2016-12-06 11:36:00

Papstmesse: Wer Zärtlichkeit Gottes nicht kennt, kennt nichts


Wer die Zärtlichkeit Gottes nicht kennt, hat auch keine Kenntnis von der christlichen Lehre. Dies sagte der Papst bei der Frühmesse von diesem Dienstag in der Casa Santa Marta. Der rote Faden seiner Predigt war die Figur des Judas.

Ausgehend vom Tagesevangelium, in dem es um das verlorene Schaf und die Freude darüber ging, dass „der Herr nie aufhört, uns zu suchen“, sagte der Papst, dass Gott zwar ein Richter sei, aber einer, der einen „zärtlich streichelt“. Gott sei voller Zärtlichkeit, fügte er an. Gott liebe nicht einfach die Masse ohne Ansehen des Einzelnen, sondern persönlich jeden von uns. Das verlorene Schaf beispielsweise habe sich nicht verlaufen, weil es keinen Kompass hatte, sondern weil sein Herz „krank war“. Doch der Herr suche diese „Kranken“ explizit auf. Das war auch bei Judas der Fall.

„Das wohl beste Beispiel in der Bibel für ein verlorenes Schafes ist doch Judas. Er war ein Mensch, der immer und immer wieder ein verbittertes Herz hatte. Immer musst er jemand kritisieren, war immer distanziert. Er kannte nicht das Süße des gemeinsamen Lebens mit allen anderen. Und weil dieses Schäflein nie zufrieden war – Judas war ein unzufriedener Mann! – ist er immer geflohen. Er floh, weil er ein Dieb war. Andere fliehen, weil sie ein lüsternes Leben führen. Aber sie fliehen, weil in ihren Herzen jenes Dunkle herrscht, das sie von der Herde trennt. Das ist ein Doppelleben vieler Christen – und mit Schmerz müssen wir auch sagen, dass darunter Priester und Bischöfe sind – und Judas war ja auch ein Bischof, einer der ersten sogar, nicht wahr? Er war aber ein verlorenes Schaf, der Arme!“

Diese Bezeichnung stamme übrigens von don Primo Mazzolari, erinnerte der Papst. Dieser italienische Priester war als Antifaschist im Zweiten Weltkrieg bekannt und beim Zweiten Vatikanischen Konzil stand er für eine „Kirche für die Armen“ ein. Ein verlorenes Schaf sei also nicht einer, der einen Fehler begeht, sondern einer, der eine Krankheit habe. Das habe aber Judas nicht erkannt. Dieser habe sich in der Dunkelheit seines Herzen auf die „falsche Fährte“ führen lassen. Statt auf das Licht Gottes habe Judas auf das „Licht der Weihnachtsdekorationen“ geschaut, also auf künstliche, falsche Lichter, so der Papst.

„Da gibt es ein Wort in jener Bibelstelle über Judas, bei der steht, dass Judas sich erhängt und ,bereut´ habe. Der Herr ist gut, auch für diese Schafe, er hört nie auf, sie zu suchen. Ich glaube, der Herr nimmt dieses Wort - ,bereut´ - und trägt es mit sich. Aber was bedeutet das? Es bedeutet, dass die Liebe Gottes bis zuletzt in dieser Seele gewirkt hat, bis zum Moment der Verzweiflung. Das ist das Verhalten des Guten Hirten mit den verlorenen Schafen. Das ist die freudige Weihnachtsbotschaft, die unsere Herzen wandelt und uns Trost im Herrn suchen lässt – nicht in jenen Tröstungen, die wir aufsuchen, um vor der Realität, den inneren Qualen und Spannungen zu fliehen.“

So schimpfe Jesus nicht mit dem verlorenen Schaf, nachdem er es aufgespürt hat, obwohl es so viel Leid verursacht habe. Jesus habe Judas hingegen bis zum Schluss als „Freund“ bezeichnet. Dies sei die Zärtlichkeit Gottes.

„Wer die Zärtlichkeit des Herrn nicht kennt, der kennt auch nicht die christliche Lehre! Wer sich nicht vom Herrn streicheln lässt, der ist verloren! Das ist die Frohe Botschaft, das ist jenes Frohlocken, das wir heute wollen. Das sind die Freude und der Trost, die wir alle suchen: dass der Herr mit seiner Kraft, die in der Zärtlichkeit besteht, zu uns komme und uns rette, wie das verlorene Schaf und uns in seine Herde bringt, die die Kirche ist. Möge der Herr uns diese Gnade schenken, Weihnachten mit all unseren Wunden und ehrlich erkannten Sünden zu erwarten, und seine Kraft, die uns trösten kommt.“

 (rv 06.12.2016 mg)

 








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