2017-03-21 09:57:00

D: Der erste „Ketzerbischof“ an der Gregoriana


Ökumene heißt: Mauern niederreißen und eine gemeinsame WG eröffnen. So zumindest sieht das ein evangelischer Bischof aus Deutschland: Vier Wochen lang hat Landesbischof Karl-Hinrich Manzke von Schaumburg-Lippe mit Jesuiten in Rom zusammengewohnt.

„Erstmal war es für mich eine große Ehre, dass meine Frage sofort positiv aufgenommen worden ist und ich die Einladung bekommen habe! Ich hatte mich selber eingeladen und gefragt, ob das möglich ist: Kann ich mal in der Kommunität der Jesuiten an der Hochschule Gregoriana zu Gast sein? Es haben viele Deutsche, auch Lutheraner, schon an dieser Universität studiert und Vorlesungen gehalten, aber das Mitleben in der Gesellschaft, also bei den Jesuiten – da war ich der erste Ketzerbischof, der das durfte.“

Der Bischof, der auch Catholica-Beauftragter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirchen Deutschlands (VELKD) ist, zog also aus dem Landeskirchenamt Bückeburg nach Rom, an die von Jesuiten geleitete Gregoriana. In gewisser Hinsicht die Höhle des Löwen, denn die Uni ist im 16. Jahrhundert im Zug der Gegenreform gegründet worden. An der „Piazza della Pilotta“ wohnte der Lutheraner nun in einem kleinen Einzelzimmer mitten unter 50 Jesuiten, teilte ihr Leben, knüpfte Kontakte. „Tisch, Stuhl und Bett, WC über den Flur“, sagt er. Vor allem aber lernte er die, wie er formuliert, „sehr honorige Kollegialität der Professoren hier“ schätzen.

Allein unter Jesuiten

„Also, der gemeinsame Beginn des Tages um halb sieben mit einer Andacht, bei der ich dabei war, das gemeinsame Leben – und doch auch eine große Individualität, die hier gelebt wird. Dieses Verhältnis von Individualität und Kollegialität hat mich schon beeindruckt. Das erlebe ich in deutschen, evangelischen Fakultäten jetzt nicht immer in dieser Perfektion. Also, man setzt sich miteinander auseinander und lässt sich individuell Raum, aber am Schluss zählt, dass man eine gemeinsame Aufgabe hat: nämlich hier den Nachwuchs für die Weltkirche vernünftig und gut vorzubereiten, mit einem interkulturellen Blick. Ich habe natürlich meine lutherische Prägung, also den lutherischen Abend- und Morgensegen, hier auch bekanntmachen können und leben können. Ich werde in meiner Tradition, in der ich großgeworden bin, auch spirituell weiterleben. Aber die Intensität des gemeinschaftlichen Lebens der Jesuiten ist schon etwas, wovon man viel lernen kann.“

Immer wieder wurde er auf Luther und dessen Denken angesprochen, erzählt Manzke. Nicht nur beim Essen in der Jesuiten-Kommunität, sondern auch von Studierenden in den Hörsälen. In einigen Seminaren habe er Lerneinheiten über die lutherische Lehre angeboten – übrigens auf Italienisch, das hatte er schon als Student mal gelernt.

„Mich hat die Internationalität hier an diesem Ort Gregoriana beeindruckt. Auch mal die Kontinente zu wechseln gelingt uns in den Fakultäten, trotz des Lutherischen Weltbundes und seiner Unterstützung für Studenten, in dieser Intensität nicht. Nach den Vorlesungen gab es mit den Professoren immer ein kleines Gespräch, und jeder berichtete aus seinem kulturellen Hintergrund zu den Fragen, die in der Vorlesung auch verhandelt wurden, z.B. in der Sakramentenlehre.  Das finde ich schon großartig. Also, das hat mich schwer beeindruckt.“

Lernen durch Dabeisein

Ein Jahr ist das ungewöhnliche WG-Experiment von Bischof Manzke jetzt her. Seine Kontakte nach Rom hat er weiter gepflegt. Und natürlich vermittelt er das, was er allein unter Jesuiten erlebt hat, auch in seine evangelische Kirche hinein.

„Ich habe natürlich in der Kirchenleitung darüber berichtet, weil es in der Tat das erste Mal gewesen ist, dass in der Gemeinschaft der Jesuiten in der Gregoriana ein lutherischer Bischof mitleben durfte. Ich habe auch vor der Synode der EKD darüber berichtet als ein Beispiel dafür, dass im Reformationsjubiläumsjahr 2017 auch hier in der weltweit verbreiteten Jesuitenzeitschrift die Spiritualität von Ignatius von Loyola mit der von Martin Luther verglichen wird.“

Erzählt der Lutheraner von Rom, dann trifft er bei seinen Glaubensgeschwistern oft auf Erstaunen, sagt er. Da werde er zum Beispiel gefragt, wie er das denn mit der Sprache gemacht habe. Allerdings: „Die Befürchtung, dass ich jetzt zum Jesuiten mutiere, die hat bisher keiner geäußert. Die ist auch nicht gegeben... aber großer Respekt vor der Tradition der Jesuiten.“ Fazit des Landesbischofs: „Ökumene bewegt sich auch über Begegnung. Sich der Tradition und Spiritualität des anderen stellen und aussetzen und sie verstehen... Lernen durch Dabeisein.“

(rv 21.03.2017 sk)








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