2017-02-03 14:57:00

Armutsforscher Alt: Für eine gerechtere Wirtschaft kämpfen


Acht Menschen weltweit besitzen allein so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung insgesamt ihr eigen nennen kann. Dieser augenscheinliche Skandal ist der Aufhänger des aktuellen Oxfam-Berichtes über die Verteilung von Armut und Reichtum in der Welt. Die Organisation hatte das Dokument Mitte Januar veröffentlicht. Was ist dran an dieser Statistik? Das wollten wir von dem Jesuiten und Armutsforscher Jörg Alt wissen. Der promovierte Soziologe arbeitet bei der Jesuitenmission Nürnberg und seit 2009 bei der Kampagne „Steuer gegen Armut: Die Finanztransaktionssteuer“, einem Zusammenschluss von 100 Organisationen, engagiert. Alt sagte im Interview mit Radio Vatikan:

„Oxfam ist natürlich eine Organisation, die es auf Schlagzeilen abgesehen hat. Aber die Berechnungsgrundlage, nämlich die Datensammlung der ‚Credit Suisse‘, die ändert sich von Zeit zu Zeit.“ Die Zahlen könne man daher nicht als absolute Wahrheit nehmen, so Alt. Weltweit Vermögen zu bewerten sei schwierig – gerade weil die Datenlage intransparent und schwer zu schätzen sei.

Informationen und Netzwerke als Begünstigungsfaktoren

Festhalten lasse sich aber tatsächlich, „dass sich Einkommen und Vermögen in unserer Welt in den letzten Jahren sehr konzentriert haben in den Händen von wenigen. Das ist immer so, wenn man Marktgeschehen weitgehend sich selbst überlässt“, urteilt Alt. Es gebe eine Tendenz, die jene begünstige, die die meisten und besten Informationen und Netzwerke haben. Mit den Worten eines US-Verfassungsrichters bringt der Jesuit es auf den Punkt: „‚Man kann Reichtum konzentriert in den Händen von wenigen haben, oder Demokratie. Nicht aber beides.‘ - Und genau dies bewahrheitet sich zum Beispiel gerade in den USA.“

Auch Papst Franziskus habe mit einem Satz wie „Diese Wirtschaft tötet“ (EG 53) Schlagzeilen produziert, kommt Alt auf die Frage der Darstellung von Armutszusammenhängen zurück. Ein solcher Satz sei dann legitim, wenn man begründen könne, wie man zu dieser Aussage komme. Gerade wenn man in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sei, könne man begründen, „dass an diesem Satz ‚Die Wirtschaft tötet‘ viel Wahres dran ist. Natürlich protestieren die am lautesten, an deren Profite dieser Satz rüttelt!“

Premiere mit langem Atem: Die Finanztransaktionssteuer

Ein Mittel, um die Wirtschaft gerechter zu gestalten, wäre die Finanztransaktionssteuer. Alt setzt sich seit Jahren für die Einführung der Kapitalverkehrssteuer ein. „Es ist das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass neun oder zehn Staaten versuchen, eine gemeinsame Steuer zu definieren. Eine solche Premiere braucht natürlich einen langen Atem.“ Die Finanzindustrie tue alles, um dieses Bemühen zu zerschießen. Ein großer Erfolg sei allein die Tatsache, dass die Steuer immer noch verhandelt werde, so der Soziologe.

Zu den betreffenden zehn Ländern gehören auch Deutschland und Österreich. Die EU-Kommission erarbeitet zur Zeit einen Gesetzentwurf, dem sich – so die Hoffnung der Befürworter – auch noch weitere Länder anschließen könnten. Viel sei schon erreicht, aber in einigen Feldern stünden noch harte Verhandlungen bevor, so Alt. Ein Nachteil der Demokratie sei eben auch, dass in den verschiedenen Ländern, die an den Verhandlungen beteiligt seien, immer wieder Wahlen sind: „Dann muss man natürlich warten, wie diese Wahlen ausgehen und kann erst anschließend mit neuen oder alten Regierungen weitersprechen. Das ist einfach schwieriger und langfristiger als ein Regieren per Dekret, was wir gerade in den Vereinigten Staaten beobachten“, sagt der Jesuit.

Alt würde sich wünschen, dass sich der Papst noch stärker zum Fürsprecher solcher konkreten Initiativen machen würde, die die Wirtschaft gerechter zu gestalten versuchen – wenn ihm auch bereits viel zu verdanken sei: „Papst Franziskus hat auf jeden Fall erreicht, dass die Welt mittlerweile weiß, in welch einer dramatischen und schwierigen Situation wir leben und wie sich die kirchliche Ethik generell dazu verhält.“

Gott arbeitet uns entgegen

Früher habe ihn die Erfahrung von Unrecht für seinen Einsatz motiviert, erzählt der Jesuit. Inzwischen sei für ihn wichtiger, dass Gott jene, die versuchen etwas zu bewegen, nicht im Stich lasse. „Ich habe ziemlich viel erreichen können in meinem Leben, wo die Leute am Anfang immer gesagt haben: ‚Lass es bleiben, das bringt doch ohnehin nichts!‘ und trotzdem hat es geklappt. Ob es nun das Verbot von Antipersonenminen, oder der Schulbesuch von illegalen Migranten ist. Da habe ich Erfolge erzielt.“ Diese Erfolge seien nie allein seinen eigenen Bemühungen zu verdanken gewesen. „Fromm ausgedrückt“, so der Ordensmann, gewinne er den Eindruck, „dass Gott uns entgegenarbeitet.“ Aufgabe sei es, „den Boden zu bestellen“, Gott lasse es regnen und wachsen. „Aber wichtig ist, dass wir den Boden bestellen. Denn ohne unser Bemühen hätte Gott keinen Hebel, um Segen zu geben.“

(rv 03.02.2017 dh)








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