2016-11-10 09:28:00

Valerie und der Priester: Zwischen Stalking und Stasi


Zwei Menschen, die sich unter normalen Umständen nie begegnet wären, verbringen ein ganzes Jahr lang zusammen. Dabei versuchen sie, den Dialog über ihre gegensätzlichen Positionen nie abbrechen zu lassen: Dieses reizvolle Konzept steht hinter dem Projekt „Valerie und der Priester“, das eine junge Journalistin und einen katholischen Priester zusammen geführt hat. Seit Mai 2016 begleitet die erklärt kirchenferne Feministin Valerie Schönian den Münsteraner Priester Franziskus von Böselager; über ihr Ringen um gegenseitiges Verständnis, doch auch über Unverständnis und Missverständnis führt Schönian einen Blog, der auch mit Videomaterial bestückt wird. Wir haben mit ihr über das Projekt gesprochen.

„Franziskus ist 39 Jahre alt, 2013 im Kölner Dom zum Priester geweiht worden und gehört der geistlichen Gemeinschaft Emmanuel an. Seit knapp zwei Jahren arbeitet er in Münster-Roxel als Kaplan. Sein ganzes Leben besteht also aus Glauben und katholischer Kirche. Es geht darum, dass wir uns begegnen und austauschen. Ich schreibe einerseits über seinen Alltag, der auch für mich komplett neu ist; und das andere ist, diese Begegnung zwischen uns beiden, die aus völlig verschiedenen Realitäten kommen, in dem Blog festzuhalten,“ erklärt uns die Journalistin.

Der Lernprozess ist beidseitig: Die evangelisch sozialisierte Schönian, die seit ihrer Kindheit keinen Gottesdienst mehr besucht hat, lebt den Alltag des Priesters mit, besucht Anbetungen, Messen und religiöse Feiern mit Boeselager. Der Priester wiederum sieht sich permanenter Beobachtung ausgesetzt: Glaubensgrundlagen, die für ihn und seine Berufung selbstverständlich sind, werden von seinem neuen „Schatten“ angezweifelt und in Frage gestellt. 

Schönian: „Das Spannende an diesem Projekt ist, dass wir, auch wenn wir uns nicht einigen (was wir eben auch nicht tun), immer wieder zusammen kommen, so dass die Kommunikation aufrecht erhalten wird. Jetzt bin ich seit einem halben Jahr dabei und habe schon sehr viel mitgenommen. Ich denke beispielsweise über Sachen nach, über die ich normalerweise nicht nachdenken würde.“

Das strahle bis in ihr Privatleben aus, so die Journalistin. Die Gespräche mit ihren ebenfalls kirchenfernen Freunden drehten sich nun immer wieder auch um Glauben und Kirche, oft ertappe sie sich selbst dabei, wie sie die unbedingte Festigkeit im Glauben, die ihr der Priester vorlebe, in der Diskussion verteidige.

„Und jetzt, wo sich der Alltag nach ein paar Wochen und Monaten ein wenig etabliert hat und ich das Gefühl habe, ein bisschen angekommen zu sein, passiert natürlich noch mehr – weil ich eben bestimmte Vorstellungen von der katholischen Kirche habe. Da sind gewisse Sachen, an die ich sofort denke, wie zum Beispiel Umgang mit Frauen, mit Homosexuellen, mit wiederverheirateten Geschiedenen. Darüber reden wir natürlich auch, denn das sind Dinge, die mir auf der Seele brennen.“

Die Prämisse des Projektes: dem Priester auch wirklich jede Frage stellen zu können. Er selbst habe sich zu dem Experiment erst nach langem Gebet und in sich Hineinhören bereit erklärt, so wird von Boeselager von seiner Begleiterin zitiert. Denn, so der Priester: „Der Glaube ist ein großer Schatz, der für das Leben Antworten hat. Es wäre schön, wenn das andere entdecken würden.“

Die ursprüngliche Idee zu diesem Projekt entstand bei einer Studienaufgabe, der Bestseller-Autor Erik Flügge hat die Konzeption des Projektes übernommen. Auftraggeber ist das Zentrum für Berufungspastoral in Deutschland in Person seines Direktors Michael Maas. Weitere Informationen finden Sie hier.

(rv 10.11.2016 cs)








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