2017-03-16 13:58:00

Landesbischof: „Wunderbare Perspektiven für die Ökumene“


Der ökumenische Schwung, der sich ausgerechnet im Reformations-Gedenkjahr entwickelt hat, wird nicht so schnell wieder erlahmen: Davon ist der evangelische Bischof Karl-Hinrich Manzke überzeugt. Dazu seien die Selbstverpflichtungen, die 2016 im schwedischen Lund zum Reformationstag auf Weltebene ausgesprochen worden seien, „eine zu starke Vorgabe“. Das sagte der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands am Mittwoch im Gespräch mit Radio Vatikan in Rom, wo er an der Päpstlichen Universität Gregoriana beim Dies Academicus 2017 gesprochen hatte. Von Vatikanseite war Kardinal Kurt Koch, der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, zugegen.

„Diese Selbstverpflichtungen im Gottesdienst in Lund – wir wollen unsere Gemeinschaft verstärken, wir wollen uns auch durch den Blick und die Begegnung auf und mit dem anderen verändern lassen und das Gemeinsame bewusst gestalten und verstärken – diese Selbstverpflichtungen sind ja jetzt auch in Deutschland ausgesprochen worden. Und daran wird uns die Öffentlichkeit messen - die kirchliche Öffentlichkeit, die gesellschaftliche Öffentlichkeit.“

„Das hätte auch ganz anders kommen können“

Der ökumenische Schwung, der sich genau 500 Jahre nach Martin Luthers Protest ergeben habe, sei „wunderbar“, so der Landesbischof von Schaumburg-Lippe. „Das hätte auch ganz anders kommen können: Andere Jahrhunderte haben Reformationsjubiläum konfessionell different gefeiert und begangen. Dass das gelungen ist, ist vielen Menschen zu verdanken und ist ein großer Erfolg! Die Sorge, dass wir 2017 dann alle die Flügel hängen lassen, sehe ich nicht. Zumal Kardinal Koch ja auch deutlich in Lund gesagt hat: Wir sollten ähnlich wie damals in der Frage der Rechtfertigungslehre jetzt auf eine gemeinsame Erklärung zu Kirche, Eucharistie und Amt zugehen – also auf die noch trennenden Fragen. Und das sind wunderbare Perspektiven auch für die weitere Ökumene.“

Am Entwurf einer solchen Konsenserklärung über die theologisch noch strittigen Fragen zwischen Lutheranern und Katholiken schreiben dem Vernehmen nach gerade die finnischen Lutheraner: Damit scheint die Möglichkeit, dass die seit einem halben Jahrtausend getrennten Kirchen auf einmal theologisch wieder auf demselben Fundament stehen, fast in Reichweite gerückt.

„Ihr braucht eigentlich nur noch zu unterschreiben“

„Wenn man zurückblickt, wie es zur gemeinsamen Erklärung über die Rechtfertigungslehre 1999 gekommen ist, dann wird man schnell daran erinnert, dass es auf dem Weg eine Fülle von auch regional verorteten bilateralen Gesprächen gegeben hat. Damals waren es die Verwerfungssätze, die bearbeitet werden mussten; es waren auch in der finnischen Kirche, in der nordischen Kirche erste Beschäftigungen mit der Rechtfertigungslehre, die damals im 16. Jahrhundert zu etwas Trennendem geführt hat. Und so ist es jetzt auch: Lutheraner und Katholiken haben letztes Jahr in den USA eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie sehr selbstbewusst sagen: Ihr braucht eigentlich in Europa nur noch zu unterschreiben...“

Die „Weltebene“ der katholischen wie der lutherischen Kirchen könnten, so glaubt Bischof Manzke, „darauf angewiesen sein, dass jetzt auch in Deutschland bestimmte Fragen behandelt werden, die dann zusammenkommend möglicherweise – das ist die Hoffnung – zu einer gemeinsamen Erklärung führen“. Und das wäre viel mehr als nur Papier: Es würde bedeuten, dass das „auf der Lehrebene Trennende überwunden sein“ solle. „Und dann ist die Frage der Kirchengemeinschaft, der sichtbaren Kirchengemeinschaft, sehr zu konkretisieren und zu präzisieren – bis hin zur Frage der Abendmahlsgemeinschaft.“

Der Schwung erreicht die Lehrdebatte

Nachgefragt: Heißt das also, da rückt auf einmal eine theologische Kircheneinigung in Reichweite? Manzke: „Ich denke ja. Wir haben ja in den vergangenen Jahren auch die Ökumene der Begegnung, die Ökumene im Austausch, in Fragen der Frömmigkeit sehr nach vorne gerückt..., nachdem in Lehrfragen doch erst mal die Differenzen festgestellt worden waren. Und es scheint so, dass die Entwicklung mit der Äußerung von Kardinal Koch, aber auch des Lutherischen Weltbundes – „Ja, wir wollen auf so eine gemeinsame Erklärung in den noch lehrmäßigen trennenden Fragen zugehen!“ – den Schwung auch in die Lehrdebatte trägt... dass sich diese Bewegung auch auf die Lehrfragen ausweiten lässt. Das kann man nur begrüßen!“

Eine gewisse Bewegung sieht Landesbischof Manzke auch, was die heikle Frage der eucharistischen Gastfreundschaft, der Interkommunion, betrifft. Immerhin habe die katholische Kirche doch nach ihren beiden Familiensynoden jetzt auch eine Tür zum Sakramentenempfang von wiederverheirateten Geschiedenen geöffnet.

„Ruft nicht immer in Rom an“

„Ich bin nicht derjenige, der zu Rebellen- oder wie auch immer welchen Aktionen innerhalb der katholischen Kirche und der Weltkirche aufzurufen hat, das ist nicht mein Thema. Aber an dieser Stelle hat Papst Franziskus ja auch in einem Briefwechsel mit einer argentinischen Diözese deutlich gesagt: Nutzt in diesen Feldern (wiederverheiratete Geschiedene und deren Abendmahlszulassungen und konfessionsverbindende Ehen – für Deutschland ein wichtiges Thema) eure Freiheiten im pastoralen Dienst, und ruft nicht immer in Rom an! Diese Fragen müssten nicht auf einer Lehrebene entschieden werden, sondern das Corpus Iuris Canonicis lässt Möglichkeiten, an der Stelle pastoral zu handeln. „Prüft eure Gewissen, und dann handelt. Wer bin ich,“ hat Papst Franziskus beim Besuch in der deutschen (evangelischen) Gemeinde hier (in Rom) ganz jesuitisch gesagt, „dass ich euch, wenn ihr eure Gewissen prüft, das dann verweigern sollte?“ So Hoffe ich, dass auch in Deutschland, gerade wo ja die Christinnen und Christen weitgehend, kann man sagen, hälftig katholisch oder evangelisch sind, an der Stelle Bewegung aufkommt.“

Bischof Manzke setzt da auf einen Denkprozess innerhalb der katholischen Kirche, in Deutschland und anderen Ortskirchen. „Wir Evangelischen wollen das von außen nicht irgendwie fordern, aber wir hoffen darauf, dass Vertrauen gewachsen ist. Und dass die katholische Seite auch weiß: Wir Evangelischen fördern da nicht eine schwierige Debatte, sondern trauen der katholischen Kirche auch zu, diese Fragen jetzt sehr pointiert und bewusst anzugehen.“

(rv 16.03.2017 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.