2016-12-31 12:24:00

Sylvesterbetrachtung: Adams Nabel und Evas Apfelbiß


Von Hans-Bernhard Wuermeling.

Mit Recht fragen Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer von Radio Vatikan, weswegen man Ihnen ausgerechnet an einem Sylvesterabend eine höchst abseitige Betrachtung über Adams Nabel zumutet – und über einen Apfelbiß der Eva, den die gelehrtesten Theologen weder in der Bibel noch in irgenwelchen Apokryphen erwähnt finden. Doch gab es darum, ob Adam einen Nabel gehabt oder keinen gehabt hat, manch erbitterten Streit unter Christen. So soll einst ein Malermönch ins Grübeln geraten sein, ob er Adam wie jeden Menschen mit dem Nabel als Narbe seiner Geburt oder, da dieser doch von Gott in Lehm modelliert und nicht von einer Frau geboren worden sei, ohne Nabel zu malen habe. Er beriet sich darüber mit seinen Mitbrüdern, doch diese wurden sich nicht einig. Sie trugen die Nabelfrage ihrem Abt vor. Der aber wagte nicht, sie zu entscheiden, und so stritt man sich bald in der Öffentlichkeit, ob Nabel oder nicht. Schließlich soll ein griechisch-katholisches Konzil mit seiner konservativen Mehrheit entschieden haben, der Adam könne, da er nicht geboren sondern von Gott unmittelbar erschaffen sei, einen Nabel nicht benötigt und deswegen auch nicht gehabt haben. In der Ostkirche, so behauptet Josef Kirchner in seinem Buch “Die Darstellung des ersten Menschenpaares in der bildenden Kunst von der ältesten Zeit bis in unsere Tage” (das war 1903), in der Ostkirche halte man deswegen, unterstützt von den Mönchen auf dem Berg Athos, an Adams Nabellosigkeit fest. Der Westen dagegen sei dem Konzilsspruch nicht gefolgt, und zwar mit einem eigenartigen, nämlich einem ästhetischen Grund: Gott habe den Menschen schön erschaffen wollen, und der Nabel gehöre zur Schönheit des Menschen. Nabellosigkeit, für die es sogar einen medizinischen Begriff gibt, “Anomphalie” nämlich, sei dagegen häßlich und könne deswegen nicht Gottes  Werk gewesen sein.

Doch auch im Westen blieb die Frage umstritten. So verfaßte noch 1753 Christian Tobias Ephraim Reinhards, ein Arzt aus Camenz eine “Untersuchung der Frage, ob unsere ersten Urältern, Adam und Eva einen Nabel gehabt?” Nach ausführlicher Darstellung der Anatomie und Entstehung unseres Nabels aus der Versorgung des Kindes mittels des Blutes seiner Mutter während der Schwangerschaft, schließt er schlicht unter Berufung auf die Genesis, daß diese die Nabellosigkeit des Adam beweise: “Da es nun eine unumstößliche Wahrheit bleibet, daß unsere ersten Stammältern nicht geboren worden sind, so muß es auch wahr sein, daß sie keinen Nabel nöthig gehabt haben.” In köstlichem Übereifer fügt er seiner Abhandlung eine barocke Verdichtung seiner Lehre an, in der es triumphierend heißt:

“Der Weiseste, der stets das allerbeste wählt,
GOTT, sprach, der Mensch sei gut, dem es am Nabel fehlt.
Wer keinen Nabel hat, ist also nur vollkommen;
Das glauben du und ich und alle Frommen.
Da nun von Cain an der Nabel uns verstellt:
(und daß dem sei, das weis die ganze Welt)
So folgt, wir sind verderbt; Die Mutter aller Weiber
Prägt' ihren Apfelbiß in aller Menschen Leiber.

Evas Apfelbiß steht nun wahrhaftig nicht in der Bibel.  Vielmehr entsprießt er der blühenden Phantasie des Camenzer Heilarztes, der am Ende den Nabel der Menschen als das Siegel der Erbsünde verstehen möchte.

Wir wollen uns aber nicht weiter mit diesen spitzfindigen Streitereien um Adams Nabel befasssen, sondern fragen, um was es den Streitparteien eigentlich geht – oder gehen sollte. Das ist nämlich die Gottgeschaffenheit des Menschen. Den Glauben daran wollen die Streitenden – mit oder ohne Nabel an Adam und Evas Bauch – illustrieren und für sich untermauern. Doch ist das einfach allzumenschlich Gott ins Handwerk gedacht.  Wir sollten es Ihm überlassen, wie und warum Er uns Menschen und Seine ganze Schöpfung ex nihilo, aus dem Nichts, erschaffen hat.

