2016-12-05 09:52:00

D: „Das funktioniert noch nicht mal im Kloster“


Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich im September 2015 aufgrund ihrer christlichen Überzeugung für die Politik der offenen Grenzen entschieden. Diese Einschätzung äußerte der Historiker Andreas Rödder am Montag im Deutschlandfunk. Doch dieser christliche Grundantrieb Merkels passe weder zu ihrem Flüchtlingsabkommen mit der Türkei noch generell zu ihrem politischen Handeln in diesem Jahr. Sie habe sich damit in einen „Widerspruch“ verwickelt, der zu einem Vertrauensverlust führe. Rödder wörtlich: „Ich glaube, dass dieses Auseinanderfallen von Rhetorik und Handeln in der Bevölkerung sehr deutlich gemerkt worden ist und ich glaube, es ist eine solche Haltung, die auch zu einem Vertrauensverlust führt.“

Zum C im Parteinamen der CDU, die in dieser Woche in Essen ihren Parteitag hält, sagte Rödder, christlich bedeute nicht „eine Politik, die ganz konkret den Geboten Jesu folgen würde“. „Das funktioniert ja nicht einmal in der klösterlichen Gemeinschaft oder unter Klerikern.“

Die CDU sei „klassischerweise die Partei gewesen, die es geschafft hat, einen großen Teil der Bevölkerung zu integrieren, einschließlich des Bürgertums der rechten bürgerlichen Mitte“, so Rödder. Die „Abspaltung der AfD“ zeige jetzt allerdings, „dass die CDU auf dem ureigensten politischen Feld, auf dem sie politisch integriert hat, ein massives Integrationsproblem hat“.

Der Historiker verteidigte das Recht der Kirchen, öffentlich „auch für politische Positionen“ einzutreten. Problematisch werde es, wenn die Kirchen „ihre Positionen moralisch für absolut setzen“. Er sei „sehr, sehr kritisch, wenn man beginnt, die AfD als Ganze als unmoralisch auszugrenzen“. Das sei „weder klug noch demokratisch oder richtig“. Die Kirchen seien durchaus „moralische und politische Autoritäten, aber sie sind keine Instanzen absoluter Moral oder Wahrheit“.

In der Flüchtlingspolitik haben es sich die Kirchen aus Rödders Sicht „allzu einfach gemacht“. Sie hätten sich „auf eine gesinnungsethische Position der Nächstenliebe gestellt“ und alle praktischen Probleme „der Politik überlassen“.

Andreas Rödder, Jahrgang 1967, lehrt Neueste Geschichte an der Universität Mainz. Zuletzt erschien von ihm das Buch „21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart".

(rv/dlf online 05.12.2016 sk)

 








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