2017-03-03 13:08:00

Vatikan klagt Ausbeutung durch multinationale Firmen an


„Es kann nicht sein, dass wenige reiche multinationale Konzerne über mehr als 50 Prozent aller Güter, die von natürlichen Ressourcen herrühren, verfügen – das ist nicht gerecht.“ Es waren deutliche Worte, mit denen der Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am Donnerstag die Ausbeutung von Natur- und Bodenschätzen durch Wirtschaftsunternehmen anklagte. Zum Abschluss einer Umweltschutz-Konferenz an der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften kritisierte Marcelo Sanchez Sorondo die Rücksichtslosigkeit einer ausschließlich auf Profit fixierten Wirtschaft, die auf Kosten der Natur und der Ärmsten in der Welt geht.

Nachhaltigkeit statt Ausbeutung

Papst Franziskus und die katholische Kirche setzen dem Modell der Ausbeutung und Profitmaximierung eine Vision entgegen, die den Schutz der Schöpfung, Prinzipien des nachhaltigen Wirtschaftens und soziale Gerechtigkeit hochhält. Durchdekliniert wird sie in Franziskus Umwelt-Enzyklika „Laudato sì“. „Das ist die Grundidee der Kirche: an das Gemeinwohl und das Wohl eines jeden Menschen zu denken und nicht nur an den Profit“, brachte dies Sanchez Sorondo auf den Punkt. Gemeinsam mit internationalen Klimaforschern und Konfliktforschern erinnert die Kirche daran, dass Klimaschutz, wachsende Armut und Konflikte eng verquickt sind. Solche Zusammenhänge werden auch in der Abschlusserklärung des Workshops über Biodiversität und Umweltschutz, der am Donnerstag zuende ging, geschildert: „Am wichtigsten ist es, die Armut auszurotten und zweitens, weltweite soziale Gerechtigkeit zu suchen“, fasste der Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften die Ziele der Konferenz zusammen. Mit Blick auf den Schutz der Schöpfung und Artenvielfalt forderten die Tagungsteilnehmer „positives menschliches Handeln“, um Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit zu fördern.

Sozial- und umweltverträgliches Wirtschaften

Was kann ein solch positives Handeln sein? Beispiele gibt es: Die wirtschaftliche Ausbeutung natürlicher Ressourcen in der Amazonas-Region hat etwa in der Form, wie sie heute geschieht, mit Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit wenig zu tun. Sanchez Sorondo: „Und deshalb ist es notwendig, dass Regierungen die Steuern für das Gemeinwohl einsetzen, auch indem sie Steuern verhängen – zum Beispiel, damit die Armen im Amazonasgebiet ihre Wälder behalten können und nicht dazu gezwungen sind, sie zu verkaufen, um zu überleben.“ Eine konkrete Forderung an Regierungen wie etwa Brasilien, den Profit von Wirtschaftsunternehmen, die in der „grünen Lunge des Planeten“ operieren, anders zu besteuern und den Lebensraum der indigenen Völker besser zu schützen. Gerade ihr Überleben hängt ja direkt von den Wäldern und den dort lebenden Tieren und Pflanzen ab. Dass gerade das Aussterben von Spezies, die wichtig für das Überleben des Menschen sind, fatal sein kann, unterstrich der Konferenzleiter und Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, Werner Arber: Der Schweizer Nobelpreisträger trat zu Abschluss des Workshops zusammen mit Sanchez Sorondo vor die Presse.

Horrende Ausdünnung der Arten in Gang

Zur Ausdünnung der weltweiten Artenvielfalt legte die Vatikankonferenz erschreckende Zahlen vor. Die Verlustrate der Biodiversität ist den Angaben zufolge heute tausend Mal höher als in der Vergangenheit, Millionen von Tier- und Pflanzenarten seien vom Verschwinden bedroht, bis Ende des Jahrhunderts könnte durch den Klimawandel und die Erderwärmung bis zu 40 Prozent der Artenvielfalt zerstört sein. Wie Sanchez Sorondo betonte, ist von der Vielzahl der Arten heute „nur ein geringer Teil“ überhaupt bekannt, nämlich weniger als ein Fünftel. „Wir wissen, dass viele Spezies aussterben, und das ist schrecklich: schrecklich für die Zukunft und schrecklich auch für die Harmonie des menschlichen Lebens. Hauptursachen dafür sind die Nutzung von Energien aus Erdöl und Kohle, die Veränderung des Wasserzyklus und als Folge daraus die Einschränkung der Biodiversität.“

Es wäre genug für alle da

Überhaupt ist für die Experten der menschliche Umgang mit den natürlichen Ressourcen die Hauptursache des Übels, nicht die menschliche Bevölkerung oder ihr Wachstum an sich. Die Kapazität des Planeten werde heute zu 156 Prozent ausgeschöpft – am Ende der 1960er Jahre waren es noch 70 Prozent. Der Vatikan sieht in einem verantwortungsvolleren und weitsichtigeren Umgang mit den Schätzen und Zyklen der Natur Lösungen für aktuelle globale Probleme, etwa für das Problem der Umweltverschmutzung. Sanchez Sorondo erinnerte in diesem Kontext: „Es ist nicht die Bevölkerung, die Kohlendioxid produziert, sondern die menschliche Produktion und der menschliche Energieverbrauch, der zur Umweltverschmutzung führt. Wir möchten, dass der Mensch wegkommt von dieser Form der Energiegewinnung und stattdessen Techniken verwendet, die den Menschen (am Ende der Produktionskette, Anm.) mehr Essen geben können.“

Der Vatikanvertreter mag hier an die weltweit 100 Millionen Hungerleidenden und 800 Millionen chronisch Unterernährten sowie die skandalöse Ungleichverteilung des weltweiten wirtschaftlichen Reichtums gedacht haben. 19 Prozent der reichsten Weltbevölkerung konsumiert heute insgesamt über die Hälfte aller verfügbaren Ressourcen. Dabei werden Ressourcen nicht nur konsumiert, sondern auch negativ verändert, was Sanchez Sorondo anhand des Wassers verdeutlicht: „Zunächst muss man Wasser sparen und vor der menschlichen Umweltverschmutzung schützen… Die Frage des Wassers ist zentral, wie der Papst sagt, denn die globale Erderwärmung entsteht wesentlich durch die Beeinträchtigung des Wasserkreislaufes, was zu Kriegen führen kann.“ Mit anderen Worten: Menschengemachte Klimaveränderungen führen zu Dürren und entfesseln Kriege um Ressourcen. Dass alle Menschen ein Recht auf Zugang zu sauberem Wasser haben müssen, hatte in der vergangenen Woche der Papst erneut gefordert. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Vereinten Nationen hatten 2014 ungefähr 748 Millionen Menschen weltweit keinen Zugang zu Trinkwasser.

Der Workshop mit dem Thema „Biologisches Aussterben. Wie die natürliche Umwelt schützen, von der wir abhängen?“ fand vom 27.2.-1.3.2017 an der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften in den Vatikanischen Gärten statt. Wenige Tage zuvor hatte dort noch eine Konferenz zum „Menschrecht auf Wasser“ stattgefunden, auf der auch Papst Franziskus intervenierte.

(rv 03.03.2017 pr)








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