2017-02-11 07:30:00

China/Vatikan: Kommt der Durchbruch?


Wer hat das letzte Wort über Bischöfe für China, der Papst oder Peking? Diese Frage sorgt zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik schon lange für Spannungen und markiert eines der großen ungelösten Probleme der katholischen Kirche und vatikanischen Diplomatie. Die chinesische Regierung beansprucht Kontrolle über die katholische Kirche in ihrem Land und lehnt eine freie Ernennung von Bischöfen durch den Papst als unerwünschte Einmischung ab. Der Vatikan dagegen wünscht sich Einheit für die katholische Kirche, die in China seit den 1950er Jahren gespalten ist – in einen staatlich-„patriotischen“ und einen papsttreuen Teil, der nur im Untergrund seinen Glauben praktizieren kann.

Dass der Heilige Stuhl mit China seit einigen Monaten den Streitpunkte der Bischofsweihen diskutiert, ist ein gutes Zeichen: „Der Dialog zwischen China und dem Heiligen Stuhl impliziert, dass in Pekings Umgang mit der katholischen Kirche Veränderungen stattgefunden haben“, urteilt Kardinal John Tong optimistisch. Der Hongkonger Bischof hält es für möglich, dass sich der Vatikan in absehbarer Zeit auf ein Abkommen zur Praxis der Bischofsweihen in der Volksrepublik einigen könnte. Er spricht sogar von einer bereits erzielten „vorläufigen Einigung“, laut der der Papst „die höchste und letzte Autorität“ bei der Frage bleiben könnte. 

Damit wäre das Haupthindernis im Verhältnis beiseite gerollt – aus vatikanischer Sicht. Dass die chinesische Seite hier freimütig einschwenken wird, ist vor Hintergrund der kirchlichen Situation im Land mehr als unwahrscheinlich. So hatte es seit dem historischen Brief Papst Benedikt XVI. an Chinas Kirche zwar Bischofsweihen in gegenseitigem Einvernehmen gegeben. In den letzten Jahren kehrte Peking jedoch immer wieder zur alten Praxis zurück und ordinierte Bischöfe ohne römische Genehmigung. So manche Meldung aus China dürfte den Vatikan beunruhigen: Vom Verschwinden papsttreuer Bischöfe oder ihrem Überlaufen zur chinesischen Staatskirche ist da zu hören, von Kreuzabrissen in Kirchen, vom Druck auf Gläubige und dem Willen des Staates, Religionen in der Volksrepublik „chinesisch“ zu prägen.

Bischöfe, die verschwinden

Aufmerken ließ zum Beispiel jüngst die Nachricht, der als papsttreu geltende katholische Weihbischof von Shanghai sei wieder in die chinesische Staatskirche eingetreten. Thaddeus Ma Daqin hatte bei seiner Bischofsweihe vor gut vier Jahren noch verkündet, er kehre der patriotisch-katholischen Vereinigung den Rücken und wende sich neuen Aufgaben zu. Kurz darauf verschwand er zunächst spurlos, dann stellte sich heraus, er stehe unter Hausarrest. Beobachtern zufolge könnte der jüngste Richtungswechsel des Bischofs dem Druck geschuldet sein, den die chinesischen Behörden auf ihn und seine Gemeinde ausübten.

In diese Richtung geht auch die Behinderung einer kirchenrechtskonformen Nachfolge für den vakanten Bischofssitz von Wenzhou. Als im September letzten Jahres der beiderseitig anerkannte Bischof dieser chinesischen Christenhochburg, Vincent Zhu Weifang, verstarb, hätte sein Nachfolger der vom Papst ernannte Koadjutor-Bischof Peter Shao Zhumin sein müssen. Dieser aber wurde für eine Zeit lang verschleppt: Shao Zhumin, der den Untergrund-Teil der Diözese leitete, war den Behörden wohl nicht genehm, um es milde auszudrücken.

Was den Umgang der Behörden mit dem papsttreuen, von Peking nicht anerkannten Teil der katholischen Kirche betrifft, hat sich dieser zwar seit Ende der 80er Jahre verbessert. Rigoroses Durchgreifen gehört jedoch bis heute zum Spektrum der behördlichen Vorgehensweisen und ist auch verwaltungsrechtlich abgesegnet. Kardinal Tong formuliert es so: „Das Verhalten der Regierung gegenüber den inoffiziellen (also papsttreuen, Anm.) Gemeinschaften hat sich in den letzten Jahren im Vergleich zu den 1980er Jahren stark verändert. Bei den meisten sind nur deren Identität und administrative Rechte nicht anerkannt.“ Diese Gemeinschaften könnten sich „immer noch der pastoralen Arbeit hingeben“, hält der Kirchenmann fest.  

In der Religionspolitik zieht China die Zügel an

China ist seit einiger Zeit dabei, seine Religionspolitik neu auszurichten. Doch auch hier scheinen die Behörden dem Vatikan nicht gerade zuarbeiten zu wollen. Ablesen lässt sich das am Revisionsentwurf der „Vorschriften für religiöse Angelegenheiten“, der in Kürze in Kraft treten könnte. Er sieht eine stärkere staatliche Kontrolle der Religionsgemeinschaften vor, „schränkt die bisher noch bestehenden Spielräume für die Religionsausübung weiter ein und bietet konkretere Handhaben für das Eingreifen der Behörden. Das betrifft besonders die nichtregistrierten, inoffiziellen religiösen Gruppen, aber auch die Handlungsfreiheit der registrierten offiziellen Gruppen sowie Kontakt mit dem Ausland“, fasst Katharina Wenzel-Teuber, Herausgeberin der Zeitschrift „China Heute“, den Entwurf zusammen. Dass China in Zukunft „stärker als bisher auch in die Lehren der Religionen einzugreifen beabsichtigt“, schließt Wenzel-Teuber in diesem Kontext nicht aus. Im Zuge der von Xi Jinping angestrebten „Sinisierung“ der Religionen könnten diese noch stärker als bisher an Staat und Kultur angepasst werden.

