„Ein weltlicher Staat ist eine gute Sache – besser als ein konfessioneller Staat, denn mit denen nimmt es meist ein übles Ende.“ Das sagte Papst Franziskus in einem Interview mit der belgischen katholischen Wochenzeitschrift „Tertio“; es wurde an diesem Mittwochmorgen veröffentlicht. Die Trennung von Staat und Kirche in einem Gemeinwesen sei „gesund“; anders verhalte es sich allerdings, wenn sich in einem Staat „Laizismus“ breitmache.
„Laizismus verschließt die Tür vor der Transzendenz, der doppelten Transzendenz: nämlich der gegenüber den anderen und der gegenüber Gott – oder dem, was uns übersteigt. Die Öffnung zur Transzendenz gehört zum Wesen des Menschen.“
Er rede da „nicht von Religion“, sondern von Anthropologie, so Papst Franziskus. Eine Kultur oder ein politisches System, das nicht „diese Öffnung des Menschen zur Transzendenz“ respektiere, respektiere letzlich den Menschen selbst nicht.
„Kein Krieg im Namen Gottes“
Der Papst ging in dem Gespräch auch auf religiös motivierten Terrorismus ein. Das gebe es durchaus, räumte er ein: „Aber keine Religion als solche kann Krieg hervorbringen, weil sie in diesem Fall einen Gott der Zerstörung, des Hasses proklamieren würde. Man kann keinen Krieg im Namen Gottes oder im Namen einer religiösen Position führen.“ Das sei „in keiner Religion“ vorstellbar. „Und darum stehen der Terrorismus, der Krieg nicht in Beziehung zur Religion.“
Stattdessen würden „religiöse Deformationen“ als Vorwand für Terror und Gewalt genutzt, „das schon“. „Sie sind Zeugen davon, Sie haben das in Ihrem Land erlebt“, sagte er unter Verweis auf die Terroranschläge von Brüssel vom März 2016.
„Religiöse Deformationen“ rühren nach Ansicht von Franziskus „nicht an die Essenz des Religiösen“; allerdings gebe es „in allen Religionen, auch bei uns, fundamentalistische Gruppen“. „Es sind diese kleinen religiösen Gruppen, die ihre eigene Religion entstellt, krank gemacht haben.“
„Europa bräuchte Führungspersönlichkeiten“
Der Papst bekräftigte seine schon häufiger geäußerte Ansicht, dass die Welt derzeit „einen Dritten Weltkrieg in Stücken“ erlebe. „Wir sind im Krieg! Die Welt erlebt den Dritten Weltkrieg: Ukraine, Naher Osten, Afrika, Jemen... Es ist sehr schwerwiegend.“ Die Menschen sagten „mit dem Mund“, dass sie gegen Krieg seien, stellten aber gleichzeitig Waffen her und lieferten sie in Kriegsgebiete. Vielleicht stecke hinter der Waffenproduktion auch der Wunsch einiger Staaten, ihren Haushalt aufzubessern. „Allerdings ist der Preis sehr hoch: Blut.“
Politiker wie Schuman, De Gasperi oder Adenauer hätten nach dem Zweiten Weltkrieg „ehrlich“ für den Frieden gearbeitet. „Aber heute fehlen Führungspersönlichkeiten. Europa braucht Führungspersönlichkeiten, die den Weg nach vorne zeigen.“
Auch auf das vor kurzem zu Ende gegangene Heilige Jahr der Barmherzigkeit ging Papst Franziskus in dem schon vor einiger Zeit aufgezeichneten Gespräch ein. Das Heilige Jahr sei „keine plötzliche Idee“ gewesen; vielmehr habe er im Lauf der Zeit „gespürt, dass der Herr das wollte“. „Und offensichtlich ist es sehr gut gelaufen. Die Tatsache, dass es nicht auf Rom beschränkt war, ... hat viel Bewegung ausgelöst, die Leute haben sich in Bewegung gesetzt.“
Für eine „synodale Kirche“
Als Antwort auf eine entsprechende Frage legte Franziskus sein Kirchenbild dar. Die Kirche entstehe „von den Gemeinden her, von der Basis, aus der Taufe“, und organisiere sich um einen Bischof herum, der Nachfolger der Apostel sei. „Aber in der ganzen Welt gibt es viele Bischöfe, viele organisierte Kirchen, und es gibt Petrus. Also: Entweder gibt es eine pyramidale Kirche, wo das gemacht wird, was Petrus sagt; oder es gibt eine synodale Kirche, in der Petrus Petrus ist, aber die Kirche begleitet, sie wachsen lässt, sie anhört, von dieser Realität lernt und sozusagen harmonisiert.“ Eine solche „synodale Kirche“ sei die, die ihm vorschwebe.
Franziskus sprach von der „reichen Erfahrung der letzten zwei Synoden“ mit ihren „vielen unterschiedlichen Schattierungen“: „Das ist Einheit in der Vielfalt. Das ist Synodalität. Nicht von oben nach unten herunterregieren, sondern die Kirchen anhören, sie untereinander harmonisieren, unterscheiden.“
Sein postsynodales Schreiben „Amoris laetitia“ sei ein Ergebnis des gesamten synodalen Prozesses, „interessanterweise“ hätten dem, was da drinstehe, mehr als zwei Drittel der Väter zugestimmt. „Und das ist eine Garantie!“ Auf den Brief von vier Kardinälen, die ihm Zweifel an einigen Punkten aus „Amoris laetitia“ vorlegen, ging Franziskus nicht ein. Doch betonte er, dass auf der Synode „frei gesprochen“ worden sei, „ohne Angst, beurteilt zu werden“ und „ohne zu verurteilen“. „Aber es ist das eine, wie Brüder miteinander zu reden, und etwas anderes, von vornherein schon zu verurteilen.“
Auch auf das Thema Kommunikation ging Franziskus in dem Zeitschriftengespräch ein. Die Medien hätten „eine große Verantwortung“, weil sie „Aufbauer einer Gesellschaft“ seien. „Sie können dazu eingesetzt werden, um Menschen zu diffamieren und mit Schmutz zu bewerfen, vor allem in der Politik“, beklagte der Papst. Genauso übel sei es, wenn Medien „nicht die ganze Information“ böten, sondern einen Teil der Wahrheit unterschlügen. Auf der anderen Seite richteten Medien allerdings auch viel Schaden an, wenn sie „ständig Skandale aufdecken, ständig von den häßlichen Dingen reden, selbst wenn sie wahr sind.“ Richtig genutzt hingegen könnten Medien „sehr, sehr viel Gutes tun“.
(rv 07.12.2016 sk)
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