2016-11-14 13:00:00

Perspektiven nach Trump-Wahl: „Recht auf Asyl ist heilig“


Er wolle eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen und die USA vor Infiltrationen krimineller Migranten schützen – mit solchen populistischen Parolen hat Donald Trump im US-Wahlkampf erschreckend viele Wähler auf seine Seite gezogen und Einwanderer vor den Kopf gestoßen. Für jemanden, der seine Heimat verließ, um in den USA ein besseres Leben zu suchen und/oder in den USA politisches Asyl fand, muss das wie Hohn in den Ohren klingen. Radio Vatikan sprach mit dem gebürtigen Kubaner José Grave de Peralta, der 1963 vor dem kommunistischen Regime floh, um in den USA ein neues Leben zu beginnen. Der Katholik amerikanischer Staatsbürgerschaft legt seine Sicht des Wahlkampfes dar und denkt über mögliche Perspektiven für Kuba nach dem Wechsel im Weißen Haus nach. Grave de Peralta ist Künstler und verdient sein Geld als Reiseführer in Rom.

„Meine Familie schuldet ihr Glück nach den 1960er Jahren der Tatsache, dass wir dazu in der Lage waren, Kuba zu verlassen und damals einen Hafen in den USA fanden. Natürlich wurden die Kubaner als Bestandteil im Kalten Krieg gegen die Ausbreitung des Kommunismus gesehen und im Vergleich zu anderen Leuten durch die US-Administrationen bevorzugt – etwa mit Gesetzen, die sie schützten.“ Als Grave de Peralta 1963 mit seiner Mutter von Kuba in den Nordosten der USA floh, war er noch ein kleiner Junge; die protestantische Kirche im Bundesstaat Delaware nahm die Flüchtlinge damals auf. Knapp zwei Jahre zuvor hatten die USA mit Hilfe kubanischer Exilanten versucht, Kuba militärisch anzugreifen und das Regime dort zu stürzen - jedoch ohne Erfolg. 

Menschen auf der Flucht vor dem Kommunismus kamen den USA im Kalten Krieg entgegen; sie wurden der Weltöffentlichkeit als Bestätigung westlicher Politik präsentiert. Das Asylrecht an sich gehöre jedoch zu Grundprinzipien von Demokratie, unabhängig vom politischen Strippenziehen, zeigt sich Grave de Peralta überzeugt. Der gebürtige Kubaner, der heute in Rom als Fremdenführer arbeitet, schlägt einen großen Bogen zurück, bis ins antike Rom: „Das Recht auf Asyl ist etwas, das heilig ist in der Geschichte, so sehe ich das. Und das betrifft nicht nur die USA heute, sondern schon die Geschichte Roms. Auf dem Kapitol gab es einen Bereich mit dem Namen ,asilo‘, der für Menschen anderer Länder gedacht war, die vor politischen Problemen flohen und in Rom ein neues Leben beginnen wollten.“

Die römische Antike, die USA – deren Geschichte sind ohne Einwanderer jedenfalls undenkbar. Trump hat im Wahlkampf dagegen diffuse Ängste der US-Amerikaner vor „dem Fremden“ und vor sozialem Abstieg gezielt angesprochen. Dabei schreckte er auch vor der Verdrehung von Fakten nicht zurück. Grave de Peralta umschreibt das so: „Die Idee, eine Mauer zu bauen, jedweder Art, ist sehr negativ. Trump hat die Frage des Asyls in seiner Kampagne so dargestellt, als ob Asyl das Einfallstor für Infiltrationen in die freie Welt sei, von Menschen, die dann terroristische Angriffe begehen usw. Da wurde einfach alles durcheinandergeworfen, die Sprache, Ideale, politische Philosophien.“

Wie die Trump-Administration die Frage der Einwanderung angehen wird, ob tatsächlich eine Mauer gebaut wird, steht zu diesem Zeitpunkt offen. Beobachter zweifeln jedoch schon jetzt daran, dass der neue US-Präsident so etwas umsetzen kann, schon allein aus finanziellen Gründen. Grave de Peralta glaubt eher, dass es Widerstände in der Bevölkerung sein werden, die ein solches Abschottungsprojekt langfristig scheitern lassen werden: „Wenn es wirklich zur Konstruktion einer Mauer kommen sollte, glaube ich, dass die Geschichte der USA, auch wenn sie jung und kurz ist, so geartet ist, dass die Leute aufstehen werden und dass diese Mauer nicht ewig stehen wird. Ich glaube, da gibt es etwas unterhalb der Regierung, das Volk, und ich möchte glauben, dass derselbe Geist, mit dem sie uns 1963 in Delaware empfingen, immer noch am Leben ist.“

Geht das Tauwetter weiter?

