2017-03-11 11:13:00

Aleppo: „Tief entmutigt“


Aleppo ist im Dezember nach langer Belagerung in die Hände der Regierungstruppen gefallen – und seitdem ist aus der zweitgrößten Stadt Syriens nicht mehr viel zu hören. Dabei gehen die Kämpfe rund um Aleppo weiter. Allein an diesem Donnerstag haben nach Angaben des syrischen Observatoriums für Menschenrechte 26 Rebellen bei Luftangriffen der syrischen Armee und Russlands ihr Leben verloren.

Auch in humanitärer Hinsicht bleibt die Lage in Aleppo ausgesprochen verzweifelt. Erst seit dem 7. März gibt es wieder Trinkwasser, nach Monaten der Blockade des entsprechenden Wasserwerks durch die Terrorgruppe „Islamischer Staat“.

Papstspende für Aleppo

Papst Franziskus und die Chefs der römischen Kurienbüros haben am Freitag, zum Abschluss ihrer Fastenexerzitien, insgesamt 100.000 Euro für Aleppo gespendet. Und der Papst hat für Syrien eine Messe gelesen.

„Als die Stadt befreit wurde, da waren wir zunächst erleichtert“, sagt uns die Karmelitin Schwester Marie-Françoise aus Aleppo. „Aber dann gab es wieder kein Wasser mehr, und es gibt weiterhin Kämpfe rund um die Stadt. Die Leute sind hier also immer noch angespannt. Allerdings sind sehr viele Arbeiten im Gang, um Aleppo wieder aufzubauen. Wir erwachen also langsam wieder zum Leben, in einigen Stadtvierteln gibt es auch wieder Strom. Also, die Lage ist sehr gemischt. Sehr viel Zerstörung. Sehr viel wiederaufzubauen. Und den Menschen wieder Mut zu geben, ist viel schwieriger, als Häuser wieder zu reparieren.“

Zwar haben die Kämpfe in Aleppo selbst aufgehört, sagt Schwester Marie-Françoise, aber der Krieg gehe doch spürbar weiter, in Sicht- und Hörweite der Einwohner. „Wir sind den Brennpunkten hier besonders nahe, rund um uns knallt es – so stark haben wir das früher gar nicht mitbekommen! Das führt dazu, dass man ständig unruhig ist... und außerdem wissen die meisten Leute in der Stadt auch nicht, wie sie bis zum Abend etwas zum Essen und zum Leben finden sollen. Wir haben zum Beispiel neben uns einen Priester wohnen, der hat sich immer um eine Pfarrei in einem armen Viertel von Aleppo gekümmert. Da gab es ein Zentrum für Frauen, wo sie arbeiten konnten; das ist vollkommen zerstört. Nähstuben und sowas – alles kaputt. Die Nähmaschinen und das alles sind geklaut worden, da ist nichts mehr. Dieser Priester würde gerne die Kirche wieder aufbauen und dann den Frauen dort irgendwie wieder Arbeit verschaffen. Das sind die Art Sorgen, die wir hier haben.“

Zukunft? Keine Ahnung

Wie stellt sich die Karmelitin nun die Zukunft vor, falls der Bürgerkrieg in Syrien eines Tages, vielleicht an Erschöpfung aller Beteiligten, enden sollte? „Keine Ahnung. Wir bleiben in den Händen Gottes, weil wir absolut keine Ahnung haben. Irgendwie hoffen wir, dass es später mal besser wird... Die Lage ist so verfahren – auch politisch, oder? Keiner von uns weiß, was vorgeht. Wir hoffen. Außerdem sind unsere Bedürfnisse hier enorm, und die Familien verlassen weiterhin die Stadt – also, wenn Sie etwas Positives hören wollen, dann kann ich nur sagen: Die Stadt ist wenigstens ruhig, es gibt keine Angriffe in der Stadt selbst mehr. Ansonsten muss man erst mal abwarten, wie sich das weiter entwickeln wird, denn in Aleppo sind jetzt auch die Preise stark gestiegen... alle karitativen Initiativen sind total überfordert.“

Von den Friedensverhandlungen von Genf oder Astana, die immer wieder mal stattfinden, scheint die Karmelitin aus Aleppo nicht sehr viel zu halten. „Es wird viel geredet, aber es gibt nur wenig Konkretes. Die Rebellengruppen verlieren an Boden rund um Aleppo, jedenfalls scheint es so. Aber es gibt ständig oppositionelle Gruppen, die versuchen, doch wieder in die Stadt hineinzukommen.“

„Europa hat uns vergessen“

Von Europa und dem Westen fühlten sich die Menschen in Aleppo „vergessen“ – jetzt, nach der Befreiung der Stadt, erst recht. Sie seien „zutiefst entmutigt“: Keine Arbeitsplätze, hohe Preise (auch für wichtige Medikamente), in großen Teilen der Stadt seit fast einem Jahr kein Strom mehr. Nach einem Moment der Euphorie, als die Blockade Aleppos endete, seien „die Erschöpfung und die Angst jetzt auf einmal wieder da“.

Darum freut sich Schwester Marie-Françoise über die Spende von Papst Franziskus und der Kurie. „Das ist ein Mann, der sehr sensibel ist für die Armen, für das Elend, und Aleppo ist jetzt leider eines der großen Notstandsgebiete der Welt. Für uns ist das eine Freude, eine Ermutigung! Wir hoffen, dass andere seine Geste nachahmen... Aber vor allem hoffen wir, dass bald mal die Kämpfe vor der Stadt enden. Wenn sie nicht enden, dann ist überhaupt nichts Positives in Aleppo möglich. Man sollte beten und handeln für einen echten Frieden.“

(rv 11.03.2017 sk)








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