In der Tat war bei der letzten Zusammenkunft der regierungstreuen „Patriotischen Vereinigung“ Ende letzten Jahres noch ein klares Bekenntnis der katholischen Kirche zu einem „Sozialismus mit chinesischem Gesicht“ und „Patriotismus“ eingefordert worden. Vom Vatikan verlangte die staatliche Religionsbehörde in diesem Kontext „Flexibilität und Pragmatismus“ - was Beobachter als kein gutes Zeichen für den Dialog werteten.

Abzuwarten bleibt indes, ob der erwähnte Revisionsentwurf tatsächlich in der aktuellen Fassung verabschiedet wird. Sollte China im Fall der Bischofsernennungen die Autorität des Papstes tatsächlich anerkennen, wie es Hongkongs Kardinal Tong sehr zuversichtlich glaubt, dürfte sich der auch der Umgang der Behörden mit den von China nicht anerkannten Bischöfen radikal ändern. Bislang sieht sich religiöser Klerus mit „rechtlichen Konsequenzen“ konfrontiert, wenn er „die Beherrschung durch eine ausländische Kraft akzeptiert“ und „eigenmächtig die Ernennung für ein religiöses Amt durch eine ausländische religiöse Organisation oder Institution annimmt“.

Zum Papst bekannt?

Laut dem Hongkonger Kardinal John Tong gibt es in China derzeit sieben vom Vatikan nicht anerkannte amtierende Bischöfe und andererseits über 30 Untergrund-Bischöfe, die Peking nicht akzeptiert. Sollte es tatsächlich ein Abkommen über Bischofsernennungen zwischen Rom und Peking geben, würden die Untergrund-Bischöfe „nicht länger als Opposition“ von der Regierung gesehen, zeigt sich Kardinal Tong überzeugt. In einem aktuellen Beitrag für den „Sunday Examiner“ gibt der Kardinal weiter an, alle der sieben von Rom nicht anerkannten Bischöfe hätten dem Papst in Briefen bereits ihre „bedingungslose Treue“ versichert und den Papst um Vergebung gebeten. Dafür gebe es „verlässliche“ Quellen.

Wie ein mögliches Verfahren zu Bischofsernennungen aussehen könnte, das beide Seiten gutheißen, darüber hatten es bereits im vergangenen Jahr Mutmaßungen gegeben. So könnte es einem Bericht von Reuters zufolge eine Lösung geben, bei der der Klerus in China die Bischöfe wählt und der Vatikan ein Vetorecht hat. 

Sollte sich der Vatikan mit Chinas Führung in der Frage der Bischofsernennungen einigen, wäre das ein „Meilenstein im Normalisierungsprozess des Verhältnisses beider Seiten“, so der Hongkonger Kardinal John Tong. Das Jahrzehnte dauernde Tauziehen um Chinas Kirche wäre beendet, der Weg frei für ein Zusammenwachsen der Kirchen in der Volksrepublik. Auch wäre wohl ein Schritt in Richtung offizieller diplomatischer Beziehungen beider Staaten getan, die 1951 abgebrochen wurden.

Unterschiedliche Interessen

Ob beide Seite im aktuellen Dialog dieselben Ziele verfolgen, steht freilich auf einem anderen Blatt. „Die chinesische Regierung ist mit Problemen auf politischer Ebene befasst, während für den Heiligen Stuhl die Probleme auf der religiösen und pastoralen Ebene liegen“, sagt Kardinal Tong. So gehe es China bei den Bischofsernennungen etwa vorrangig um eine patriotische Ausrichtung der Kandidaten, nicht primär um Fragen der kirchlichen Einheit.

Papst Franziskus will nach Peking

Während die genannten Streitfragen bei den laufenden Gesprächen hinter den Kulissen auf den Tisch kommen dürften, scheint der Papst diese Themen in seinen Aussagen über die Volksrepublik bewusst auszuklammern. „Wir stehen in guten Beziehungen“, versicherte Papst Franziskus im Oktober 2016 diplomatisch, auf seinem Rückflug von Aserbaidschan, „es wird geprüft, man spricht miteinander, es gibt Arbeitskommissionen, ich bin optimistisch.“ China sei ihm stets „ein Bezugspunkt für Größe“ gewesen, bekannte er in seinem ersten ausführlichen China-Interview mit im Januar 2016. Das Land habe einen „unerschöpflichen Reichtum an Kultur und Weisheit“ vorzuweisen und zähle zu den „zivilisiertesten Zivilisationen“ überhaupt.

Eines steht fest: der Papst will nach China. Darauf arbeitet Jorge Mario Bergoglio beharrlich hin. Wenn man ihn einlade, sei er dabei, winkte er zuletzt im Gespräch mit „El Pais“ wieder einmal Richtung Osten. Dass er China schätzt, im Großen und Ganzen, daran will er keinen Zweifel lassen. Steter Tropfen höhlt den Stein, weiß er wohl und auch, was auf dem Spiel steht.

(rv 10.02.2017 pr)








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