2016-12-16 09:48:00

Dem Papst zum 80. Geburtstag: Franziskus, der Reformer


Ein 80-jähriger Papst, der in Rom wie ein junger Hupfer alles neu macht. Einige finden das toll, andere deplatziert. Aber: Macht er wirklich alles neu?

Eines stimmt, er hält viele Primate, ich habe einmal eine Liste angelegt, und sie wird immer länger. Er ist der erste Papst mit Namen Franziskus und der erste in Tausend Jahren, der nicht den Namen eines Vorgängers wählte, sondern den eines Heiligen. Der erste Papst aus Amerika, der erste aus dem Jesuitenorden. Der erste aus einer Großstadt, der erste, der als Seelsorger regelmäßig im Slum unterwegs war, der erste, der einen bürgerlichen Beruf erlernt hat. Der erste Papst mit einer Aversion gegen alle monarchische Symbolik, der erste, der sich in der Kirche „Parrhesia” wünscht, also Freimut, der erste, der persönliche Glaubenskrisen einräumt, der erste Papst als Graffiti-Held. Der erste Papst, der einen russisch-orthodoxen Patriarchen traf, der erste, der beim Ritus der Fußwaschung Nicht-Priestern die Füße wäscht und küsst: Frauen, Muslimen, Migranten. Der erste Papst, der Flüchtlinge zu sich nimmt und Strafgefangene nicht nur besucht, sondern in den Vatikan einlädt. Ich könnte fortfahren.

So viele Primate – und so viel Kontinuität, halte ich dagegen. Was Franziskus an Neuem bringt, ist im Kern eine Akzentuierung von Dingen, die von Jesus her immer da waren, die aber im Insgesamt der Kirche jetzt erst aufleuchten. Barmherzigkeit steht über Gerechtigkeit, zum Beispiel.

Aber: wer gern vom Reformpapst redet, der alles über Bord wirft, schadet der Kirche und versteht sie nicht. Kirche ist das Miteinander ihrer Glieder. Der Papst wird durch den Hype um ihn doppelt abgeschnitten: von der Geschichte seiner Vorgänger und von seiner Institution, die er repräsentiert, aber nicht IST. Und das ist ja das eigentliche Reformvorhaben von Franziskus. Er gibt allen katholischen Gläubigen Hausaufgaben: Reform, das muss bei allen anfangen. Diesen Prozess kann der Papst begünstigen, indem er uns dauernd anstupst, aber zu Ende bringen müssen wir ihn schon selber.

 

Gudrun Sailer, Radio Vatikan








All the contents on this site are copyrighted ©.