2017-01-06 11:35:00

D: „Frieden schaffen konnte das Militär noch nie“


Sie brachte tausende Menschen auf die Straße, die für Frieden und Versöhnung demonstrierten: die Friedensbewegung. In ihr versammelten sich Menschen unterschiedlichster weltanschaulicher und politischer Verortung. Mit Pax Christi spielte auch eine katholische Organisation eine wichtige Rolle. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ist es ruhig geworden um die Friedensbewegung. Und der islamistische Terrorismus, der die Welt zur Zeit im Griff hat, hat die Friedensbewegten weiter verunsichert. Gregor Lang-Wojtasik ist Professor für Erziehungswissenschaft, engagierter Katholik und einer der wichtigsten Akteure in der deutschen Friedenspädagogik. Michael Hermann hat mit ihm über die Friedensbewegung im Jahr 2017 gesprochen:

RV: Wie steht es um die Friedensbewegung in Deutschland unter den veränderten weltpolitischen Bedingungen?

Lang-Wojtasik: Es gibt Organisation wie Pax Christi oder den Versöhnungsbund, die nach wie vor aktiv sind. Aber es sind eben überschaubare Leute. Die Frage ist jetzt: Wie positionieren wir uns? Die Frage des grundsätzlichen Pazifismus stellt sich nicht, sondern die ist nach wie vor da. Also: Pazifismus ist die Position! Und zwar aus meiner Sicht ohne Abstriche. Ich merke nur, dass viele Menschen zurzeit auf einfache Lösungen setzen. Die sind mit Frieden natürlich ganz schwierig. Frieden ist immer ein nachhaltiger Prozess. Und damit ist auch die Frage der Friedensbewegung neu gestellt: Wogegen sollen wir aktuell sein, wofür sollen wir eintreten? Das ist die Frage.

RV: In der arabischen Welt sind wir mit einer Terrororganisation konfrontiert, die überhaupt zu keiner Kommunikation bereit ist. Inwiefern verunsichert dies auch Menschen, die grundsätzlich eine hohe Sympathie für die Friedensbewegung haben?

Lang-Wojtasik: Militär hat noch nie das Ziel erreicht, das es wollte. Frieden schaffen konnte das Militär noch nie. Das wissen wir. Es kann maximal einen Waffenstillstand herbeiführen und eine militärische Sicherheit, aber keinen Frieden. Diese Überzeugung ist im Moment sehr leise geworden, weil die Leute Angst haben, überrannt zu werden. Da ist eines ganz zentral: Dem IS den finanziellen Boden zu entziehen. Also wenn kein Geld mehr fließt an den IS, dann gibt es auch keinen IS mehr. Das zweite ist, in den Dialog eintreten. Nicht alle IS Kämpfer denken so, wie Sie es eben beschrieben haben. Sicher sind einige komplett frustriert und haben mit einer Demokratisierung von Gesellschaft abgeschlossen. Aber es ist doch immer die Strategie des Pazifismus gewesen, mit den Leuten in Dialog zu treten, und zwar mit denjenigen, die bereit waren. Und es gibt ja durchaus auch Ideen. Ich springe mal in das Thema Taliban. Auch da wird immer unterstellt, Taliban seien grundsätzlich nicht gesprächsbereit. Ich sehe das anders.  Es gibt ja auch gemäßigte Taliban. Ich begreife nicht, warum der Konflikt in Afghanistan nicht genau so entschärft wird. Ich vermute, dass es auch beim IS Leute gibt, die Interesse haben, gehört zu werden. Da bin ich dann bei der Frage, warum nutzen wir diese Chance nicht? Warum gehen wir immer davon aus, dass alle nur Terror wollen? Das ist für mich nicht haltbar.

RV: Kann man denn sagen, dass sich die Friedensbewegung im Moment auf Christen fokussiert, es im Wesentlichen Christen sind, deren Friedensliebe sehr stark ausgeprägt ist? Welche Rolle spielt im Moment das Christentum?

Lang-Wojtasik: Für mich ist Christentum nur gewaltfrei zu haben. Insofern sind für mich die Kreuzzüge ein historisches Ereignis, wo Menschen das Christentum schlichtweg missverstanden haben. Die Frage ist ja jetzt, welche Bedeutung haben die christlichen Konfessionen in dieser ganzen Debatte? Sie sind in der Rolle, die sie immer hatten. Ich habe Pax Christi erwähnt, auch den Versöhnungsbund, es gibt aber auch andere Kreise. Die baden-württembergische Landeskirche ist hier ganz klar, auch bei der Frage der Rüstungsexporte: Stoppen und überlegen, wie man Dialog fördern kann! Was haben wir denn für eine Alternative? Die einzige Alternative, die wir haben, ist doch, zu den Waffen greifen.  Die hat sich historisch noch nie bewahrheitet. Ich glaube, dass Kirche sich hier fragen lassen muss, gerade auch mit Papst Franziskus, der sehr deutlich gesagt hat, dass Frieden und Christentum nur gewaltfrei geht. Das hat er in seiner Enzyklika Laudato Si im Anschluss an den heiligen  Franz gesagt. Das ist eine ganz klare Botschaft: Militär und Christentum schließen sich eigentlich aus. Und alle die, die hier anderer Auffassung sind, sollen mir bitte mal erklären, wo sie das in der Bibel finden. Nach meinem Kenntnisstand gibt es keinen wirklichen Beleg im Neuen Testament. Ich glaube, die Kirchen tun gut daran, sich das immer wieder klar zu machen. Und der Paps - wenn man sich katholisch begreift, aber selbst in der evangelischen Kirche wird er ja sehr geschätzt - ist hier eindeutig.

 

(rv 06012917 mch)
 








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