2017-02-04 09:52:00

Handlungsfähige libysche Regierung dringend gesucht


Die EU-Staats- und Regierungschefs, die sich am Freitag auf Malta getroffen haben, waren begeistert: Um stolze 98 Prozent ist die Zahl der Flüchtlinge, die letztes Jahr von der Türkei aus nach Europa übersetzten, zurückgegangen. Für die Politiker ein Zeichen, dass ihr Abkommen mit der Türkei vom letzten März wirkt.

So etwas ähnliches hätten sie jetzt gerne auch mit Libyen. Mehr als 180.000 Migranten kamen 2016 von Nordafrika nach Europa, über 300.000 sollen dort gerade auf die Überfahrt warten, die meisten in Libyen. Die Crux ist allerdings, dass ein Abkommen mit Libyen schwere menschenrechtliche Bedenken aufwirft. Und dass es einen libyschen Staatsapparat, mit dem man handelseinig werden könnte, nur in Umrissen gibt. „Wir hatten doch in den letzten Jahren schon mehrfach den Versuch, Abkommen mit Ländern wie Libyen abzuschließen“, daran erinnert Oliviero Forti von der italienischen Caritas. „Das hat natürlich alles nichts gebracht, weil es ja keinerlei Sicherheit gibt, inwieweit die Inhalte dieser Abkommen vor Ort tatsächlich umgesetzt werden. Wie kann man Migranten in einem Land wie Libyen alleinlassen? Dort gibt es heute noch Migranten-Gefängnisse, dort herrscht eine unmenschliche Willkür den Migranten gegenüber (darunter viele Vergewaltigungen), die man sich gar nicht vorstellen kann.“

Europa ist gewarnt

Aber EU-Europa in seiner Not, die Türen vor dem Flüchtlingsansturm zu schließen, hat ja schon auf die Warnungen vor dem Türkei-Abkommen nicht gehört. Das Szenario wiederholt sich jetzt wieder. Auf dem Papier lesen sich die neun Punkte von Malta dabei ganz ordentlich: Geschäftsmodell der Schlepper zerschlagen, die libysche Küstenwache ausbilden und unterstützen, die Lebensbedingungen in Libyen verbessern – ach ja, und sowieso mehr Geld für ganz Afrika, das wird nicht zum ersten Mal versprochen.

„Also, wir versuchen heute noch zu verstehen, wie es einer europäischen Regierung überhaupt einfallen kann, solche Beziehungen mit einem Land einzugehen, das noch nicht mal eine stabile Regierung hat. Es weiß doch jeder, dass al-Sarraj zwar für Europa eine Rolle spielt, nicht aber für das libysche Volk.“

Fayez al-Sarraj ist seit Dezember 2015 Ministerpräsident in Tripolis – genauer: im Hafen von Tripolis. Viel weiter als das Hafenbecken reicht seine Macht nicht, auch wenn der UNO-Sicherheitsrat seine „Regierung der nationalen Einheit“ anerkannt hat.

Wer regiert Libyen?

Doch der wirkliche Herr über die Hauptstadt scheint der Islamist Khalifa Ghwell zu sein... der wiederum in weiten Teilen Libyens nichts zu vermelden hat. „Wenn es in Libyen weiterhin Kämpfe und verfeindete Lager, aber keine funktionierenden Behörden gibt“, so kommentiert an diesem Samstag die FAZ, „wird auch niemand da sein, mit dem die EU ernsthaft zusammenarbeiten kann.“ Das sei der entscheidende Unterschied zur sogenannten Balkanroute oder zur Türkei, die „wenigstens eine handlungsfähige Regierung“ habe.

Aber was sollten denn die Europäer stattdessen tun, Herr Forti? „Legale und sichere Kanäle für die Einreise schaffen“, antwortet der Caritas-Experte. „Die Schleppernetzwerke können wir doch nur schwächen, wenn wir den Händlern ihre Ware wegnehmen... und in diesem Fall sind Frauen, Männer und Kinder die Ware. Wenn wir dagegen diese Menschen im Transitland, in Libyen, blockieren, dann setzen wir wieder einen Menschenhandels-Mechanismus in Gang, und dann wird’s riskanter für alle. Dann werden die Kosten für diese sogenannten illegalen Reisen steigen, dann verlieren alle.“

(rv 04.02.2017 sk)








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