Nicht aus dem Nichts und den formenden Händen Gottes entstanden wollen dagegen die Anhänger einer radikalen Evolutionstheorie den Menschen entstanden wissen, jener radikalen Evolutionstheorie, die in unzulässiger Weise aus biologischen Fakten metaphysische Schlüsse zieht. Für sie ist der Nabel der Beweis des Geborenseins des Menschen aus einem weiblichen Organismus. Nur der Zufall hätte den heutigen Menschen im Laufe von Jahrmillionen aus niederen Formen des Lebens hervorgebracht. Jetzt aber habe er seine weitere Evolution selbst in die Hand zu nehmen. Zweifellos wachsen ihm die Mittel dazu mehr und mehr zu. Das Ziel einer so im Eigenbau veranstalteten Evolution ist aber nicht etwa vorgegeben, sondern wird von denen, die über die Macht dazu verfügen, willkürlich gesetzt. Überleben darf nur – survival of the fittest – wer sich diesen Zielen am besten anpaßt: einer klassenlosen Gesellschaft etwa oder der Vorherrschaft einer Rasse.

Während sich aber die Evolutionstheoretiker immerhin von einer Vergangenheit her verstehen, haben wir es seit den 68er Jahren mit einer Bewegung zu tun, die sich von jeder Vergangenheit abnabeln will und nach einer Formulierung des Freiburger Soziologen Hennis einem Adamswahn verfallen ist. Ihre Anhänger wollen mit den Schandtaten der Vergangenheit – von den Hexenverbrennungen bis Auschwitz – nichts zu tun haben und geben einfach ihren Vorfahren die Schuld daran. Sie verstehen sich herkunftslos, also auch ohne Geburt und Kindheit, nicht einmal im Heideggerschen Sinne ins Dasein geworfen, denn dazu bedürfte es ja eines Werfers, sondern einfach gleichsam nabellos existierend und damit autonom. Vorgegebenes gibt es nicht für sie, auch das biologisch Vorgegebene nicht wie etwa das Geschlecht. Das wollen sie vielmehr für sich selbst frei bestimmen. Die Anhänger eines solchen Adamswahns haben inzwischen den Marsch durch die Institutionen erfolgreich bewältigt, von den Vereinten Nationen über Brüssel und Berlin bis in die letzten Verästelungen des öffentlichen Lebens. Sie beginnen jetzt mit Sprachregelungen, Diskriminierungen und Denkverboten den Privatbereich der Menschen zu missionieren, so beispielsweise unter dem Stichwort Gender-Mainstream. Dabei betrachten sie die Familie, das Bindeglied zwischen Herkunft und Zukunft, als ihren Hauptfeind.

Von selbst, so meinen es die Einen, seien sie aus Erde entstanden. Und aus sich selbst, so meinen es die Anderen, hätten sie sich erschaffen.

Von beiden, weder von den radikalen Evolutionisten noch von den Adamswahnsinnigen, haben die Menschen  eine gute Zukunft zu erwarten. Jene werden genmanipulierend den Einheitsmenschen produzieren und die nicht Angepaßten als lebensunwert ausmerzen. Und diese werden unter selbstherrlicher Leugnung alles Vorgegebenen – wie Leib und Geschlecht – den Menschen verunsichern und ortlos machen, wehrlos dem Zugriff von Ideologen ausgesetzt.

Wir leben mitten unter ihnen, den frivol Gezüchteten und den frivol Zuchtlosen. Aber wir wissen um unsere und ihre Menschenwürde, die aus unserer und ihrer Gottgeschaffenheit folgt. Wir wissen, daß wir damit in eine Freiheit abgenabelt sind, mit der wir unsere Zukunft und uns darin gestalten dürfen, können und müssen. Und anders als unsere Politiker können wir sagen: “Wir schaffen das.” Denn als Christen wissen wir um unsere Herkunft und unsere Zukunft, aus dem Willen Gottes nämlich und in ein ewiges Leben. In diesem Sinne sei das neue Jahr 2017 hoffnungs- und vertrauensvoll begonnen! 

 

(rv 31.12.2016 hbw)








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