzw. in Bolivien getroffen.

(rv 24.03.2017 pr)








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