2017-01-28 11:09:00

Vatikan: Gesellschaft am Umgang mit Flüchtlingen messen


Es kommt nicht oft vor, dass sich ein Papst ein bestimmtes Thema persönlich vorbehält, statt eine Vatikaninstitution damit zu beauftragen. Beim Thema Flüchtlinge ist das so: Es gehört in den Bereich „Nachhaltige Entwicklung des Menschen“, zu dem Papst Franziskus in diesem Jahr erst eine neue Institution gegründet hat. Verantwortlich ist aber nicht deren Leiter Kardinal Peter Turkson, sondern die Mitarbeiter erstatten dem Papst direkt Bericht zu allem, was Migranten und Flüchtlinge betrifft.

Einer dieser Mitarbeiter ist der Untersekretär der Vatikaninstitution, Jesuitenpater Michael Czerny. Gegenüber Radio Vatikan spricht er über die Leidenschaft des Papstes für das Thema und darüber, was genau die Arbeit der neu eingerichteten Sektion sein wird.

Über die Jahre hätten immer wieder verschiedene Vatikaninstitutionen sich diesen Fragen zugewandt, so Czerny. „Aber mit Evangelii Gaudium und Laudato Si’ betont der Papst sehr deutlich, dass alle diese Dimensionen als Teile der nachhaltigen Entwicklung des Menschen behandelt werden müssen. Es ist also ein neuer Weg, um der Gesellschaft das Evangelium zu verkünden.“

Ganz allgemein gesagt: Menschen, die aus ihrem Haus und ihrer Heimat vertrieben werden und nicht dorthin gehen können, wohin sie wollen, geben besonders Anlass zur Sorge. „Es ist eine Priorität für den Papst, es ist eine Priorität für jemanden wie ihn, der selber aus einer Migrantenfamilie kommt, aber auch deswegen, weil dieses Thema sozusagen eines der Thermometer für die Gesundheit und das Wohl einer Gesellschaft ist. Wie eine Gesellschaft damit umgeht, sei es indem sie Flucht verursacht oder Flüchtlinge aufnimmt, zeigt genau das an. Und wenn eine Gesellschaft nicht auf dem Level menschlicher Würde antwortet, dann stimmt da etwas zutiefst nicht. Und das macht den Papst leidenschaftlich, was dieses Thema angeht.“

Die Arbeit in der neuen Struktur greife vor allem die bereits geleistete Arbeit in den Räten für Menschen unterwegs und für Gerechtigkeit und Frieden auf, berichtet Pater Czerny. Außerdem geht es um Opfer von Menschenhandel, als insgesamt um Menschen, deren Würde, deren Sicherheit und ganz einfach deren Grund für Hoffnung unter Druck stünden. „Unsere einerseits einfache, andererseits aber auch ambitionierte Aufgabe ist es, Menschen die Begleitung durch die Kirche spüren zu lassen, wenn sie irgendwie auf einem solchen Weg der Migration sind.“ Die Kirche will bei den Menschen sein, die gezwungen sind, zu fliehen; Kirche will präsent sein in den Regionen, durch die andere Menschen hindurch ziehen; und Kirche steht auch bereit im aufnehmenden und willkommen heißenden Land: So fasst Pater Czerny die Dimensionen zusammen. „Es gibt aber nicht genug Koordination oder Austausch von Informationen und Erfahrungen auf diesem Gebiet, wie wir uns das wünschen würden. Und dabei wollen wir helfen.“

Er selber kenne keine Kirche und keine Institution, die Flüchtlinge aufgenommen habe und die das bedauere. In diesem Sinn hat auch das Beispiel des Papstes, syrische Flüchtlinge aus Lesbos in den Vatikan mit zu nehmen, einen guten Einfluss gehabt, berichtet Czerny. Natürlich sei es schwierig, vor allem in westlichen Ländern mit einer wachsenden Angst vor Flüchtlingen. Aber in gewisser Weise werde es dadurch auch einfacher. „Die Wahrheit liegt nun einfach auf dem Tisch. Ja, es gibt diese giftige Angst, aber es ist ja nicht so, als ob es vorher keine Angst gegeben hätte. Das ist nicht neu. Es wäre schlimm, wenn das politisch-korrekt verdrängt würde und nicht ausgesprochen würde. Die Einrichtung unserer Abteilung fällt also in eine Zeit, in der Menschen sozusagen alarmiert sind und darüber sprechen wollen. Wir wollen der Kirche und jedem in der Kirche dabei helfen, auch Kirchen, die auf Grund etwa der Einstellung oder Politik der jeweiligen Regierung Missverständnissen unterliegen. Auch die wollen wir an Bord bekommen.“

Letztlich geht es nämlich nicht um Ideen oder Politik, sondern um Menschen. „Unsere Rolle ist es, den Fokus auf den Menschen zu halten, die einen Ort brauchen, ihr Leben leben zu können. Darum geht es.“

(rv 28.01.2017 ord)








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