2017-03-02 14:28:00

Pater Zollner: Kinderschutz-Kommission arbeitet weiter


Dass mit der Irin Marie Collins ein früheres Missbrauchsopfer die Päpstliche Kommission für Kinderschutz verlässt, hat am Mittwoch aufhorchen lassen. Was ist da los? Das fragten wir am Donnerstag den deutschen Jesuiten Hans Zollner. Der Theologe und Psychologe ist Vizerektor der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, Mitglied der Päpstlichen Kinderschutzkommission und Leiter eines Zentrums für Kinderschutz.

„Marie hat mich vor etwa vier Wochen darüber informiert, dass sie daran denkt, die Kommission zu verlassen, weil es einfach zuviel geworden ist für sie, und weil die Frustrationen sich über Jahre angehäuft haben: Es ging ihr nicht schnell genug. Und es ist für sie keine konsistente Antwort von – wie sie sagt – einigen Behörden innerhalb des Heiligen Stuhls und auch weltweit zu erwarten, zu erleben. Insofern war irgendwann mal der Tropfen da, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat.“

„Es ging Marie Collins nicht schnell genug“

Zollner betont, dass Frau Collins auch weiter mit der Kommission zusammenarbeiten wird. „Wir haben in etwa sechs Wochen eine Veranstaltung bei einem der kirchlichen Ministerien hier in Rom, wo wir die Mitarbeiter schulen werden, und sie hat zugesagt, da auch weiter mit Kardinal O’Malley und mir zu arbeiten... Die Zusammenarbeit hört also nicht auf.“

Alle Mitglieder der Kommission seien übrigens „sehr oft bzw. ständig mit Opfern von Missbrauch in Kontakt“, so der Jesuit. Einige solcher Opfer hätten ihm nach dem Bekanntwerden von Marie Collins Rückzug gesagt, sie verstünden zwar Collins’ Schritt, bäten die Kommission aber darum, weiterzumachen. „Die Situation wird sich nicht dadurch ändern, dass wir jetzt plötzlich die Hände in den Schoß legen und nichts mehr tun dafür, dass eine neue Generation von Priestern und Verantwortlichen in der Kirche konsistent und rasch sowohl auf Anschuldigungen reagiert als auch alles tut, damit Kinder geschützt werden.“

„Sie nimmt den Papst ausdrücklich aus von ihrer Kritik“

Pater Zollner widerspricht den Medienberichten, dass mit Frau Collins’ Rückzug jetzt kein Missbrauchsopfer mehr in der Kinderschutz-Kommission vertreten sei: „Das stimmt formal nicht! Peter Saunders, der letztes Jahr von unserer Seite aus beurlaubt wurde, wollte und will, soweit ich weiß, bis heute nicht aus der Kommission austreten. Also, auch das ist nicht richtig.“

Allerdings sei es jetzt „umso wichtiger“ geworden, dass die Kommission bei der anstehenden Plenarsitzung in drei Wochen „die Stimme der Betroffenen präsent hält“.

Aber in welchen Kurienbüros genau wird denn nun gebremst in Sachen Kinderschutz? „Ich habe verschiedene Interviews von Marie gesehen: Auf Rückfrage von Journalisten hat sie vermieden, Namen und auch Institutionen zu nennen. Immer sagt sie: Ich nenne keinen Namen. Also, um wen es sich konkret handelt, kann ich nicht sagen.“ Nach seinem Eindruck gehe es Marie Collins nicht um „die“ Kurie, nicht um bestimmte Dikasterien und auch nicht um die Glaubenskongregation – eher „um Personen oder Untersektionen von Kongregationen“.

„Sie nimmt ausdrücklich den Papst von ihrer Kritik aus; das war ja auch nicht unbedingt zu erwarten, weil ja zuletzt auch in anderen Medien der Papst da attackiert wird, als ob er generell nicht so streng mit Missbrauchstätern umgeht, wie das zu Zeiten von Benedikt XVI. gewesen ist. Das stimmt so nicht – da wird ein Fall genommen und dann extrapoliert auf eine gesamte Politik. Das ist sicherlich nicht der Fall.“ Franziskus habe „so eine klare Positionierung“ in Sachen Missbrauch, dass von einer „Änderung in der Politik“ keine Rede sein könne.

„Das Tribunal gibt es längst“

Im Gespräch mit der italienischen Tageszeitung La Repubblica von diesem Donnerstag bemängelt Marie Collins, die Glaubenskongregation habe die Einrichtung eines Tribunals für Bischöfe, die Missbrauchsfälle vertuschen, bis heute nicht eingerichtet. Dabei sei genau das schon vor knapp zwei Jahren von der Kommission gefordert worden – mit Rückendeckung des Papstes.

Aber Pater Zollner widerspricht: „Die Kommission hat dem Papst 2015 die Errichtung eines solchen Tribunals vorgeschlagen. Dann wurde im Juni 2015 diese Errichtung eines Tribunals angekündigt. Dabei ist aber meines Erachtens ein falscher Begriff verwendet worden, der bis heute für viel Verwirrung sorgt, nämlich die „Errichtung“ eines Tribunals.“ Dabei habe es schon vorher ein entsprechendes Tribunal gegeben, so Zollner. „Man brauchte kein neues Gericht zu schaffen – das gibt es bereits! Und es hat auch funktioniert, auch wenn es nicht so häufig in Anspruch genommen wurde.“

Dieses Gericht sei bei der Glaubenskongregation angesiedelt und könne Bischöfe oder Provinziale vor allem im Fall von Amtsmissbrauch belangen, so wie das im Kirchenrecht auch vorgesehen sei.

„Ein Jahr später, im Juni 2016, hat der Papst ein Dekret erlassen, in dem er Linien vorzeichnet, wie diejenigen Behörden, die im Vatikan mit Bischöfen oder Provinzialen zu tun haben, vorgehen müssen, wenn es sich um Amtsmissbrauch handelt in Bezug auf Vertuschung von Missbrauch oder auf Nichtbefolgen dessen, was das Kirchenrecht eigentlich vorsieht.“ Diese Regeln sollten von vier verantwortlichen Kongregationen ausgearbeitet und die entsprechenden Fälle dann von diesen Kongregationen und schließlich vom Papst behandelt und entschieden werden.

„Einige Bischöfe haben sich selbst entlassen“

„Tatsache ist: In dem Moment, als dieses Motu proprio im Juni 2016 angekündigt wurde, haben sich mal gleich einige Bischöfe selbst entlassen. Sie haben also um ihre Entlassung nachgesucht, weil sie wußten, dass ein Prozess auf sie zukommt. Und nach allem, was ich höre, sind diese Art von Prozessen jetzt auch im Gang. Nur betrifft das manchmal andere Länder und Kontinente, so dass das für unsere Breiten wenig attraktiv ist und auch nicht bekannt ist.“

Auch wenn also behauptet werde, dass die Errichtung eines solchen Tribunals immer noch verschleppt werde, insistiert der Jesuit: „Dieses Tribunal existiert. Es ist richtig, dass es keine klar kommunizierte Leitlinie von diesen vier Ministerien gibt; ich bin nicht auf dem Laufenden, ob das jetzt tatsächlich schon für alle vier gilt, aber einige von denen haben das schon umgesetzt, und Prozesse und Verurteilungen sind schon geschehen.“

(rv 02.03.2017 sk)








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