2016-12-01 13:08:00

Kolumbien: Nun ist Frieden möglich


Frieden herrscht in Kolumbien zwar noch nicht, ist aber nun wenigstens möglich. Davon ist Prälat Bernd Klaschka, Leiter des deutschen katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, überzeugt. Am Mittwochabend hat das kolumbianischen Parlament dem neuen Friedensabkommen zwischen Regierung und FARC-Rebellen zugestimmt, einen Tag zuvor hatte der Senat dem Abkommen bereits seinen Segen gegeben. Vor wenigen Wochen hatte das kolumbianische Volk einer ersten Fassung des Friedensabkommens eine Absage erteilt, Regierung und FARC Rebellen mussten in Folge dessen noch einmal nachverhandeln. Was neu ist an dem überarbeiteten Abkommen, erklärt uns Prälat Klaschka im Interview.

Prälat Bernd Klaschka: „Bei dem neuen Abkommen, das erarbeitet worden ist, wurden mehr als 500 Änderungsvorschläge diskutiert. Einige von diesen sind in die jetzt verabschiedete Fassung aufgenommen. Ein wichtiger Punkt zum Beispiel ist, dass die FARC sämtliche Vermögenswerte offenlegen muss und diese für die Entschädigung der Opfer eingesetzt werden. Das war in dem vorherigen Abkommen nicht der Fall. Auch ist die kostspielige Finanzierung der Umsetzung des Abkommens eindeutig als Teil des Staatshaushalts deklariert und so ist es inzwischen auch verabschiedet. Weiterhin muss man sehen, dass in dem Abkommen die rechtlichen Voraussetzungen für die Zukunft geschaffen worden sind, wie man mit den FARC Rebellen umgeht. Da gibt es keine große Veränderung, sondern die sind bestätigt worden.“

Radio Vatikan: Am vorherigen Abkommen wurde zum einen die integrierte Steuerreform kritisiert und zum anderen die Zugeständnisse an die Rebellen, was die Bestrafung der Menschenrechtsverletzungen angeht. Sie die nun weniger geworden?

Klaschka: „Was die Bestrafung der FARC Rebellen angeht, da ist Wesentliches nicht geändert worden im Vergleich zum bisherigen Abkommen. Was die Entschädigung der Opfer betrifft bzw. die Vermögensverhältnisse der FARC: die müssen nun ihr eigenes Vermögen zur Entschädigung der Opfer einsetzen. Die Steuerreform ist jetzt in den Staatshaushalt integriert worden. Nun muss der Staat sehen, wie er mit einer Steuerreform diesen Friedensprozess finanziert.“

RV: Ist Frieden nun in Sicht?

Klaschka: „Ich glaube, dass jetzt Frieden in Kolumbien möglich ist. Man hat mit diesem Abkommen einen Meilenstein erreicht und das ist eine gute Grundlage, um die Wunden des Krieges zu heilen bzw. neue Wege zu gehen, damit ein friedliches Zusammenleben der Kolumbianer möglich ist. Ohne dieses Friedensabkommen wäre die Gefahr, dass man zurückfällt in kriegerische Auseinandersetzungen, bedeutend größer.“

RV:  Der Innenminister spricht von im Zusammenhang mit dem neuen Abkommen von einem Beweis der Demokratie, aber müsste er dafür nicht erst wieder das Volk befragen? Kritiker behaupten ja, man unterwandere den Volkswillen nun.

Klaschka: „Nein, ich glaube nicht, dass man den Volkswillen unterwandert. Das Parlament ist Ausdruck des Volkswillens. Im Parlament ist eine große Mehrheit, sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat, für dieses Friedensabkommen. Es ist fast eine dreiviertel Mehrheit erreicht worden. Ich muss auch das Parlament ernst nehmen und als Institution der Demokratie respektieren. Ich glaube, die demokratischen Institutionen sind dadurch gestärkt worden. Das ist eigentlich ein Hoffnungszeichen für die Zukunft der Demokratie in Lateinamerika. Denn das Nein der Bevölkerung hat zunächst zu einem breiten gesellschaftlichen Dialog geführt, der dann eingemündet ist in die Debatte im Parlament.“

RV: Auf der anderen Seite warnt die UN nun aber vor neuen terroristischen Gruppen in Kolumbien in den von der linksgerichteten Guerilla-Organisation FARC verlassenen Regionen. Ist diese Warnung gerechtfertigt?

Klaschka: „Die Warnung an sich ist gerechtfertigt. Neue terroristische Gruppierungen nicht nur von Links, sondern auch von Rechts oder auch Paramilitärs. Der Frieden ist jetzt möglich, aber er ist noch nicht erreicht. Man braucht einen langen Atem, um den Frieden zu erreichen. Es ist gut, diese Gefahrenquellen für den Frieden zu benennen, um ihnen auch begegnen zu können.“

RV: Was sind denn die nächsten Schritte für Kolumbien, um solchen Entwicklungen vorzubeugen und um wirklich Frieden ins Land zu bringen?

Klaschka: „Zum Beispiel ist ein Plan von Seiten der Regierung, in den Gebieten der FARC und in den Gebieten, in denen es diese gewaltsamen Auseinandersetzungen gegeben hat, die Kirche zu bitten, die verfeindeten Gruppen zusammenzuführen. Adveniat wird auch in Zukunft diese Initiativen unterstützen. Insbesondere werden auch jetzt schon Pfarrer geschult, damit sie einen friedlichen Prozess im Dialog mit den verfeindeten Gruppen vor Ort an der Basis realisieren können. Und ich glaube, es ist jetzt wichtig, dass man an die Basis, zu den Menschen, kommt."

Mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC Rebellen ist die Wahrscheinlichkeit gewachsen, dass Papst Franziskus im kommenden Jahr Kolumbien besuchen wird. Er hatte ein gelingendes Friedensabkommen als Bedingung für seinen Besuch genannt.

(rv 01.12.2016 pdy)








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