2017-01-17 10:26:00

Politikwissenschaftler: Kirchenumgang mit Populismus ändern


Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt fordert von den Kirchen einen anderen Umgang mit Rechtspopulisten. „Es wäre schon eine Aufgabe von den Kirchen, den verlorenen Schafen nachzugehen", sagte er gegenüber dem Kölner Domradio. Gerade die Kirchen seien hier gefordert, anders als bisher mit diesem Phänomen umzugehen. Patzelt ist Autor des an diesem Dienstag erschienenen Buches „AfD, Pegida und Co.: Angriff auf die Religionen“.

„Zunächst einmal müssen wir begreifen, dass Populismus nicht nur aus gesellschaftlich verbreiteten Dummheiten und Vorurteilen entsteht. Wesentlich entwickelt es sich dann, wenn sich sehr viele Menschen in der Bevölkerung in ihren Sichtweisen, Anliegen und Sorgen nicht mehr von der politisch-medialen Elite vertreten fühlen. Dann protestieren die Leute gegen das etablierte politische System.“

Die katholische Kirche könne und müsse sehr wohl gegen Rechtspopulismus einstehen, so Patzelt.

„Die katholische Kirche - wie überhaupt jede christliche Kirche – muss Kante gegen Unmenschlichkeit zeigen. Ob sich die Unmenschlichkeit rechtspopulistisch, linkspopulistisch oder sonst wie äußert – das ist zweitrangig. Die Kirche täte gut daran, zu wissen, dass das Reich Gottes nicht von dieser Welt ist. Politische Aufgaben sind nicht von der Kirche zu bewältigen, sondern Politik ist für andere Bereiche zuständig, als die Religion.“

Die Kirche müsse sich konkret an jene richten, die rechtspopulistisches Gedankengut teilen, so Patzelt.

„Was konkret politisch Verirrte - derzeit Rechtspopulisten - betrifft, schadet es nicht, sich das Beispiel vom guten Hirten und dem verlorenen Schaf vor Augen zu führen. Es wäre schon eine Aufgabe von Kirchen, den verlorenen Schafen nachzugehen und sie wieder einzufangen, statt zu sagen, die sind ohnehin weg. Oder: Wir geben diesen verlorenen Schafen noch einen Fußtritt, damit sie in die Bedeutungslosigkeit oder sonst wohin abstürzen. Hier scheinen mir die christlichen Kirchen nicht immer die richtigen Reaktionsmuster an den Tag gelegt zu haben.“

In Deutschland habe man sich an die Vorstellung gewöhnt, dass Glaube und Religion etwas Altmodisches seien, was „dem modernen, freiheitlichen und zukunftsorientierten Denken widerspricht“, so Patzelt.

„Nun kommt aber mit dem Islam eine Religion in unsere Gesellschaft, die sich ernst nimmt. Für die Muslime – insbesondere für diejenigen, die geflüchtet sind – ist die Religion wichtig, weil sie ein Stück Heimat transportiert. Damit wird unsere Gesellschaft nicht fertig.“

Religiöse Menschen wie beispielsweise praktizierende Christen begreifen jedoch, dass der Islam für Muslime genauso das Dasein erfüllt und Sinn spendet, wie dies bei praktizierenden Christen auch der Fall ist. Deshalb werde in Gebieten wie in Ostdeutschland, wo es wenige bis gar keine aktiven Christen gibt, die Islamophobie besonders aufgebauscht. Patzelt: „Es könnte nicht schaden, wenn Christen wieder das wären, was man biblisch als ,Salz der Erde´ bezeichnet. Stattdessen habe ich den Eindruck, dass viele Kirchen den institutionellen bequemen Kurzschluss suchen. Das heißt: Kirchenführer verbinden sich mit politischen Führern und machen sich zu spirituellen und transzendentalen Handlangern politischer Gestaltungsarbeit. Das ist nicht nur im evangelischen, sondern auch im katholischen Bereich sichtbar. Das führt dann innerhalb der Glaubensgemeinschaft leicht zu einer Entfremdung zwischen Kirchenvolk und Kirchenführung.“

Bundesverfassungsgericht gegen NPD-Verbot

Ebenfalls an diesem Dienstag sorgte auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes für Debatten in Gesellschaft und Politik: Die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) wird demnach nicht verboten. Dieses Urteil verkündete das deutsche Verfassungsgericht an diesem Dienstagvormittag. Nach rund vier Jahren wurde in der Bundesrepublik erneut über die Zulassung der rechtsextremen Partei gerichtlich befunden. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkule, begründet das Urteil damit, dass die Gesinnung der NPD zwar verfassungsfeindlich sei, die Partei aber nicht das „Potenzial“ habe, die Demokratie in Deutschland zu beseitigen. In ganz Deutschland zählte das Bundesamt zuletzt 338 kommunale NPD-Mandate (Stand November 2016) – fast vier Fünftel davon in Ostdeutschland. 

(domradio 17.01.2017 mg)








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