2017-03-20 14:05:00

Papst bekennt Mitschuld der Kirche am Genozid in Ruanda


Papst Franziskus hat für das Fehlverhalten von Priestern und Ordensleuten beim Völkermord von Ruanda 1994 um Vergebung gebeten. Das Eingestehen der Schuld soll nach dem Willen des Papstes den Weg zu einer friedlichen Zukunft in dem Land ebnen. An diesem Montag empfing Franziskus den Präsidenten Ruandas, Paul Kagame, in Privataudienz. Die ungewöhnliche Mitteilung des Heiligen Stuhles im Anschluss an die Begegnung spricht vom „tiefen Schmerz des Papstes, des Heiligen Stuhles und der Kirche wegen des Völkermordes an den Tutsi“, dem damals in nur 100 Tagen etwa 800.000 Menschen zum Opfer fielen.

Franziskus habe den Opfern und allen, die heute noch an den Folgen des dramatischen Gemetzels litten, seine Solidarität versichert. Zudem habe er „auf der Linie der großen (Versöhnungs-)Gesten von Papst Johannes Paul II. beim Großen Jubiläum des Jahres 2000“ die Bitte an Gott um Vergebung erneuert. Die Mitteilung spricht wörtlich von „Sünden und Verfehlungen der Kirche und ihrer Angehörigen, unter ihnen Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, die dem Hass und der Gewalt nachgaben und so ihre evangelische Sendung verrieten“. Der Papst wünsche überdies, dass das demütige Eingeständnis der damals begangenen Verfehlungen dazu beitrage, „das Gedächtnis zu reinigen“ und in Ruanda für eine friedliche Zukunft zu sorgen.

Derart konkrete Aussagen sind ungewöhnlich für eine Vatikan-Mitteilung im Nachgang zu einer Audienz. Das Verhältnis zwischen Ruanda und dem Heiligen Stuhl galt seit dem Völkermord als angespannt, da Ruanda von der katholischen Kirche eine Vergebungsbitte forderte, die dieser bisher nicht gegeben hatte. Erst im vergangenen November hatten die ruandischen Bischöfe zum Ausklang des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit eine Vergebungsbitte veröffentlicht, worauf auch das Vatikan-Statement verweist. Die Regierung hatte die Stellungnahme der Bischöfe mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, sie aber zugleich als „unzureichend” befunden, weil nur von der Schuld von Einzelpersonen, nicht aber von der Kirche als Institution die Rede war.

Der Vatikan seinerseits beschuldigt die Regierung in Kigali der Hinrichtung von 13 Geistlichen, darunter drei Bischöfen, im Juni 1994 durch Männer der Miliz „Ruandische Patriotische Front“, die unter dem Kommando des heutigen Staatspräsidenten stand. Der Prozess gegen die Mörder 2008 war mit einem milden Urteil zu Ende gegangen. Insgesamt waren im Völkermord auf beiden Seiten 103 Priester, 65 Ordensfrauen und 47 Ordensmänner ermordet worden.

Präsident Kagame, der selbst der Volksgruppe der Tutsi angehört, ist seit dem Jahr 2000 in Kigali an der Macht und hat dem Land seither eine straffe Radikalkur in Sachen Sicherheit, Bildung und Wirtschaft verpasst. Die hierbei erzielten Fortschritte wurden bei der Audienz „gewürdigt“, heißt es in der Erklärung aus dem Vatikan. Sorge mache beiden Seiten die große Zahl von Flüchtlingen und Migranten in der zentralafrikanischen Region, in der auch Ruanda liegt. Kagame sprach im Anschluss an das Treffen mit Papst Franziskus auch mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und dem vatikanischen „Außenminister“ Paul Richard Gallagher.

 

Zur Einordnung der Entwicklungen in Ruanda hat Radio Vatikan am Vormittag mit der Ruanda-Fachfrau Gesine Ames vom „Ökumenischen Netzwerk Zentralafrika“ gesprochen. Sie sagte uns, die Lage in dem Land sei 23 Jahre nach dem Völkermord stabil, der Weg zur Versöhnung aber noch „sehr lang“.

„Was Ruanda sicherlich erreicht hat in den letzten 16 Jahren nach dem verheerenden Völkermord ist, dass die Bevölkerung zu einer friedlichen Koexistenz zurückgefunden hat, was eine große Herausforderung darstellt. Ich würde aber nicht sagen, dass es zu einer flächendeckenden Versöhnung gekommen ist. Problematisch an der ruandischen Versöhnungsarbeit sehe ich, dass sie von einem Ansatz ausgeht, der von oben nach unten reicht, das heißt, dass die Art der Versöhnung, wie Versöhnung passiert, was als Versöhnung vorgegeben wird, ganz stark politisch gelenkt ist und an die unteren Ebenen weitergegeben wird. Das bringt Probleme, weil man eine klare staatliche Kontrolle über die Versöhnungsarbeit in Ruanda hat.“

Die straff vorangetriebene Politik der Regierung nimmt in Ruanda bisweilen demokratiefeindliche Züge an, wie Gesine Ames weiter ausführt.

„Ruanda hat sicher große und kleine Erfolge in der Bildungsarbeit geleistet, in der Gesundheitsvorsorge, hat auch ein Wirtschaftswachstum vorzuweisen. Allerdings ging diese Doktrin, dass man die Sicherheit und Stabilität als erste Priorität für den Wiederaufbau des Landes nimmt, oftmals auf Kosten der politischen Entwicklung, der Entwicklung von Menschenrechten, Meinungsfreiheit, von politischem Pluralismus. Wir haben in Ruanda klar das Beispiel eines Stabilitätsstaates, der sich auf Kosten von anderen bürgerlichen Rechten aufbaut.“

Zudem bedeutet ein stabiles Ruanda nicht automatisch auch mehr Stabilität für die gesamte Region Zentralafrika. Das Land verfolge starke Eigeninteressen in den Nachbarländern, namentlich im Ostkongo. Gesine Ames vermerkt, dass

„auf den ersten Blick Ruanda als stabiles sicheres Land heraussticht, es wird sehr viel Geld in die innere Sicherheit investiert, die Präsenz der Armee und Polizei ist in Ruanda extrem hoch. Das ist ein hoher Kostenfaktor für das Land, was zum Großteil durch externe Gelder finanziert wird, USA, EU, auch Deutschland. Wäre das nicht vorhanden, wäre auch die innere Sicherheit nicht so gegeben. Gleichzeitig hat sich Ruanda jedoch auch an Krisenherden in der Region teilschuldig gemacht nach 1994.“ 

(rv 20.03.2017 gs)








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