Seit wesentlich auch dank der Vermittlung von Papst Franziskus ein Tauwetter zwischen den USA und Kuba einsetzte, richten sich große Hoffnungen auf eine weitere Normalisierung in den Beziehungen der beiden Länder. Barack Obama hatte bei seinem historischen Besuch in Havanna gesagt, er wolle „die Reste des Kalten Krieges beseitigen“. Doch während sein Bruder Raul Obama brav die Hände schüttelte, wies Fidel Castro die versöhnlichen Worte des US-Präsidenten kühl zurück: „Wir haben es nicht nötig, dass das Imperium uns was schenkt“, schrieb der 89-Jährige in seinem Parteiblatt „Granma“. Grave de Peralta sieht Obamas Erfolg auf Kuba eher verhalten: „Es gab viel naiven Idealismus in der Obama-Administration – warum hat Fidel Obama zum Beispiel nicht selbst getroffen? Er hat alles Raul überlassen, das war sehr bedeutsam. Fidel Castro trifft sich mit anderen großen Staatschefs, auch mit dem Papst. Schon das sagt uns: Es ist nicht so klar wie wir es gern denken würden. Kuba ist immer noch ein ungelöstes Rätsel.“

Und welche Perspektiven rechnet sich der gebürtige Kubaner für sein Geburtsland heute nach dem Wechsel im Weißen Haus aus? Im Wahlkampf hatte der Republikaner Donald Trump nicht gerade versöhnliche Zeichen Richtung Kuba ausgesandt. So traf er Kriegsveteranen, die als kubanische Exilanten 1961 an der Invasion in die Schweinebucht teilnahmen und damit die USA militärisch gegen Kuba unterstützten. Dazu Grave de Peralta: „Die glauben immer noch daran, dass die Marine irgendwann kommt und das Castro-Regime zerschlägt. Trump hat also solche Leute getroffen und eine Menge der alten Träume wieder wachgerufen, die es im Kontext der Invasion in die Schweinebucht gab.“

Nach den Präsidentschaftswahlen in den USA sieht Grave de Peralta dennoch nicht unbedingt die Gefahr eines Rückschrittes: „Ich glaube nicht, dass Trump tatsächlich die schon gebahnten Wege wieder verschließen kann. Das wäre schwer, auch wenn es im amerikanischen Senat eine Mehrheit gibt, die die harte Linie gegenüber Kuba bevorzugt. Es gibt so viele Anknüpfungspunkte inzwischen... In mancher Hinsicht ist Trump ein Papiertiger. Wir müssen das glauben und weitermachen.“ Vielleicht wolle der Unternehmer Trump ja auch in Kuba investieren, fährt Grave de Peralta scherzhaft fort, auf Facebook habe er Spekulationen solcher Art gelesen: „Dass Trump eventuell daran interessiert ist, an der wunderschönen Seepromenade von Havanna einen Trump Tower zu errichten, einen Turm an der Ufermauer Malecón. Wenn er so was machen würde, wär ich der erste, der das versucht zu boykottieren! Ich zweifle nicht daran, selbst wenn er die armen Schweinebucht-Veteranen trifft, dass unter seinem Schafsfell knallharte Interessen sitzen.“

Kubas Aufbruch „muss von innen kommen“

Grave de Peralta ist mit Freunden und Familienangehörigen auf Kuba in Kontakt. Wie sich das Leben der Menschen vor Ort unter dem Diktum der Kommunistischen Partei anfühlt, sei nicht leicht zu beschreiben, so der gebürtige Kubaner: „Kuba ist ein Ort, wo so viele Sachen auf so vielen Ebenen gesagt werden. Es kann dir passieren, dass selbst Leute, die sagen ,ich bin verzweifelt, ich mag das System nicht, ich will Veränderung sehen‘, sich umdrehen und danach der anderen Seite genau das erzählen, was diese hören will. Die Kubaner haben drei, vier, fünf Masken, die sie tragen. Das wird bei so langer Zeit zur Gewohnheit.“

Der Herzlichkeit im zwischenmenschlichen Kontakt tue das zwar keinen Abbruch, räumt er ein. Dass die Menschen sich aber nur schwer fassen ließen und keinen klaren Standpunkt einnähmen, sei eine Folge der Diktatur. Wohl auch ein Selbstschutz in einem System, in dem bis heute „Menschen verfolgt werden und einfach verschwinden“, wie er sagt. Die politische Doktrin werde den Kubanern schon in den Schulen eingetrichtert. Statt Selberdenken, moralischer Werte, Philosophie oder Religion werde dort das „Glaubensbekenntnis des Staates“ heruntergebetet, nach dem Motto: „Wir haben alle keine Seele, der Staat ist größer als wir – eine andere ,Moral‘ ist da nicht im Angebot.“

Dementsprechend sei es der katholischen Kirche nach wie vor untersagt, Schulen zu führen, lediglich Hausaufgabenbetreuung dürfe von der Kirche organisiert werden. Damit sich Kuba der Welt und die Welt Kuba gegenüber öffnen könne, wie Johannes Paul II. es treffend gesagt habe, brauche es einen inneren Aufbruch, zeigt sich Grave de Peralta überzeugt. Die Kubaner dürften die Rettung nicht außerhalb suchen, sondern sollten in den eigenen Reihen beginnen.

(rv 14.11.2016 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.