2017-01-21 10:44:00

Nach Trump-Vereidigung: „Vatikan hat jetzt doppelte Rolle“


Mit dem Führungswechsel in Washington muss der Vatikan eine „doppelte Rolle“ im Verhältnis zu den USA spielen. Das ist die Einschätzung des Politikexperten und Historikers Massimo Faggioli, der an der Villanova University Philadelphia lehrt. Der Professor für Theologie und Religionswissenschaften schreibt regelmäßig in verschiedenen Zeitschriften über Kirche, Religion und Politik und lebt seit 2008 in den USA.

Auf verschiedenen Ebenen werde Trumps Präsidentschaft unvorhersehbar sein, glaubt Faggioli. Dies hänge im großen Maß davon ab, „ob er der wirkliche Präsident sein wird“ oder ob Vizepräsident Pence, ein ehemaliger Katholik, „der die religiöse Landschaft viel besser kennt als Trump“ eine große Rolle spielen werde. Eines der interessanten Merkmale der Wahl ist für Faggioli Trumps „Fähigkeit jegliche kulturelle Vermittlung vollständig zu umgehen“, also auch die katholischen Bischöfe.

In Bezug auf die Beziehung zum Vatikan sagt Faggioli im Interview mit Radio Vatikan, dass gewöhnlich die Ortsbischöfe die Rolle hätten, Grenzen zu ziehen und die kirchlichen Positionen zu verteidigen, währen der Vatikan der „realpolitisch Handelnde“ sei. Angesichts der neuen Lage allerdings, so der Historiker, müsse der Vatikan „beide Rollen mit Trump spielen“: ihn einerseits als gewählten Präsidenten respektieren, aber gleichzeitig „auch die Rolle übernehmen müssen, Grenzen zu ziehen“ - etwa in Fragen der Migration und Flüchtlinge, die dem Papst am Herzen liegen. Bei diesen Themen seien die U.S.-Bischöfe bisher zögerlich gewesen, findet Politikexperte Faggioli. Bei ihrer letzten Vollversammlung habe die Bischofskonferenz – im Gegensatz zu ihren scharfen Äußerungen nach der Wahl Obamas vor acht Jahren - „einen pragmatischen Blick nach dem Motto ,erstmal abwarten und schauen'“ an den Tag gelegt, bemängelt Faggioli.

Im Gespräch mit Radio Vatikan äußert Faggioli Kritik an dem Verhalten der amerikanischen Bischöfe während des Wahlkampfes. Die Mehrheit von ihnen sei zu sehr auf das Thema Abtreibung, „das einzige definierte Thema der amerikanischen Politik aus religiöser Perspektive“, fokussiert gewesen. Die Hauptsorge der Bischöfe habe sich daher „nicht auf die Wahl des neuen Präsidenten, sondern auf die künftige Gestaltung des obersten Gerichtshofs“ gerichtet. Deshalb hätte Trump das Versprechen, Abtreibungsgegner als Richter zu ernennen, die Sympathie der Mehrheit der U.S.-Bischöfe verschafft. Die Bischöfe hätten über „den hochproblematischen Rest von Trumps Botschaft“ hinweggesehen.

Faggioli beschreibt die katholische Kirche als die größte und wichtigste Kirche der Nation, da sie alle Breiten, alle Bundestaaten, alle sozialen Schichten, alle ethnischen Gruppen und alle Kulturen erreiche. „Von daher hat die Kirche eine besondere Verantwortung, der sie meiner Meinung nach während des letzten Jahres nicht ganz gerecht geworden ist.“

Nach möglichen Berührungspunkten zwischen Papst Franziskus und dem neuen Präsident gefragt verweist Faggioli auf die Sorge beider über „eine gewisse Art der Globalisierung ohne Regeln und ohne Respekt für die Bedürfnisse der nationalen Arbeitskräfte“.

(rv 21.01.2017 dh)








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